Die Bundesregierung wird am Mittwoch ein Gesetz gegen Abmahnmissbrauch auf den Weg bringen. Es soll die Rechte Abgemahnter stärken und sie davor schützen, von dubiosen Akteuren schon für kleinste Verstöße mit Abmahnungen überzogen zu werden. Das geht aus dem Entwurf des Justizministeriums hervor, der der SZ vorliegt. Am Mittwoch stimmt das Kabinett darüber ab. Danach muss sich der Bundestag damit befassen.
Der Entwurf richtet sich gegen Unternehmen und Organisationen, denen es nicht um ihr Recht geht, sondern ums Geldverdienen mit massenhaften Abmahnungen. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte: "Der Missbrauch von Abmahnungen schadet dem Wettbewerb. Diesem Geschäftsmodell entziehen wir die Grundlage." Das Ministerium will die Zahl der missbräuchlichen Abmahnungen im Wettbewerbsrecht um 50 Prozent senken.
Mit dem Gesetz ergänzt die Bundesregierung das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Streitwert und Strafen bei unerheblichen Verstößen sollen auf 1000 Euro begrenzt werden. Das soll den Anreiz zur Abmahnung bei Bagatellen senken. Konkurrenten müssen tatsächlich "Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich" verkaufen oder kaufen. Das soll Scheinmitbewerber ausschließen. Sie vertreiben nur pro forma bestimmte Artikel, um dann echte Händler abzumahnen und abzukassieren. Gleiches würde für "Verbände" gelten, die nur gegründet werden, um andere abzumahnen und ihre Chefs zu bereichern.
Das Ministerium will sie von seriösen Wirtschaftsverbänden trennen, die Rechte ihrer Mitglieder wahrnehmen. Laut Entwurf sollen sie sich als "qualifiziert" in eine Liste eintragen. Sie müssten dafür mindestens 75 Mitglieder haben und seit mindestens einem Jahr im Vereinsregister stehen. Zudem dürften sie Mitgliedern keine hohen Summen aus dem Vereinsvermögen zuschanzen. Die Liste soll vom Bundesamt für Justiz geführt werden, das dem Justizministerium untersteht.
"Abmahner dürfen sich nicht länger aussuchen, vor welchem Gericht sie klagen"
Auch soll der sogenannte fliegende Gerichtsstand im Wettbewerbsrecht massiv eingeschränkt werden. Aus rein kommerziellen Gründen Abmahnende ziehen immer vor dieselben Gerichte - weil sie wissen, dass sie dort überdurchschnittlich oft Recht bekommen haben. Zudem müssen dann die Abgemahnten anreisen, besonders für Privatpersonen und Kleinunternehmer ist das aufwendig. So kamen die Abmahner oft in eine stärkere Position. Nun muss dort vor Gericht gezogen werden, wo der Abgemahnte seinen Gerichtsstand hat. Ministerin Barley sagte: "Abmahner dürfen sich nicht länger aussuchen, vor welchem Gericht sie klagen. Das kommt den Abgemahnten zugute."
Wegen der seit vergangenem Jahr geltenden Datenschutzgrundverordnung fürchten viele Webseiten-Betreiber teure Abmahnungen wegen kleiner Nachlässigkeiten. Der Entwurf soll auch das verhindern. Selbständige und kleine Unternehmen sollen nicht mehr kostenpflichtig abgemahnt werden dürfen, falls sie den Informationspflichten nicht im Detail nachkommen. Zwar sollen Wettbewerber nach wie vor aus Datenschutz-Gründen abmahnen dürfen - sie müssten es aber gut begründen.