SZ-Wirtschaftsgipfel:Was jetzt zu tun ist

Wirtschaftsgipfel 2021

Eine kritische Optimistin: Simone Menne ist Multiaufsichtsrätin, Präsidentin der US-Handelskammer in Deutschland und Galeristin.

(Foto: Friedrich Bungert)

Droht der deutschen Industrie der Ausverkauf? Wird sie den großen Wandel der nächsten Jahre schaffen? Eine Gesprächsrunde beim SZ-Wirtschaftsgipfel gibt Hoffnung.

Von Thomas Fromm, Berlin

Vorab schon mal das Wichtigste: Die deutsche Wirtschaft ist nicht am Ende, noch lange nicht. Sie hat eine Zukunft, vielleicht sogar eine richtig gute. Aber dafür wären einige Punkte zu beachten: Nicht immer alles gleich so negativ sehen und nicht bei jeder Kleinigkeit in tiefe Depressionen fallen. Nur mal so als Beispiel.

Die, die solche Ratschläge gibt, ist Managerin, war Finanzchefin bei der Lufthansa, ist Multiaufsichtsrätin, Präsidentin der amerikanischen Handelskammer in Deutschland, sie betreibt eine Galerie und ist Mitglied der Grünen. Ein bisschen viel auf einmal? Passt irgendwie nicht zusammen? Doch doch, passt. Gerade in diesen Zeiten, wo es darum geht, die Dinge auch mal von der anderen Seite her zu denken.

Simone Menne, 61, ist eine kritische Optimistin, was natürlich gut zu einer Gesprächsrunde passt, bei der es um Schicksalsfragen geht. Nachhaltigkeit, Umbau des Energiesystems, die Gefahr eines Ausverkaufs deutscher Firmen an Investoren aus dem Ausland, zum Beispiel aus China. "Wir haben großartige Champions im Mittelstand, auf die wir stolz sein können", sagt Menne. Nur eben: "Wir müssen klarer sein, klare Botschaften haben, ohne Lamento." Und als Industrie nicht immer nur auf die Politik warten oder darauf setzen, dass man als deutsches Unternehmen immer und per se erfolgreich ist - eben, weil man ja aus Deutschland kommt.

SZ-Wirtschaftsgipfel: Carla Kriwet wird als Vorstandsvorsitzende von Fresenius Medical Care künftig die zweite Frau, die einen Dax-Konzern leitet.

Carla Kriwet wird als Vorstandsvorsitzende von Fresenius Medical Care künftig die zweite Frau, die einen Dax-Konzern leitet.

(Foto: Friedrich Bungert/SZ)

Ohnehin ist die deutsche Wirtschaft global unterwegs, wird in anderen Regionen oft bereits als lokales Unternehmen wahrgenommen. "Wir haben ein globales Netzwerk", sagt dazu die Chefin von BSH Hausgeräte, Carla Kriwet. Ein großer Teil der Kühlschränke, Geschirrspüler und anderer Geräte werde eh schon außerhalb von Deutschland produziert. Das Image des deutschen Unternehmens? Gut und schön, aber darauf werde man sich vielleicht nicht ewig ausruhen können. Was also tun?

Nachhaltigkeit gibt es nicht umsonst

Mit gutem Vorbild vorangehen zum Beispiel. Seit Ende 2020 arbeiten alle BSH-Standorte weltweit CO₂-neutral, der Hausgerätehersteller arbeitet mit grünem Stahl und Solarenergie. "Wir müssen bei uns selbst anfangen", sagt BSH-Chefin Kriwet. Nur: Wenn viele Kunden sagen, dass sie nachhaltigere Produkte wünschen, ist das natürlich eine feine Sache. Aber wollen sie deshalb auch mehr Geld für ihren Geschirrspüler ausgeben? Nachhaltigkeit, auch das ist ein Fazit dieser Runde, ist nur schwer umsonst zu haben.

Wirtschaftsgipfel 2021

Auch das Podium ist international besetzt. Maria Ferraro, Finanzchefin von Siemens Energy, ist aus München zugeschaltet.

(Foto: Friedrich Bungert)

Maria Ferraro, 48, Finanz- und Diversity-Chefin des Energietechnik-Konzerns Siemens Energy, hat mit Simone Menne übrigens einiges gemeinsam, wenn auch nicht auf den ersten Blick. Aber auch sie verbindet in ihrer Person verschiedene Welten: Geboren in Kanada in eine Familie mit süditalienischen Wurzeln, Wirtschaftsprüferin, Finanzerin, Stationen in Toronto und Paris, seit 2004 bei Siemens. Im vergangenen Jahr war sie in der ersten Reihe, als Siemens sein Energietechnikgeschäft abspaltete und an die Börse brachte, und neben Zahlen, Tabellen und Investorengespräche kümmerte sie sich dann auch sehr schnell um Themen wie Diversity im Unternehmen.

