Wie Deutsche die goldenen Jahre erlebt haben:Valerie Holsboer, Vorstand Arbeitsagentur

Valerie Holsboer, 2017
(Foto: Jakob Berr)

Von Alexander Hagelüken

Anders als mancher glaubt, verdankt sich der deutsche Boom nicht nur Exporten - sondern auch den heimischen Konsumenten. Und die fordern die Unternehmen im Boom ganz schön heraus, lernte Valerie Holsboer, als sie ein Jahrzehnt den Verband der Systemgastronomen leitete, zu dem Fast Food gehört. "Der Anspruch der Kunden an Qualität nahm zu. Es soll nachhaltig und gesund sein, aber genauso viel kosten wie vorher. Die Deutschen sind konsumfreudig bei ,Geiz ist geil'."

Holsboer, 42, wechselte inzwischen in den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, die für 2018 nur noch 2,3 Millionen Arbeitslose verkündete. Was sich von der Massenarbeitslosigkeit der Nullerjahre markant unterscheidet - und Firmen vor ein ganz neues Problem stellt: Personalknappheit. Holsboers Schnellrestaurants waren gewohnt, um Mitarbeiter zu werben, andere Branchen nicht, beobachtet sie: "Die waren gewohnt, aus dem Vollen zu schöpfen." Nun dreht mancher teure Videos für Youtube, um Kandidaten zu begeistern. Holsboer rät, lieber Jobs zu bieten, die Sinn stiften. "Wer Plätze in Kitas hat oder gar bei der Wohnungsfindung unterstützt, ist ganz weit vorne." Wer Fachkräftemangel vermeiden will, soll versuchen, aus schwierigen Bewerbern etwa für eine Lehrstelle das Beste herauszuholen. Doch die Fehler, fürchtet die Juristin, werden immer in guten Zeiten wie jetzt gemacht. Auf allen Seiten. "Jeder, der ohne Abschluss von der Schule abgeht, hat ein größeres Risiko, später arbeitslos zu werden - und fehlt später als Fachkraft." Die deutsche Bevölkerung schrumpft, muss dem Boom da nicht ohnehin bald die Luft ausgehen? Nein, da lässt sich gegensteuern, auf ganz verschiedene Weise, sagt Holsboer, sie ist erster weiblicher Vorstand in der Geschichte der Bundesagentur für Arbeit: "Es macht mich wütend, dass top ausgebildete Frauen im Bekanntenkreis nicht arbeiten, weil sie ihre Kinder nicht betreut kriegen. Da werden Ressourcen verschwendet."

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