Süddeutsche Zeitung

West-LB:Aktienhandel an Rhein und Ruhr

Die West-LB habe sich bei den fragwürdigen Cum-Ex-Geschäften zurückgehalten, hieß es bislang. Jetzt gibt es neue Indizien.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Riskante Kredite, windige Aktiengeschäfte, Zweckgesellschaften, die vollgepumpt waren mit Derivaten: Es gab kaum ein Geschäft, das die West-LB - die einst stolze Landesbank an Rhein und Ruhr - ausgelassen hatte, und sei es noch so zweifelhaft gewesen.

Insofern war es stets etwas verwunderlich, dass ausgerechnet die West-LB einen Bogen gemacht haben soll um die so genannten Cum-Ex-Geschäfte. Das waren Aktiengeschäfte, bei denen sich Banken - für Kunden oder sich selbst - eine nur einmal abgeführte Kapitalertragsteuer mehrfach erstatten ließen - Grundlage war eine Gesetzeslücke, die auszunützen mindestens moralisch verwerflich war.

Über Jahre betrieben zahlreiche Banken diese Geschäfte, darunter sogar öffentlich-rechtliche Landesbanken. Der Steuerschaden wird inzwischen auf zwölf Milliarden Euro geschätzt. Erst 2012 schloss die Bundesregierung die seit 1999 genutzte Gesetzeslücke. Mit Blick auf die West-LB hatte NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) bislang stets betont, es lägen keinerlei Erkenntnisse vor, dass die West-LB solche Cum-Ex-Geschäfte betrieben habe.

Nun jedoch gibt es neue , aber noch vage Hinweise, dass die West-LB hier sehr wohl mitgemischt hat. Dem Handelsblatt zufolge befinden sie sich auf einem Daten-Stick, den Walter-Borjans dieses Jahr für fünf Millionen Euro gekauft hat. Demnach sei die West-LB eine der vielen Banken gewesen, die an den Steuertricks beteiligt war; nachgegangen sein soll die Bank den Geschäften zwischen 2006 und 2008. Dabei seien pro Geschäft Aktien in zweistelliger Milliardenhöhe gehandelt worden.

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans will nun jedem Verdacht nachgehen

Ob die West-LB aus diesen Geschäften aber wirklich steuerliche Vorteile gezogen hat oder ob es sich um gewöhnliche Arbitrage-Geschäfte handelte, bei denen Marktungleichgewichte ausgenutzt wurden, muss nun jedoch geklärt werden. Dass die Bank derlei Dividendengeschäfte betrieben hat, war grundsätzlich bekannt. Einmal hatte die West-LB dabei sogar kurzzeitig 14 Prozent aller Aktien von DaimlerChrysler erworben. Ein Sprecher der Portigon, der Rechtsnachfolgerin der inzwischen abgewickelten West-LB, sagte, man habe die dividendenstichtagsbezogenen Geschäfte sowohl intern als auch extern geprüft, zuletzt 2015: "Es liegen keine Erkenntnisse vor, wonach es sich hierbei um Leerverkäufe über den Dividendenstichtag mit dem Ziel einer Mehrfacherstattung von Kapitalertragsteuern gehandelt hat".

Finanzminister Walter-Borjans, der die Prüfung bei der Portigon zu Jahresende angestoßen hatte, will nun aber "jedem Verdacht nachgehen, wenn es Anhaltspunkte für illegale Geschäfte gibt". Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich um Unternehmen im öffentlichen oder privaten Eigentum handele. "Die Offenlegung dubioser Geschäfte hat auch ohne Ansehen der möglicherweise involvierten Personen zu erfolgen", sagte der Finanzminister.

An der West-LB-Spitze standen in der fraglichen Zeit erst Thomas Fischer und von Juli 2007 bis April 2008 interimistisch Alexander Stuhlmann. Fischer wollte sich nicht äußern. Stuhlmann sagte der Süddeutschen Zeitung: "Zu meiner Zeit ist im Vorstand nie darüber gesprochen worden, und ich habe keinen einzigen Hinweis bekommen, dass es in dieser Zeit solche Geschäfte gegeben hat." Aufsichtsratschef war Westfalens Sparkassenpräsident Rolf Gerlach. Für das Land saß Ex-Finanzmister Helmut Linssen (CDU), heute Vorstand der RAG-Stiftung, im Aufsichtsrat.

Sollte sich die West-LB zu viel Steuern erstattet haben lassen, werden die Finanzbehörden wie in anderen Fällen versuchen, sich die Steuer zurückzuholen. Im Fall der West-LB würden dann jedoch der Bund bei der Rechtsnachfolgerin Portigon anklopfen, die heute ohnehin dem Land gehört.

Strafrechtlich sind die Cum-Ex-Fälle deutlich schwieriger zu greifen, da sie seinerzeit zumindest nicht verboten waren. "In den Banken haben sich damals alle Beteiligten Gutachten von Wirtschaftsprüfern oder Anwaltskanzleien geholt, in denen dargelegt war, warum solche Geschäfte zulässig sind", sagte der Ex-Chef einer Bank, der selbst einen Bogen um die Cum-Ex-Geschäfte gemacht hatte. "Schließlich konnte man damit vergleichsweise risikolos Geld verdienen, das wollten die meisten nicht links liegen lassen".

Heute jedoch ermitteln Staatsanwälte in Frankfurt, München, Stuttgart und anderswo. Insgesamt gibt es bereits mehr als zehn Verfahren. Nächste Woche wird sich der Haushalts- und Finanzausschuss des NRW-Landtages damit befassen. Auch im laufenden Untersuchungsausschuss zu den diversen Skandalen bei der West-LB wird das Thema sicher noch auf die Tagesordnung kommen.

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Quelle:
SZ vom 18.11.2015
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