Süddeutsche Zeitung

Whisky:Die brennen, die Engländer

Weltweit wächst der Durst nach Whisky. Eigentlich ist Schottland bekannt für die Spirituose, doch die Destillerien bekommen ehrgeizige Konkurrenz aus England und Wales.

Von Björn Finke, Setmurthy

Auf den Hügeln am Horizont liegt Schnee. Davor breiten sich grüne Wiesen und kahle Wälder aus. Ein Fluss rauscht. Das ist der bei Lachsanglern beliebte Derwent. Das Ufer überblicken flache Gebäude aus grauem Stein: ein alter Bauernhof. Wo früher Kühe im Stall standen, ist heute eine Whiskydestillerie untergebracht. Die Landschaft erinnert an Schottland, aber diese Brennerei befindet sich etwa 40 Kilometer südlich der schottischen Grenze, im englischen Nationalpark Lake District, einem Paradies für Wanderer. Schottischer Whisky ist weltbekannt, die 128 Destillerien dort exportierten 2018 fast 1,3 Milliarden Flaschen ihres Getreideschnapses. Doch in den vergangenen Jahren haben auch einige Whisky-Brennereien in England und Wales aufgemacht. So wie dieser Betrieb, die Lakes Distillery.

Paul Currie ist einer der Gründer. "Wer in Schottland eine Destillerie eröffnet, ist einer von sehr vielen", sagt der 54-Jährige, der bei dem Unternehmen fürs Tagesgeschäft zuständig ist. "Da ist es schwer, aufzufallen." Als englische Whisky-Brennerei sei das einfacher. Insgesamt gibt es in England und Wales 21 oft sehr kleine Whisky-Manufakturen; die Lakes Distillery ist von diesen die größte.

Bei der Auktion zahlten Sammler im Durchschnitt gut 1000 Euro pro Flasche

Weltweit wächst der Durst nach Whisky oder Whiskey, wie die Spirituose in Irland und teilweise in den Vereinigten Staaten heißt. Das freut die Schnapskonzerne aus Schottland, die kräftig in neue Destillerien investieren. Und es führt dazu, dass sich selbst in Ländern, die keine Whisky-Tradition haben, Brennereien an dem Trendgetränk versuchen. So zählt der Verband Deutscher Whiskybrenner 200 - überwiegend sehr kleine - Hersteller.

Die Lakes Distillery begann Ende 2014 mit der Produktion auf dem umgebauten Bauernhof. Das Unternehmen mit 85 Beschäftigten hält sich an die Vorgaben für schottischen Whisky. Der Schnaps muss demnach mindestens drei Jahre und einen Tag in Eichenfässern reifen. Daher konnten die Engländer erst im vorigen Jahr selbstgebrannten Whisky verkaufen. Die Firma versteigerte die ersten 99 Flaschen ihres Single Malts. Flasche Nummer eins erzielte einen Preis von umgerechnet 9000 Euro; im Durchschnitt zahlten Sammler gut 1000 Euro pro Pulle. Single Malt bedeutet, dass Gerstenmalz die Grundlage ist und dass die Spirituose nur aus einer Brennerei stammt, also nicht mit anderen Tropfen verschnitten wurde. Solch unverschnittene Whiskys sind teurer, aber die Nachfrage nach ihnen steigt rasant.

Damit auch in den ersten Jahren Geld hereinkam, brannte die Lakes Distillery Gin und Wodka, denn diese Schnäpse müssen nicht reifen. Führungen und das Bistro bringen ebenfalls Umsatz: Im vergangenen Jahr schauten mehr als 100 000 Besucher vorbei. Außerdem verschneidet die Firma Whiskys anderer britischer Destillerien und verkauft diese Mischungen unter ihrem Namen. Doch wichtigstes Produkt soll nun der selbstgebrannte Single Malt werden. Vier Fünftel der Flaschen sollen in einigen Jahren ins Ausland gehen, sagt Gründer Currie. Deutschland sei einer der bedeutendsten Exportmärkte.

