Süddeutsche Zeitung

Wie Restaurants Verbraucher täuschen:Von Formfleisch bis Fischabfall

Selbstgemacht oder aus der Dose? Die Speisekarte verspricht Verführerisches, doch Kellner servieren oft nur günstige Ersatzstoffe. Verbraucherschützer fordern Aufklärung, was in Restaurants wirklich auf dem Teller landet.

Ein Überblick in Bildern.

Die Verbraucherzentrale Hamburg fordert Aufklärung für die Kunden: Sie müssten auf der Speisekarte sofort erkennen können, ob das Gericht selbstgemacht oder aus Fertig- und Ersatzstoffen zubereitet wurde. Deswegen machten sie Stichproben und sammelten die häufigsten Beschwerden von Kunden: Wo wird selbst gekocht? Bei welchen Gerichten werden Verbraucher häufig getäuscht? Die Ergebnisse haben sie in einer PDF-Datei veröffentlicht. Hier einige Beispiele in der Übersicht. Hier lautet der Verdacht der Verbraucherschützer: Dosensuppe. Sie unterscheidet sich von der hausgemachten Gulaschsuppe in Konsistenz und Geschmack: Sie ist dickflüssiger und schmeckt stark aromatisiert. Statt echter Gewürze enthält sie oft Geschmacksverstärker. Diese müssen auf der Speisekarte für den Kunden kenntlich gemacht sein, fordert die Verbraucherzentrale. Für den Koch ist das Fertigprodukt außerordentlich praktisch, er muss die Suppe lediglich erhitzen.

Selbstgemacht: In die hausgemachte Gulaschsuppe gehören nach klassischen Rezepten eigentlich Zwiebeln, Lorbeerblätter, Wacholderbeeren und Pimentkörner.

Scampi oder Garnele? Wer im Restaurant Scampi bestellt, bekommt oft Garnelen serviert. Sie kosten nur die Hälfte, ihre Fang- und Zuchtmethoden sind zum Teil problematisch: Grundschleppnetze etwa gefährden andere Tiefseeorganismen, indem sie den Meeresboden umpflügen. Auch der Einsatz von Antibiotika in Zuchtbecken ist keine Seltenheit.

Scampi! Sie haben Scheren und sind zarter im Biss. Im Geschmack ähneln sie Hummerfleisch. Werden sie allerdings ohne Panzer serviert, sind die Unterschiede nur schwer zu erkennen.

Formfleischschinken setzen Restaurants ein, weil er mindestens halb so teuer ist wie echter Schinken. Das schnittfeste Konglomerat aus Fleischstücken, Wasser, Stärke und fleischfremdem Eiweiß sieht laut den Verbraucherschützern oft brühwurstähnlich aus. Die Muskelfasern liegen in unterschiedlichen Richtungen, meistens sei das Imitat aber nur mit einem Mikroskop erkennbar, sagen sie. Klebefleisch wird übrigens auch im Supermarkt verkauft, wie die SZ vor kurzem beschrieben hatte.

Der echte Schinken hingegen ist am Stück gewachsen. Um das Imitat vom Original zu unterscheiden, müsste das Ersatzprodukt "Formfleischschinken aus Schinkenteilen zusammengefügt" heißen, sagt die Verbraucherzentrale.

Während der Salzwasserfisch Seezunge etwa 25 Euro pro Kilo und als Filet oft auch das Doppelte kostet, ist Pangasius mit vier Euro Kilopreis unschlagbar günstig. Allerdings schmeckt er meistens fade und stammt oft aus vietnamesischen Süßwasser-Aquakulturen. Die Verbraucherzentrale sagt, die Lebensmittelüberwachung beanstande im Durchschnitt jede dritte Probe. Obwohl Seezunge auf der Speisekarte stehe, werde ein Billigfisch serviert.

Die Seezunge aus dem Atlantik schmeckt aromatischer als Pangasius (ein Süßwasser-Wels) oder Tropenzungen (Plattfische aus dem Pazifik), ist aber stark überfischt.

