Freies Internet:Wie ein neuer Whatsapp-Konkurrent entstehen soll

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Kommunikation spielt eine wichtige Rolle im Netz. Einige wenige Player beherrschen jedoch den Markt. (Foto: imago /Westend61)
  • Der Software-Unternehmer Rafael Laguna möchte der Dominanz von Facebook und Whatsapp etwas entgegensetzen.
  • Seine Firma steht hinter der Software, mit der weltweit drei Viertel aller E-Mail-Server betrieben werden, die mit Imap (Internet Message Access Protocol) arbeiten.
  • Dieses Protokoll will Laguna so aufbohren, dass sich damit auch Funktionen abbilden lassen, wie sie Whatsapp bietet.

Von Helmut Martin-Jung, München

Die Diskussion um die Datensammelwut von Facebook, Google und anderen Internetkonzernen macht mehr und mehr Menschen nachdenklich. Zuletzt hat das Bundeskartellamt entschieden, Facebook solle den Kunden die Wahl lassen, ob die Daten seiner drei Plattformen Facebook, Whatsapp und Instagram zusammengeführt werden sollen.

Doch obwohl sich viele unbehaglich fühlen, nutzen sie diese und andere Apps dennoch weiter - wer es nicht tut, ist schnell ausgeschlossen. Außerdem fehlt den meisten das Bewusstsein dafür, welche Gefahr die gewaltigen Datensammlungen bergen.

Aus der Abhängigkeit befreien

Rafael Laguna, 54, deutscher Programmierer und Softwareunternehmer, möchte da nicht tatenlos zuschauen, sondern der Dominanz der Konzerne etwas entgegensetzen. Das klingt erst einmal vermessen, geht es doch gegen Giganten wie Facebook. Doch seine Chancen sind so schlecht nicht. Lagunas Firma Open-Xchange steht hinter der Software OX Dovecot Pro, mit der weltweit drei Viertel aller E-Mail-Server betrieben werden, die mit Imap arbeiten.

Imap, also das Internet Message Access Protocol, sieht vor, dass die Mails eines Nutzers sowie auch dessen Ordner und Einstellungen zentral auf einem Server gespeichert werden. Das sorgt dafür, dass die Nutzer immer auf dem gleichen aktuellen Stand sind, egal mit welchem Gerät sie die Mails abrufen. Auf den Geräten werden nur Kopien gespeichert.

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Dieses Protokoll will Laguna mit Erweiterungen so aufbohren, dass sich damit auch die Funktionen abbilden lassen, wie sie Whatsapp bietet, aber auch Apps wie Slack, die antreten, um E-Mails zumindest in der internen Kommunikation von Gruppen überflüssig zu machen. Lagunas Ziel: "Alles soll in einer Mailapp einlaufen." Das hört sich zwar für viele E-Mail-geplagte Menschen eher an wie eine Drohung und ist der Grund dafür, warum viele Firmen parallel zur E-Mail auch Dienste wie Slack einsetzen. Doch dank der Erweiterungen würde die E-Mail eben auch dieselben Fähigkeiten bekommen wie diese Dienste.

Dazu gehört zum Beispiel, dass auf Wunsch wie bei Whatsapp und seinen Klonen angezeigt wird, ob eine Nachricht gesendet und ob sie gelesen wurde. Außerdem kann man eine Nachricht auch wieder zurückholen, allerdings nur solange sie noch nicht gelesen wurde. Wichtigster Vorteil von "Chat over Imap" oder kurz Coi, ist Laguna zufolge aber, dass die Chats über Open-Source-Software laufen, und zwar bei allen Anbietern, die mitmachen. Das heißt also, egal ob jemand sein E-Mail-Konto bei diesem oder jenem Anbieter hat, solange diese bei Coi mitmachen, laufen die Daten eben nicht zentral bei einem Anbieter zusammen.

Dass es noch die vielen kleinen und größeren E-Mail-Anbieter gibt, ist auch ein Verdienst der Open-Source-Gemeinschaft und von Firmen wie Open-Xchange. Sonst hätte es längst schon eine Entwicklung ähnlich der bei sozialen Netzwerken oder bei der Internetsuche gegeben, die von Facebook und Google dominiert werden. Seine Idee sieht Laguna daher als einen "Schritt in der Rückbefreiung des Internets". Er will verhindern, dass sehr viele Daten bei einigen wenigen Anbietern konzentriert werden.

Laguna ist in der Szene kein Neuling. Schon mit 16 gründete er seine erste Firma Elephant Software und verkaufte Computerprogramme aus den USA in Deutschland, indem er sie einfach kopierte. Später entwickelte er ein Kassensystem auf PC-Basis. Das Informatikstudium an der Uni Dortmund brach er bald wieder ab. "Die hatten nur einen Unix-Rechner, an dem man abends um 22 Uhr mal hindurfte", erzählt er, "und ich hatte damals schon zehn Rechner zu Hause".

1996 gründete Laguna Open-Xchange, doch zehn Jahre darauf drohte dem Unternehmen, das Geld auszugehen. Laguna, der inzwischen auch als Risikokapitalgeber unterwegs war, investierte in die Firma und brachte sie nach einer Durststrecke ("Ich musste die Hälfte der Mannschaft entlassen") wieder nach vorne. Wer heute seine E-Mails über 1&1 erledigt oder bei der Deutschen Telekom, tut das in Wirklichkeit bei Open-Xchange, denn die Firma mit Sitz in der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Olpe und in Nürnberg erledigt diesen Job im Auftrag dieser und anderer großer Firmen.

So verdient sie auch ihr Geld, denn man kann die Software von Open-Xchange auch selbst betreiben und muss dann keine Lizenzgebühr bezahlen. Das machen auch viele Anwender so. Wer allerdings Hilfe und Unterstützung haben will oder seine Mailpostfächer sogar als Service aus der Cloud beziehen will, so wie einige der großen Kunden, muss dafür eine Gebühr pro Nutzer bezahlen.

"Wir machen das jetzt einfach mal"

270 Mitarbeiter hat Open-Xchange, die Firma ist profitabel, und sie wächst weiter. Ob Lagunas jüngstes Projekt wirklich ein Erfolg wird, muss sich zeigen. Er selbst ist guter Dinge: "Wir haben eine große Verbreitung", sagt er. Da Google bei Messenger-Diensten bisher keinen großen Erfolg gehabt habe, könne er sich sogar vorstellen, dass der Konzern bei Coi mitziehe. "Wir machen das jetzt einfach mal", sagt Laguna. Dabei werde man auch mit der Internet Engineering Task Force (IETF) reden, jenem Gremium also, das für Standards im Internet zuständig ist.

Den Konzernen wirft er vor, auf Basis von Open-Source-Software ihre eigenen Silos zu entwickeln, Software also, dessen Code nicht öffentlich ist und mit dem erreicht werde, dass man an einen Anbieter gebunden wird. Europa müsse dagegen Flagge zeigen und Open-Source-Software fördern. Die erlaube es, seine Daten von einem Anbieter zu einem anderen mitzunehmen. Auch Coi werde so verwirklicht, dass die E-Mail-Programme, die es nutzen können, mit herkömmlichen E-Mails umgehen können.

© SZ vom 20.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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