Der Manager führt durch die Destillerie und zeigt eine leere Halle, in der Baumaschinen stehen. Dort lässt er acht weitere Gärtanks installieren; bisher gibt es vier. Damit wird die Firma von 2020 an pro Jahr 1,2 Millionen Flaschen Single-Malt-Whisky brennen können. In die Tanks kommen gemälzte und gemahlene Gerste, Wasser aus dem nahen Fluss und Hefe. Ergebnis der Gärung ist Maische, eine Flüssigkeit, deren Alkoholgehalt dem von Starkbier entspricht.

Die Maische wird in einer kupfernen Brennblase destilliert. An dem riesigen Kolben hängt ein Schild mit dem Namen "Susan". "So heißt Nigels Frau", sagt Currie. Nigel ist Nigel Mills, der Mitgründer und Vorstandschef. Susan fasst 5500 Liter. Das Resultat wird noch einmal destilliert, in der zweiten Kupferblase namens Rachel. "Das ist meine Frau", sagt Currie. Insgesamt dauert es fünf Tage, bis sich Gerste zu Whisky verwandelt hat. Und der muss erst noch mit Wasser verdünnt jahrelang in Eichenfässern reifen.

Der Nationalpark ähnele den schottischen Highlands, findet der Schnapsunternehmer

Um das Unternehmen aufzubauen, waren bisher gut 13 Millionen Euro an Investitionen nötig. Unter anderem warb die Brennerei über Crowdcube Geld ein, eine Internet-Plattform, auf der sich Kleinanleger an jungen Firmen beteiligen können. Größte Anteilseigner sind weiterhin die Gründer Currie und Mills. Das Duo plante im vergangenen Herbst einen Börsengang, um bis zu 17 Millionen Euro einzutreiben. Der Schritt aufs Parkett sollte weiteres Wachstum finanzieren und frühen Investoren den Ausstieg ermöglichen. Doch wegen der Turbulenzen an den Aktienmärkten sagten die Schnapsfabrikanten den Börsengang ab. Jetzt ist er für 2020 vorgesehen: das Jahr, in dem die Lakes Distillery erstmals Gewinn erzielen soll.

Das Wachstum wird allerdings durch die Lage im Nationalpark Lake District erschwert. Weil es nicht möglich ist, dort Lagerhäuser hochzuziehen, nutzt das Unternehmen Lager, die sich einige Kilometer entfernt außerhalb des Schutzgebiets befinden. Dort will Currie zudem eine Abfüllanlage bauen lassen. Bisher werden die Spirituosen bei einem Dienstleister in Schottland abgefüllt. Auch der Start sei mühsam gewesen, sagt der Manager: Es war nicht einfach, die Genehmigungen dafür zu erhalten, mitten im Nationalpark einen verfallenen Bauernhof in eine Schnapsfabrik umzuwandeln. Der Betrieb ist bereits die zweite Whiskybrennerei, die Currie aufbaut. Im Jahr 1995 gründeten sein Vater und er eine Destillerie auf der schottischen Insel Arran. Für eine englische Whiskydestillerie sei der Lake District ein "hervorragender Standort", sagt Currie, trotz des Ärgers mit Genehmigungen. "Es ist der beliebteste Nationalpark Großbritanniens, und in zahlreichen anderen Staaten haben Menschen ebenfalls von ihm gehört. Das ist ein riesiges Plus für uns." Und selbst wenn manche Kunden im Ausland keine Vorstellung vom Lake District hätten: "Lakes Distillery klingt einfach gut."

Schön sei auch, sagt der Schnapsunternehmer, dass der Nationalpark mit seinen vielen kahlen Hügeln den schottischen Highlands ähnele - typisches Whiskyland eben.

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SZ vom 26.02.2019/lüü
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