Süddeutsche Zeitung

Wertestudie:Was ist Führungskräften wichtig?

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Vertrauen, Verantwortung, Integrität sind oft leere Worthülsen. Doch wenn sie Manager im Alltag leben, sind ihre Unternehmen erfolgreicher als andere, sagt eine Studie der Wertekommission.

Von Victor Gojdka, München

Seine Chefkollegen wollten es nicht glauben. Frank Roebers war drauf und dran, den Mitarbeitern seines IT-Dienstleisters Synaxon einen totalen Freibrief zu erteilen. Fortan sollten sie über ein Intranet-Tool im Unternehmen alles ändern können: strategische Papiere, Dienstanweisungen oder schlicht den Getränkelieferanten. Ohne vorher zu fragen.

"Meine Führungskräfte-Kollegen hatten Angst, dass die Mitarbeiter das Unternehmen von innen heraus zerstören", sagt Roebers. Er aber vertraute seinen Mitarbeitern und wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil: Im Gegenzug für sein Vertrauen bekamen Roebers und das Unternehmen gute Ideen, die vorher in der Hierarchiepyramide oft stecken blieben und bisweilen gar bares Geld brachten.

Vertrauen ist wichtig, diese Erfahrung von Manager Roebers scheinen viele Führungskräfte in Deutschland zu teilen, wenn vielleicht nicht so radikal. Denn Vertrauen benennen die meisten Führungskräfte hierzulande als wichtigsten Wert, an dem sie ihre Führung ausrichten. Das zeigt die diesjährige Führungskräftebefragung der Wertekommission in Zusammenarbeit mit der TU München. "Vertrauen ist der Nukleus von allem, ohne eine Atmosphäre des Vertrauens werden Manager ihr Unternehmen nicht auf Dauer erfolgreich führen können", sagt Sven Korndörffer, Vorstandschef der Wertekommission, einer Initiative für Führungskräfte.

Führungskräfte müssen ihre Werte im Alltag vorleben - sonst verbreiten sie sich nicht

Für 28 Prozent der Befragten ist Verantwortung der zentrale Wert, also die Bereitschaft für etwas einzutreten und im Zweifel auch die Konsequenzen zu tragen. An dritter Stelle gaben die Manager Integrität an, aufrichtiges Handeln entlang klarer Werte und Prinzipien.

Ach ja, mögen viele denken. Werte, was heißt das schon? Wenn die Marketingabteilung für den Unternehmensprospekt blumige Wortwolken schafft und am Ende kleinste gemeinsame Nenner wie Ehrlichkeit oder Vertrauen als große Unternehmensmaximen im Werbeprospekt stehen. "Führungskräfte müssen diese Werte im Alltag vorleben, sonst verbreiten sie sich nicht im Unternehmen", sagt daher Wertekommissions-Chef Korndörffer. Wie Unternehmer Vertrauen im Alltag leben können, zeigt auch Winzer Rowald Hepp.

Er leitet das Weingut Schloss Vollrads, oberhalb von Oestrich-Winkel in Rheinhessen. Hepp arbeitet mit seinen Kunden in 40 Ländern ohne Verträge, nur mit Handschlag. "Das ist alte Kaufmannstradition", sagt Hepp. Mit diesem Vertrauen ist der Gutsdirektor noch nie wirklich enttäuscht worden. Nur einmal ist ihm ein Kunde aus den USA 3000 Euro schuldig geblieben, im Zuge der Immobilienkrise war dessen Leben aus den Fugen geraten. "Ich habe heute noch Kontakt mit dem Mann", sagt Hepp. "Und er hat mir versichert: Wenn er das irgendwann zurückzahlen kann, macht er das unaufgefordert." Auch Hepp hat mit seinem Vertrauensvorschuss gute Erfahrungen gemacht, denn diese bodenständige Art zieht verlässliche Kunden an. Wenn wie im vergangenen Jahr der Hagel Großteile der Ernte zerstört, dann reden Kunden und Winzer miteinander - und schreien nicht. "Oft geben Menschen Vertrauen sogar über Gebühr zurück", sagt Studienautor Armin Pircher Verdorfer von der TU München. Für Manager lohnt es sich also. So rigide wie Weingutsmanager Hepp oder IT-Mann Roebers folgen allerdings nicht alle Manager ihrem persönlichen Wertekompass, wie die Studie der Wertekommission zu Tage förderte.

Die Mehrheit der Manager orientiert sich zwar an ethischen Werten, 28 Prozent der Befragten gaben jedoch zu Protokoll, eine erfolgreiche Führungskraft müsse auch pragmatisch für Ausnahmen offen sein. 15 Prozent gaben gar an, dass Führungskräfte in Zeiten des Wandels auch egoistisch handeln müssten, um erfolgreich zu sein.

Eines ist jedoch fast allen klar: Im Zuge der Digitalisierung können Unternehmer nicht nur althergebrachten Werten folgen. Selbsterkenntnis bringen die Manager hierzulande zumindest schon einmal mit: 68 Prozent sehen Offenheit, 80 Prozent Veränderungsbereitschaft als wichtige Werte für Manager im digitalen Wandel. Damit die notwendige Kreativität für Neues entsteht, braucht es jedoch auch Wertschätzung für die Mitarbeiter und einen Fokus auf Zusammenarbeit im Unternehmen. Während 43 Prozent der Manager das sehr wichtig finden, spielt es jedoch nur in halb so vielen Unternehmen eine sehr wichtige Rolle. Die Studie gibt den Managern also Hausaufgaben. V. Gojdka

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SZ vom 28.06.2018
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