Wahrheit unter dem Panademantel: Ein echtes Wiener Schnitzel besteht aus Kalbfleisch, dieses hier hingegen aus Pute oder Schwein. Es ist heller, aber vor allem günstiger. Denn Kalb kostet derzeit etwa dreimal so viel. Fleisch anderer Tiere darf nur "Schnitzel Wiener Art", nicht "Wiener Schnitzel" heißen.

Dünner, dunkler, teurer: Das echte Wiener Schnitzel. Die Panade darf, wie beim "Schnitzel Wiener Art" auch, 35 Prozent ausmachen.

Meeresfrüchte mit Fischresten: Surimi - japanisch für "zermahlenes Fleisch" - ist eine einheitlich geformte Masse aus Fischabfällen, meistens orange gefärbt und erhält oft Farbstoffe und Geschmacksverstärker.

Surimi ist ein günstiger Ersatz zu deutlich teureren Meeresfrüchten. Die Fischreste sollten, finden die Verbraucherschützer, in der Speisekarte aufgeführt werden.

Pizza mit Pflanzenfett: Statt Käse benutzten viele Restaurants ein Imitat aus Wasser, Fett, Milcheiweiß, Stärke, Aromen und Geschmacksverstärkern. In der Speisekarte müsste der Ersatz entsprechend "mit Pflanzenfett" deklariert sein. Viele umgehen diesen Hinweis aber mit der Formulierung "überbacken". Unterscheidungen zum echten Käse sind kaum möglich, meistens bräunt er aber weniger gut als ...

... das Original. Der echte Käse zieht angewärmt außerdem typische Fäden. Oft ist die Gratinierung auch eine Mischung aus Käse und Ersatz.

Feta? Nein, ein "Erzeugnis aus Magermilch und Pflanzenfett", eine homogene, schnittfeste Masse ohne Lufteinschlüsse. Der echte Feta hingegen ...

... stammt aus Griechenland. Er ist sehr salzig und geschmacksintensiv. Ob der echte Salzlaken-Käse aus Schafs- oder Ziegenkäse tatsächlich aus Griechenland oder aber aus einem anderen Land stammt, kann der Kunde ohne Packung nicht erkennen.

Viel Milch, wenig Kaffee: Statt Espresso enthalten viele als "Latte macchiato" bezeichnete Heißgetränke einen normalen Kaffee. Er ist dann nichts anderes als ein normaler Milchkaffee.

Ein italienischer Latte macchiato (deutsch: gefleckte Milch) besteht aus einer unteren Milchschicht, einem Espresso, der etwa ein Drittel der Milch färbt und Milchschaum. Zwar besteht er zu einem großen Teil aus Milch, schmeckt aber durch den herben Espresso auch nach Kaffee.

Ein Wasser, bitte: Wer nicht ausdrücklich ein Mineralwasser bestellt, bekommt oft aufgesprudeltes Leitungswasser, Tafelwasser aus einer Schankanlage oder aber billiges Wasser, das in teure Markenflaschen umgefüllt wurde, sagt die Verbraucherzentrale.

Der Kunde kann das Originalwasser, abgesehen vom Geschmack, nur dann von günstigem Leitungswasser unterscheiden, wenn der Kellner die Flasche direkt am Tisch öffnet. Bereits geöffnete Flaschen kann der Kunde zurückgehen lassen.

Zuckerwasser statt Saft: Nektar besteht nur zur Hälfte aus Frucht, Fruchtsaftgetränke sogar nur aus sechs Prozent. Der Rest sei Zuckerwasser, sagt die Verbraucherzentrale.

Saft hingegen besteht zu 100 Prozent aus Frucht, ist farb- und geschmacksintensiv und oft säuerlicher.

Natürlich nicht gelb: Vanilleeis mit Aromen statt echter Schote enthält oft Farbstoff. Das müsste in der Speisekarte vermerkt sein. Eine echte Vanilleschote kostet etwa einen Euro und ist damit sehr viel teurer als ein chemisch aromatisiertes Eis.

Natürlich mit Schote: Die Bestandteile des Vanillemarks im Eis sind kleine schwarze Punkte. Oft allerdings enthält Vanilleeise beides, Aromastoffe und echte Schote.  

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