Ein breites Spektrum also.

Auch Maria Ferraro glaubt nicht, das Deutschland im globalen Vergleich hinterher hinkt. Es ist ja alles da, was man für die Zukunft braucht. Die Leute, die Ingenieurinnen und Ingenieure, die modernen Technologien. Was vielleicht noch fehlt: "Wir müssen einfach schneller und unbürokratischer werden", sagt sie, die Rahmenbedingungen müssten stimmen. Siemens Energy ist eigentlich eines jener Unternehmen, an denen sich die Lage im Land ganz gut erklären lässt: Die Zukunft steckt zwar schon mit drin, aber noch läuft die Sache nicht ganz rund, und es gibt noch einiges zu tun.

Das erste Jahr seiner Unabhängigkeit schloss Siemens Energy mit einem Minus von 560 Millionen Euro ab, und das lag nicht wirklich am traditionellen, alten Kraftwerksgeschäft, sondern ausgerechnet an der Windenergiesparte Gamesa - also gerade an jenem Geschäft, das ja die Zukunft des Unternehmens und der nachhaltigen Energieversorgung sichern soll. Frage: Ist die alte Kraftwerkstechnik ein schmutziges Geschäft? Nein, sagt Ferraro, Gasturbinen zum Beispiel würden mit der Zeit auch immer effizienter. Andererseits: Im Geschäft mit der Windenergie habe man gerade ein Thema, das müsse besser werden. Aber: "Wir werden solche Produkte in Zukunft dringend brauchen."

Und nicht selten gehören auch die Arbeitsplätze zu den hohen Kosten des Umbaus. Nicht nur bei Siemens Energy geht es zurzeit um Jobs - auch in anderen Branchen, zum Beispiel in der Autoindustrie, wird gerade die Frage verhandelt, was Nachhaltigkeit für die Zukunft von Arbeitsplätzen bedeutet. "Wir werden Jobs verlieren, aber wir werden auch neue Jobs gewinnen", sagt Martin Eisenhut von der Unternehmensberatung Kearney. Man lebe nun mal in einer "globalen Welt". Gerade auch deshalb brauche es jetzt "lebenslanges Lernen", sagt Simone Menne, zum Beispiel in der Autoindustrie, die gerade von Verbrenner auf Elektroautos umstellt. "Ich bin nicht naiv, es wird nicht für alle funktionieren", sagt sie ganz offen. Aber: "Wir sollen unsere guten und loyalen Arbeiter schon jetzt weiterbilden."

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Unternehmensberater Martin Eisenhut ist überzeugt: "Wir werden Jobs verlieren, aber wir werden auch neue Jobs gewinnen."

(Foto: Friedrich Bungert)

Wenn sich zwei durchaus unterschiedliche Partner wie das Mainzer Biotechnologieunternehmen Biontech und der New Yorker Pharmakonzern Pfizer zusammentun, um in großen Stil Impfstoffe für die Welt zu produzieren, dann ist das: Globalisierung. Wenn das größte Werk des Münchner Autobauers BMW nicht in Bayern und auch nicht in Deutschland liegt, sondern im US-amerikanischen Spartanburg, dann ist auch das: Globalisierung.

Allerdings: Deutschlands Industrie, erfolgreich, nachhaltig und innovativ in einer vernetzten, globalisierten Welt - das birgt auch Risiken. Droht nun der Ausverkauf, etwa durch neue Wellen von Übernahmen durch chinesische Investoren? "Wir sollten weg von diesem protektionistischen Denken", sagt Simone Menne von der amerikanischen Handelskammer. "Ausverkauf" hieße ja, dass da jemand etwas ausnutzt. Allerdings gebe es "für alles Regeln". Was aber, wenn diese Regeln nicht überall gleich gelten, wenn das globale Kaufen und Verkaufen eine Einbahnstraße ist und einige anders spielen als die anderen? Berater Eisenhut erinnert an Fälle wie die Übernahmen des Augsburger Roboterherstellers Kuka oder des Betonpumpenherstellers Putzmeister durch chinesische Investoren. Wäre das umgekehrt auch so einfach gelaufen? Nichts gegen grenzüberschreitende Übernahmen und internationale Kooperationen, aber: "Da muss eine Balance sein", so der Kearney-Manager.

Fazit: Es gibt da ein paar, im Grunde ganz einfache Regeln. Dann wird das mit der Zukunft schon klappen.

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