Wikileaks:Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Bundesregierung

Kanzlerin Merkel vor NSA-Untersuchungsausschuss

Öffentliche Anhörungen (hier Kanzlerin Angela Merkel) und das Wälzen geheimer Unterlagen gehören zur Arbeit des NSA-Ausschusses.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Wer hat vertrauliche Daten aus dem NSA-Untersuchungsausschuss an Wikileaks weitergegeben? Bislang wurden Abgeordnete als Quelle vermutet, jetzt wächst der Kreis der Verdächtigen.

Von Reiko Pinkert und Hakan Tanriverdi

Die Generalstaatsanwaltschaft in Berlin hat den Kreis der verdächtigten Personen bei der Suche nach dem Leck im NSA-Untersuchungsausschuss erweitert. Sie hat sich vom Kanzleramt die notwendige Ermächtigung eingeholt und prüft derzeit, ob auch gegen Mitarbeiter der Bundesregierung ermittelt wird. Das bestätigte ein Sprecher der Ermittlungsbehörde der Süddeutschen Zeitung.

Vertrauliche Dokumente waren bei der Enthüllungsplattform Wikileaks aufgetaucht. Ein Regierungssprecher teilte mit, dass man über "Stand und Einzelheiten" den Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft nicht vorgreifen wolle. Bislang wurden Parlamentarier als Quelle vermutet.

Bundestagspolizei geht von Verletzung des Dienstgeheimnisses aus

Bei der Weitergabe der Unterlagen handelt es sich nach Ansicht der Bundestagspolizei um eine "Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht". Wikileaks veröffentlichte Ende 2016 einen 90 Gigabyte großen Datensatz, der knapp 2400 Dokumente umfasst. Enthalten sind auch vertrauliche Schriftstücke, die der Untersuchungsausschuss von Geheimdiensten angefordert hatte. Insgesamt werden auf der Plattform 125 Dokumente gelistet, die vom Bundesnachrichtendienst stammen, weitere 33 sind vom Bundesamt für Verfassungsschutz.

Die Bundestagspolizei stellte 2016 nach eigenen Ermittlungen Strafanzeige. Kurz darauf übersandte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Ermächtigung an die Generalstaatsanwaltschaft Berlin, im Bundestag zu ermitteln. Diese leitete daraufhin einen Prüfvorgang ein.

In Deutschland gibt es vier Geheimhaltungsstufen. Die niedrigste Stufe lautet VS-NfD (Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch), anschließend VS Vertraulich, VS Geheim und VS Streng geheim. Die vertraulichen Dokumente, die auf Wikileaks nachzulesen sind, fallen fast ausschließlich in den Bereich VS-NfD. Von diesen Dokumenten gibt es eine digitalisierte Form. Sie lagen sowohl der Bundestagsverwaltung vor - im Ausschuss tätige Abgeordnete der Fraktionen und deren Mitarbeiter können auf sie zugreifen - als auch dem Kanzleramt.

Ein Dokument könnte den Kreis der Verdächtigen einschränken

Einzige Ausnahme ist das Dokument "Bundestag Vorabunterrichtung RfAB 23.6.2014-1.pdf", über das der Spiegel berichtete. Hierbei handelt es sich um die "Schriftliche Vorabunterrichtung des Bundestags über den Rat für Außenbeziehungen am 23. Juni 2014 in Luxemburg" aus der Bundestags-Datenbank EuDoX. Sie ist im Wikileaks-Datensatz enthalten, aber nicht Bestand des NSA-Untersuchungsausschusses gewesen.

Bis heute wird gerätselt, ob es sich beim Hochladen der Datei um eine Panne handelte - und daher der Kreis der verdächtigen Personen unfreiwillig eingeschränkt wurde. Diese Datenbank wird hauptsächlich von Abgeordneten des Auswärtigen Ausschuss, des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union und des Innenausschusses genutzt. Im Prinzip kann allerdings jedes Abgeordneten-Büro einen Zugang beantragen.

Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses Patrick Sensburg (CDU) sagte: "Ich finde es richtig, dass man bei entsprechenden Veröffentlichungen solcher Dokumente auch ein Ermittlungsverfahren führt. Dies muss ergebnisoffen geschehen. Man darf eben nicht nur die Abgeordneten in den Blick nehmen, sondern auch die Exekutive." Zwischenzeitlich hat die Bundestags-IT nachvollzogen, welche Personen das besagte Laufwerk gespiegelt, also die NSA-Daten auf ihre Rechner heruntergeladen haben. Ergebnis: deutlich mehr als die Hälfte der Abgeordnetenbüros.

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