Süddeutsche Zeitung

Widerrede (2):Vorschlag für eine europäische Bankenunion

Staaten müssen für die Refinanzierung systemrelevanter Banken einstehen. Umgekehrt haben die Länder selbst hohe Schulden bei ihren Geschäftsbanken. Dadurch wird jede Bankenkrise zu einer Staatsschuldenkrise und umgekehrt. Nur eine europäische Bankenaufsicht mit weitreichenden Eingriffsrechten kann diese Bindung durchbrechen.

Frank Heinemann und Gerhard Illing

"Die Krise im Euro-Raum hat fatale Konstruktionsfehler der Währungsunion offenbart. Sie kann nur durch eine entschiedene Kursänderung bewältigt werden. Die Politik hat nun die Chance, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Ein wesentlicher Teil des Problems ist die enge Verknüpfung zwischen der Verschuldung des Finanzsektors und des Staates auf nationaler Ebene.

Staatshaushalte müssen für die Refinanzierung ihrer systemrelevanten Banken einstehen. Umgekehrt halten die Geschäftsbanken in großem Umfang Schuldverschreibungen ihrer eigenen Staaten. Dadurch wird jede Bankenkrise zu einer Staatsschuldenkrise und umgekehrt. Das Misstrauen schaukelt sich immer weiter hoch.

Das Problem verschärft sich derzeit noch dadurch, dass internationale Finanzakteure sich aus Furcht vor einem Auseinanderbrechen des Euro-Raums immer stärker aus der Finanzierung der Krisenländer zurückziehen. Die nationale Segmentierung wird damit noch dramatischer und droht den Euro-Raum zu sprengen. Nur wenn es gelingt, die Refinanzierung der Banken von der Solvenz nationaler Staaten abzukoppeln, kann sich die Kreditversorgung in den Krisenländern stabilisieren.

Wenn die Refinanzierung der Banken unabhängig von der finanziellen Situation des jeweiligen Staates ist, dann hat eine Schuldenkrise des Staates keine direkten Auswirkungen auf die Kreditversorgung. Durch die einer Staatsschuldenkrise folgenden Sparmaßnahmen entstehen zwar konjunkturellen Schwankungen. Diese lassen sich jedoch durch eine Europäisierung der Kreditversorgung dämpfen.

Durch ein europäisches Rückgrat kann der Finanzsektor Schocks in einzelnen Ländern leichter abfedern. Zentrale Voraussetzung dafür sind nicht nur einheitliche Regulierungsstandards, sondern auch deren Umsetzung aus einer Hand. Eine stärkere Integration des europäischen Finanzsystems und eine Entkopplung von Staatsfinanzen und Kreditversorgung sind für eine stabilere Architektur Europas unverzichtbar. Sie sind wichtige Schritte, um den Teufelskreis zwischen nationalen Schulden- und Bankenkrisen zu durchbrechen. Ein gemeinsamer Währungsraum mit freien Kapitalströmen kann ohne eine europäische Bankenunion nicht sinnvoll funktionieren.

Die Beschlusse auf dem letzten EU Gipfeltreffen gehen deshalb in die richtige Richtung. Nun kommt es darauf an, sie so umzusetzen, dass eine tragfähige Lösung mit einheitlichen europäischen Strukturen geschaffen wird. Es darf dabei keinesfalls um eine Vergemeinschaftung der Haftung für Bankschulden gehen. Vielmehr kommt es darauf an, dass die europäische Bankenaufsicht wirksame Durchgriffsrechte auf insolvente Banken in den Krisenländern bekommt. Die europäische Behörde muss mit der Kompetenz ausgestattet sein, eine ernsthafte Rekapitalisierung solcher Banken durch Ablösung der bisherigen Anteilseigner und durch die Umwandlung von Bankschulden in Eigenkapital durchzusetzen.

Wir brauchen ein einheitliches europäisches Restrukturierungsverfahren, um marode Institute neu aufstellen oder auch abwickeln zu können. Das bedeutet auch: Gläubiger maroder Banken müssen für ihre riskanten Einsätze haften, sodass die Abwicklung von Banken weitestgehend ohne Steuermittel auskommen kann. Um die Stabilität einer Bankenunion finanziell abzusichern bedarf es eines gemeinsamen Restrukturierungsfonds, der mit verbindlichen Auflagen eingreifen kann. Der ESM kann diese Rolle übernehmen. Auch eine verstärkte europäische Einlagensicherung kann auf Dauer zur Stabilität des Systems beitragen.

Nur eine europäische Bankenaufsicht mit weitreichenden Eingriffsrechten kann die enge Bindung zwischen Staats- und Bankfinanzen sowie nationalen Regulatoren wirkungsvoll durchbrechen. Jetzt besteht die Chance, dies umzusetzen und damit einen wichtigen Schritt zur dauerhaften Lösung der Probleme im Euro-Raum zu machen. Dagegen ist es viel schwieriger, auf fiskalischer Ebene direkt in die Souveränität von Mitgliedsstaaten einzugreifen. Dies würde eine funktionierende europaweite demokratische Legitimation erfordern, von der wir derzeit noch weit entfernt sind. Die Bankenunion ist deshalb nur ein Teil der Lösung.

Es bedarf auch Mechanismen und Kontrollen der Staatsfinanzen, die im Rahmen des europäischen Fiskalpaktes umgesetzt werden sollten. Eine Bankenunion kann den Zusammenhalt der Währungsunion sichern. Deshalb plädieren die Unterzeichner dafür, tragfähige einheitliche Strukturen auf europäischer Ebene zu schaffen mit denen die Kreditversorgung von der Finanzierung der Nationalstaaten entkoppelt wird."

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SZ vom 07.07.2012/mane
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