Süddeutsche Zeitung

Wettbewerb der Fernbusse:Freie Fahrt nur am Wochenende

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Er ist das am schnellsten wachsende Verkehrsmittel in Deutschland: Die Betreiber von Fernbussen bauen ihre Liniennetze rasant aus, nun auch ADAC und Post. Allerdings läuft das Geschäft nicht an allen Tagen gut.

Von Valérie Müller

Fernbusse sind beliebt bei Leuten mit wenig Geld und viel Zeit. Die Branche wächst rasant: Seit eineinhalb Jahren gibt es die Alternative zur Bahn. Mit den größten Fernbusbetreibern MeinFernbus, Flixbus, Berlin Linien Bus und ADAC Postbus gibt es mittlerweile schon 40 Unternehmen. Und das Angebot wird angenommen: Im vergangenen Jahr waren Schätzungen zufolge rund neun Millionen Reisende im Fernbus unterwegs. Der Markt ist dennoch hart umkämpft.

Die Deutsche Post und der ADAC wollen nun mehr Kunden gewinnen, indem sie sich auf das lukrative Wochenendgeschäft konzentrieren: Ihre gemeinsam betriebenen Busse sollen von Mitte August an 30 neue Städte anfahren. Eine wirkliche Expansion ist das aber nicht. Das Netz des ADAC Postbus wird damit zwar verdoppelt so groß, das gilt aber nicht automatisch auch für die Zahl der Fahrten. Die Auslastung der Fernbusse an Wochenenden und unter der Woche sei so unterschiedlich, dass sie ihre Fahrpläne der Nachfrage anpassen müssten, heißt es von den Betreibern.

Am Donnerstag, Freitag und an Wochenenden sollen nun mehr Fahrten angeboten, gleichzeitig die Fahrten von Montag bis Mittwoch reduziert werden. Offenbar haben viele in der Branche die Nachfrage unter der Woche überschätzt. Das gibt auch ein Sprecher der Post zu: "Wir haben natürlich auf die Auslastung der Busse geschaut. Auf bestimmten Verbindungen und an bestimmten Tagen wurden unsere Fahrten aber nicht so genutzt, wie wir es gerne gesehen hätten."

Deshalb komme der Fernbusanbieter auch weiterhin mit 60 Bussen aus. Die würden von Montag bis Mittwoch aber nicht nutzlos rumstehen: "Wir werden die Busse zum Beispiel für interne Zwecke nutzen, um Personen bei Veranstaltungen des ADAC oder der Deutschen Post zu transportieren. Aber auch Externe können die Busse chartern."

"Der Fernbusmarkt erreicht bald eine natürliche Grenze"

Alle wollen mitmischen - doch wird der Fernbusmarkt bald an seine Grenzen stoßen? Christoph Gipp, Autor der Fernbusmarkt-Studie vom Berliner Forschungs- und Beratungsinstitut Iges, glaubt nicht, dass der Markt in dieser Geschwindigkeit weiterwachsen kann: "Wir befinden uns erstens noch in einer Marktaufbauphase und zweitens in einem extrem starken Wettbewerbsumfeld." Das zeigten die aktuellen Entwicklungen. Die großen Unternehmen MeinFernbus oder Flixbus bauen ihr Netz stetig aus, daher sei es nur eine Frage der Zeit gewesen bis der ADAC Postbus und andere expandieren.

Gipp erwartet aber, dass bald eine natürliche Grenze erreicht sei, denn die Nachfrage wachse nicht unendlich: "Die Hauptstrecken sind alle gut bedient und das Netz ist mittlerweile sehr komplex. Demnächst wird eine Art Sättigung eintreten." Das könne schon dieses Jahr passieren. Er geht davon aus, dass es dann zur Konzentration im Markt komme: "Der ein oder andere Anbieter wird für ihn nicht mehr attraktive Strecken dann möglicherweise auch nicht mehr bedienen." Er erwarte aber nicht, dass sich schon bald einer der großen Marktteilnehmer verabschieden müsse. Stattdessen werde es zunächst stärkere Kooperationen zwischen den Anbietern geben.

Fernbusmarkt noch in der Aufbauphase

Bis zum 1. Januar 2013 waren Fernbusse in Deutschland auf den Straßen verboten. Die Deutsche Bahn hatte seit den 1930er Jahren ein gesetzlich geschütztes Monopol im Fernverkehr innerhalb Deutschlands. Anfang 2013 wurde das Personenbeförderungsgesetz gelockert und so der Busfernlinienverkehr zugelassen.

Dass der Markt sich aktuell noch in der Aufbauphase befindet, zeigen die Preise der Fernbusanbieter. Um der Deutschen Bahn die Kunden abzujagen, locken sie mit extrem billigen Angeboten. Von München nach Frankfurt zum Beispiel kostet die Fahrt mit der Bahn 101 Euro (ICE-Normalpreis), MeinFernbus fährt die Strecke für 14 bis 19 Euro, bei Flixbus zahlen Kunden dafür 13 bis 27 Euro und der ADAC Postbus bietet sie für 15 Euro an. Trotzdem machen die Fernbusse noch immer einen geringen Anteil am bundesweiten Fernverkehr aus. Angaben des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer zufolge stehen den etwa neun Millionen Fernbusreisenden im Jahr 2013 rund 130 Millionen Menschen gegenüber, die den Bahnverkehr nutzten.

Seit dem Ende des Monopols hat sich die Branche rasant entwickelt. Um sich auf dem Markt zu positionieren, machen es die kleineren den großen Unternehmen nach und bauen ihre Netze aus. Während es im Januar 2013 insgesamt 62 Linien gab, waren es im April 2014 schon 169 Linien im innerdeutschen Fernbusverkehr. Auch die Zahl der Fahrten ist enorm gestiegen: Im Januar 2013 fuhren Fernbusse wöchentlich 770 Mal hin und zurück, im April 2014 schon 2743 Mal, zeigt eine Studie der Berater von Iges. Nach Berechnungen des Instituts ist MeinFernbus derzeit mit 37,9 Prozent Marktführer, gefolgt von Flixbus mit 17,6 Prozent. Als erster Anbieter unter der neuen Gesetzgebung ist Flixbus seit Februar 2013 auf den Straßen unterwegs. Den ADAC Postbus gibt es erst seit November 2013, er hält aber schon 12 Prozent Marktanteil.

Auch der ehemalige Monopolist Deutsche Bahn versucht im hart umkämpften Fernbusmarkt mit immer neuen Angeboten Kunden zu gewinnen. So bietet Berlin Linien Bus, der Verbund von Busunternehmern, an dem die Bahn beteiligt ist, ab sofort die Fahrradmitnahme an, teilte das Unternehmen am Montag mit. 100 Busse seien mit Radträgern ausgestattet worden, sie könnten jeweils drei Räder transportieren. Die Mitnahme kostet demnach zehn Euro und muss spätestens vier Tage vor Abfahrt gebucht werden. Das ist der Unterschied zu früher: Im echten Wettbewerb muss sich die Bahn etwas einfallen lassen.

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