Süddeutsche Zeitung

Widerstand gegen Spar-Regime:Griechenland will IWF loswerden

"Der IWF im Herzen Europas ist ein Problem": Die griechische Regierung will den Weltwährungsfonds aus der Troika der Kreditgeber drängen. Seine Experten sollen keinen Einblick in die Haushaltsbücher mehr erhalten. Man sei ja schließlich kein Entwicklungsland.

Von Cerstin Gammelin, Athen

Die griechische Regierung will sich von ihren internationalen Kreditgebern unabhängig machen und insbesondere den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht länger in die Haushaltsbücher schauen lassen. "Der Weltwährungsfonds im Herzen Europas ist ein Problem", sagte Vizepremier Evangelos Venizelos am Mittwoch in Athen. Es sei an der Zeit, dass der IWF aus der Troika der internationalen Kreditgeber ausscheide.

Für den Verbleib des IWF in der Troika gebe es keinen Grund mehr, sagte Venizelos. Er wies darauf hin, dass der Weltwährungsfonds dazu da sei, Entwicklungsländern zu helfen, nicht jedoch bereits entwickelten Staaten. Im Jahr 2010 sei es sinnvoll gewesen, den in Washington ansässigen Fonds in die Troika zu berufen, weil die Europäer von der Krise überrascht worden seien und technische Hilfe bei der Koordination der Maßnahmen nötig gewesen wäre. Inzwischen hätten die Europäer das Sagen bei den Rettungsprogrammen für klamme Länder übernommen. Derzeit gehören der Troika Experten des IWF, der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission an. Sie handeln mit Athen jene Spar- und Reformauflagen aus, die Voraussetzung für Notkredite sind.

Athen hat bisher 250 Milliarden Euro an Notkrediten zugesagt und größtenteils ausgezahlt bekommen, ein Fünftel davon vom IWF. Das derzeitige Hilfsprogramm läuft für die Europäer im Juni 2014 aus, der IWF ist planmäßig ein Jahr länger mit im Boot.

Angst vor extremen Parteien

Die Forderung nach dem Rauswurf des IWF aus der Troika kommt nicht überraschend - und hängt auch mit dem beginnenden Wahlkampf zusammen. Im Mai finden zusätzlich zu den Europawahlen auch Kommunalwahlen in Griechenland statt. Die regierende Koalition aus Konservativen und Sozialisten kämpft um ihr Überleben. Sie fürchtet, dass die extrem rechten und linken Parteien erstarken, sollte es weitere Auflagen der Troika geben. Regierungschef Antonis Samaras hatte bei seiner Neujahrsansprache vorsorglich angekündigt, sein Land benötige keine weiteren Notkredite.

Athen fühlt sich von den Buchprüfern bevormundet und zweifelt auch an deren gesetzlicher Legitimation. "Sie bestimmen die Zukunft von europäischen Bürgern, legen aber keinem Parlament Rechenschaft ab", sagte Venizelos. Sein Land werde das Hilfsprogramm "langsam und mithilfe der europäischen Institutionen", also der Europäischen Zentralbank und des Euro-Rettungsfonds ESM, verlassen und an den Markt zurückkehren. Für dieses Jahr plane Athen, seine Staatsausgaben teilweise frei zu finanzieren.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso warnte davor, die erreichten Erfolge jetzt zu gefährden. "Die Hilfsprogramme sind erfolgreich, wenn sie gut umgesetzt werden", sagte er in Athen. Allerdings steht Griechenland nicht allein mit seiner Kritik an der Troika. Der konservative Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, verlangte am Mittwoch eine Änderung des EU-Vertrags, um die Troika demokratisch kontrollieren zu können.

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SZ vom 09.01.2014/fran
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