Wiedereingliederung:So gelingt die Jobrückkehr

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Langzeit erkrankte Arbeitnehmer sollen einen individuellen Rechtsanspruch auf eine Wiedereingliederung bekommen, fordert der DGB.

(Foto: AFP/John MacDougall)

Der DGB fordert Mindeststandards für den Wiedereinstieg in den Beruf.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Wenn Arbeitnehmer schwer, länger oder immer wieder erkranken, müssen sie sich nicht nur Sorgen um ihre Gesundheit machen. Hinzu kann auch die Angst kommen, durch viele Fehlzeiten den Job zu verlieren - oft zu Recht: Ob jemand Krebs hat, unter psychischen Problemen leidet oder etwa wegen seiner Bandscheiben ständig schwächelt, Unternehmen können Mitarbeitern krankheitsbedingt kündigen. Dies ist möglich, wenn ihre Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist, die Prognose für den Arbeitnehmer negativ ist und die betrieblichen Interessen durch eine weitere Beschäftigung erheblich beeinträchtigt wären. Dabei handelt es sich offenbar nicht um Einzelfälle: Personenbedingte Kündigungen erfolgten am häufigsten wegen Langzeit-Erkrankungen, heißt es in einem Kommentar des Bonner Arbeitsrechtlers Gregor Thüsing zum Kündigungsschutzgesetz.

So schlimm muss es aber nicht kommen: Seit 2004 gibt es das "betriebliche Eingliederungsmanagement" (BEM). Dabei loten Arbeitgeber, Betriebsrat und gegebenenfalls Betriebsärzte oder andere Experten aus, was getan werden kann, damit lange erkrankte Mitarbeiter wieder leichter in ihrem Job Fuß fassen können. Zu einem solchen Angebot ist dem Gesetz zufolge jeder Betrieb gesetzlich verpflichtet. Im Gesetz steht jedoch nicht, wie das geschehen soll. Außerdem können Arbeitnehmer nur schwer individuell einfordern, dass sich ihr Arbeitgeber auch daran hält. So nutzt nach früheren Angaben des Bundesarbeitsministeriums nur etwa die Hälfte der Firmen dieses Instrument. Systematisch wieder eingegliedert werden Mitarbeiter vor allem in größeren Unternehmen mit Betriebs- oder Personalrat.

Nun haben Union und SPD im Koalitionsvertrag angekündigt, das BEM "stärken" zu wollen und dabei "mehr Verbindlichkeit" zu erreichen. Vorgelegt hat die Bundesregierung allerdings noch nichts. Deshalb prescht jetzt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) vor. Langzeit erkrankte Arbeitnehmer sollen einen individuellen Rechtsanspruch auf eine Wiedereingliederung bekommen, fordert der DGB in einem Positionspapier.

"Manche sehen das betriebliche Eingliederungsmanagement nur als Vorstufe zur Kündigung."

"Es gibt Unternehmen, die sich ehrlich Mühe geben, ihre Beschäftigten zu halten. Andere machen gar nichts oder werden nur zum Schein aktiv. Sie sehen das betriebliche Eingliederungsmanagement lediglich als notwendige Vorstufe zur Kündigung", sagt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Gäbe es hingegen einen Rechtsanspruch auf das BEM mit gesetzlich definierten Mindeststandards, würden die Chancen auf ernst gemeinte und kompetent umgesetzte Wiedereingliederungsangebote steigen. Ohne eine solche Offerte sollen Arbeitgeber den betroffenen Mitarbeitern künftig nicht mehr krankheitsbedingt kündigen können, wünscht sich der DGB. "Die Zeiten, in denen es Unternehmen gibt, die kranke Beschäftigte regelrecht rausmobben, müssen endgültig vorbei sein", sagt Buntenbach.

Aus Sicht der Gewerkschaften ist zudem ein Rechtsanspruch darauf nötig, stufenweise etwa mit reduzierter Stundenzahl wieder mit der Arbeit anfangen zu können. Der DGB macht sich auch für professionelle Begleithilfe stark, auf die gerade kleine und mittlere Unternehmen angewiesen sind. Er schlägt vor, Fallmanager der Rentenversicherung bei kleinen Firmen ohne Betriebsarzt und Interessenvertretung der Arbeitnehmer zwingend zu beteiligen. Bei schwerbehinderten Menschen, die ein besonders hohes Kündigungsrisiko haben, sollte das Integrationsamt eingeschaltet werden. Nötig seien zusätzlich "finanziell spürbare Sanktionen, wenn Unternehmen die gesetzliche Pflicht für ein BEM ignorieren". Außerdem sollte der Arbeitgeber keinen Zugang zu den Daten der Krankheitsgeschichte bekommen. Diese seien vertraulich zu behandeln, da der Arbeitgeber sonst womöglich eine krankheitsbedingte Kündigung leichter durchsetzen könne.

Das Bundesarbeitsministerium hält die Beschäftigten hingegen aufgrund der bestehenden Rechtslage für gut genug geschützt. "Ein Regelungsbedarf besteht daher nicht", so eine Sprecherin. Sie wies darauf hin, dass laut Rechtsprechung ein fehlendes BEM dem Arbeitgeber bei einer krankheitsbedingten Kündigung schaden und ihn womöglich sogar schadensersatzpflichtig machen könne. Nach Angaben des Ministeriums wurde das betriebliche Eingliederungsmanagement bereits verbessert: In einem Modellprojekt hätten Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung (DRV) kleine und mittlere Unternehmen beraten. Seit Mitte 2015 bietet die DRV den telefonischen "Arbeitgeberservice BEM" an.

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