Süddeutsche Zeitung

Werte:Die Manager von morgen

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BWL-Studenten wollen mehr, als nur gut zu verdienen. Die Umwelt und soziale Belange stehen heute auch im Fokus.

Von Marcel Grzanna

Familie, Freunde und Freizeit sind vielen Studenten wichtiger als berufliche Aufstiegschancen. Das ist das Ergebnis einer Befragung unter 2000 Studenten aller Fachrichtungen durch das Beratungsunternehmen Ernest & Young im vergangenen Jahr. Auf die Frage, welche Werte große Bedeutung besitzen, entschieden sich 70 Prozent für die Familie, 66 Prozent für ihre Freunde und jeder Zweite für eine wertvolle Gestaltung seiner Freizeit. Berufliche Aufstiegschancen dagegen war nur für 41 Prozent der Befragten von großer Bedeutung. Im Jahr 2016 waren es noch 57 Prozent. Auch BWL-Studenten lockt nicht nur das große Geld. Wer heute Wirtschaft studiert, will auch etwas Gutes tun und die Welt verändern.

Jana Ammann hält Veränderungen für dringend nötig. Probleme wie Klimawandel, Umweltverschmutzung oder Ausbeutung von Arbeitskräften können nur gelöst werden, wenn Industrie und Gewerbe ihren Teil dazu beitragen. Ammann hat sich dazu entschlossen, an vorderster Front mit anzupacken. Sie studiert im sechsten Semester Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Sie ärgert sich über zu viel Plastik und spricht über die Relevanz von Fridays-for-Future. Mit einem Abschluss in Betriebswirtschaftslehre (BWL) stehen ihr viele Türen offen, sagt sie.

Alexander Daum ist 26 Jahre alt und wie Ammann im sechsten Semester an der LMU. "Ich habe gute analytische, aber auch sehr kreative Fähigkeiten. Das sind beides Dinge, die ich in der BWL sehr gut nutzen kann", sagt Daum. Als er in der neunten Klasse im Gymnasium erstmals intensiver mit Wirtschaftswissenschaften konfrontiert wurde, entdeckte er sein Interesse an den Vorgängen und Strukturen in der Ökonomie. "Das betrifft das Leben von jedem Einzelnen von uns. Und ich finde es wahnsinnig spannend zu verstehen, weshalb Manager X die Entscheidung Y getroffen hat", sagt er.

Aber welche Rolle spielt das Geldverdienen bei der Wahl des Studiengangs? Alexander Daum ist ehrlich. "Natürlich möchte ich später einmal gut verdienen. Ich würde lügen, wenn es mir nicht auch darum ginge", sagt er. Doch Daum treibt nicht der Wunsch nach höchstmöglichen Profiten an. Sein Ziel ist es, den Nutzen für seine Kunden zu maximieren, wenn er nach dem Studium unternehmerisch tätig werden möchte.

Das ramponierte Image von hochrangigen Managern, gerade aus der Finanzbranche, als gierige Zocker und Abzocker werden die jungen Wirtschaftsstudentenwohl nicht so schnell umkrempeln können. Dieser Prozess wird Jahre in Anspruch nehmen. Im Jahr 2017 hat eine dänische Studie herausgefunden, dass Wirtschaftsstudenten am ehesten zu Narzissmus und Selbstüberschätzung neigen. Das bedeutet keineswegs, dass jeder BWL-Student übermäßig in sich selbst verliebt ist und sich seinem Umfeld gegenüber überlegen fühlt. Aber es bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit solche Charaktere in Wirtschaftsstudiengängen zu finden, höher ist als in anderen Fächern.

"Ich kann mir schon vorstellen, dass die Studie der Realität standhält und deswegen manche Entscheidungen in Unternehmen getroffen werden, die den eigenen Zielen des Managers mehr nützen als der Firma", sagt Jana Ammann. "Eine Führungsrolle bringt eben Verantwortung und die Macht für Entscheidungsspielraum mit sich. Damit muss man umgehen können." Aber sie sagt auch, dass viele ihrer Kommilitonen andere Ideale pflegten. Bei weitem nicht jeder will in eine große Firma, sondern viele visieren eine Laufbahn in Nichtregierungsorganisationen an, die sich vor allem das Gemeinwohl auf die Fahne geschrieben haben. Und was ganz wichtig ist: "Ich kenne ganz viele, die legen sehr viel Wert darauf, dass sie später einmal Beruf und Familie miteinander verbinden können."

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Quelle:
SZ vom 25.05.2019
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