Wetterchaos in Deutschland:Die Salz-Streuer

Der Winter ist hart - und das Auftausalz knapp geworden. Davon profitieren Hersteller wie Esco. Die Kommunen wiederum zeigen, dass sie angesichts des Salzmangels erfinderisch sein können.

Kristina Läsker

Not macht erfinderisch, auch in Niedersachsen: Am Freitag will Horst Köhler nach Hildesheim zur 1000-Jahrfeier der Michaeliskirche anreisen, und die Stadt will dem Bundespräsidenten rutschfreie Straßen bieten.

Winterdienst, dpa

Das handelsübliche Streusalz mit Trennungsmittel ist auf dem norddeutschen Markt nicht mehr zu haben.

(Foto: Foto: dpa)

Indes, wie vielerorts in Norddeutschland, ist angesichts der Schneemassen das Streusalz ausgegangen: Da hat Stadtrat Kay Brummer einfach die Idee eines örtlichen Bauern übernommen. Er lässt normales Salz per Traktor verteilen. Dafür ist zwar ein Düngerstreuer nötig, weil das Salz sonst verklumpen würde, doch es funktioniert. "Das handelsübliche Streusalz mit Trennungsmittel ist auf dem norddeutschen Markt nicht mehr zu haben", klagt Brummer.

Ob Hildesheim, Hamburg oder Hannover; überall experimentieren Straßenmeister mit normalem Salz, Split, Bausand oder Granit, denn klassisches Streusalz ist nicht zu bekommen. Was viele verzweifeln lässt, sorgt woanders für klingende Kassen.

Zu den Profiteuren gehört Europas größter Hersteller von Auftausalz, das Unternehmen Esco aus Hannover, eine Tochterfirma des Dax-Konzerns K+S aus Kassel.

Die 1300 Mitarbeiter sind seit vier Wochen im Dauereinsatz. "Wir liefern mehrere zehntausend Tonnen Auftausalz am Tag", sagt der Sprecher. "Eine so hohe Nachfrage hatten wir noch nie."

Überstunden für einen langen Sommer

Unter Tage schieben die Beschäftigen in den hauseigenen Steinsalz-Bergwerken in Rheinberg-Borth (Nordrhein-Westfalen), Grasleben (Niedersachsen) und Bernburg (Sachsen-Anhalt) so viele Überstunden wie es der erweiterte Tarifvertrag erlaubt. 60 Stunden Arbeit pro Woche seien normal, erzählen Mitarbeiter.

In drei Schichten rund um die Uhr wird in den Werken abgebaut - nur am Sonntag nicht. Etwa 20.000 Tonnen Auftausalz kann Esco täglich aus dem Boden holen; doch das deckt die Nachfrage mitnichten. Täglich schrumpften die Salzberge in den Lagern, aber ein Sprecher versichert: "Uns wird das Salz nicht ausgehen, darauf haben wir uns seit Sommer akribisch vorbereitet."

Aber nicht alle bekommen das "weiße Gold", Esco beliefert vorrangig Top-Kunden. So würden Baumärkte wohl viel Geld zahlen, um ihre Regale mit den Salzpaketen von Esco zu bestücken. Doch die gehen dieser Tage leer aus. Und die Lager mancher Gemeinden leeren sich. Esco beliefert vor allem den Staat. Vorrang hätten Straßenmeistereien für Autobahnen und Bundesstraßen, so der Sprecher.

Dann erst seien Kommunen dran oder Einzelhändler: "Dazu sind wir gesellschaftlich verpflichtet." Insgeheim dürfte Esco die bindenden Verträge mit den Bundesländern verfluchen: Denn die Landesbetriebe zahlen Fixpreise, die sie vor Monaten vereinbart haben. Im Frühjahr ermitteln Kommunen und Städte üblicherweise ihren durchschnittlichen Salzverbrauch - und bestellen dann spätestens im Sommer. Der Preis pro Tonne Auftausalz betrage in diesem Jahr etwa 60 Euro, sagt der Esco-Sprecher.

Sicher ist schon, dass der harte Winter den Firmenumsatz erhöhen wird. 2008 erlöste Esco wegen des milden Wetters nur 195 Millionen Euro, 2009 und 2010 dürften es weit mehr sein. Wären die Preise frei, würden die Angebote für das weiße Gold in solch eisigen Zeiten wohl in die Höhe schießen - und auch den Gewinn befördern. Auch Esco erhält immer wieder Nachfragen von Salzsuchenden, die viel Geld bieten. "Das lehnen wir strikt ab", sagt der Sprecher.

Bei Esco und den schärfsten Konkurrenten, Südsalz aus Heilbronn und Wacker Chemie aus München, hat wohl kaum ein Manager geahnt, dass es ein härterer Winter werden würde als in den letzten Jahren. "Der Verbrauch von Auftausalz schwankt stark mit dem Wetter", sagt Dieter Krüger vom Verband der Kali- und Salzindustrie: So kauften die Deutschen im frostigen Winter 2005 etwa 3,5 Millionen Tonnen. Im wärmeren Winter 2008 nutzten sie nur knapp die Hälfte davon, etwa 1,7 Millionen Tonnen.

In vielen Regionen und Städten ist es Privatleuten normalerweise verboten, mit Salz zu streuen. Zu groß sind die Schäden für Boden und Bäume. Zuletzt hatten einige Kommunen das Verbot zeitweise aufgehoben. Neben den Aktionären von K+S, deren Aktie zuletzt abhob, freuen sich die Mitarbeiter von Esco - auf einen langen Sommer. Dann können sie ihre Überstunden abfeiern.

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