Werkstattbericht zur Recherche:"Der Kapitalismus ekelt mich an"

Lesezeit: 2 min

Kapitalismusprotest bei der Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main (Foto: Ralph Orlowski/dpa)

"Unerträglich" ist er, außerdem schuld an vielen Begleiterscheinungen, von Burnout bis Social Egg Freezing: Der Kapitalismus hat es versündenbockt. Tun wir ihm unrecht?

Von Sabrina Ebitsch

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

nach dem jüngsten Blog zur laufenden Kapitalismus-Recherche schrieb uns ein zorniger junger Mann:

"Der Kapitalismus hat mir einen Teil meines Lebens geraubt. Das Schulsystem ist so von Arbeitgeberinteressen penetriert, dass es nicht mehr darum geht, einen jungen Menschen auf das glückliche Leben vorzubereiten, sondern auf seine spätere Arbeitsstelle. ... Die Strategie, durch Konsum glücklich zu werden - der Trugschluss aus zwei Jahrhunderten Kapitalismus -, ist, und das ist dank zahlreicher Studien dazu lange bekannt, zum Scheitern verurteilt und trotzdem Konsens der Kapitalisten. Warum lernen wir in diesem Land, egoistisch zu sein, obgleich man durch Altruismus doch viel mehr bekommen kann?"

Er schließt mit dem Bekenntnis: "Der Kapitalismus ekelt mich genau deshalb an." Damit scheint der junge Mann vielen Lesern und auch vielen anderen aus der Seele zu sprechen. Wir haben seit dem Start dieser Recherche etliche Zuschriften erhalten, es wurde gepostet und getwittert, aber für den Kapitalismus, den "alten Schlawiner", wie Peter Licht mit schönstem Euphemismus singt, hat kaum einer Partei ergriffen.

Was also hat der Kapitalismus mit Ihnen gemacht (in Rekurs auf die Leitfrage dieser Recherche: "Macht uns der Kapitalismus kaputt?")? Wie wirkt er in Ihr Leben hinein, welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Schreiben Sie uns.

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Von Sabrina Ebitsch

Wir möchten auch mit Ihnen diskutieren: Woran ist der Kapitalismus tatsächlich schuld? An einer steigenden Zahl von Burnout-Patienten? An einer immer geringeren Geburtenrate und Social Egg Freezing? An Legebatterien und Schlachtfabriken? An brennenden Textilunternehmen in Bangladesh? Am Verlust der Jungfräulichkeit? Hat der Papst recht, wenn er den Kapitalismus als "unerträglich" bezeichnet und konstatiert: "Diese Wirtschaft tötet"?

Oder geht es dabei vor allem anderen um die Auswüchse eines Systems, das in den vergangenen Jahrzehnten Wohlstand in immerhin große Teile der Welt gebracht hat? Zu dem es scheinbar keine Alternativen gibt? An dessen schlechte Seiten wir uns nur immer wieder und immer weiter in Liedern, Büchern und auf der Bühne abarbeiten? Etwa so.

"Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit." (Ja, Panik)

"Warum haben wir nie Geld, mein Kind? Weil wir nicht im Besitz der Produktionsmittel sind." (Farin Urlaub)

"Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" (Bertolt Brecht)

"Das Geld vibriert und auf den Genchips diktiert ein freier Markt das Leben Leben, Leben, Leben." (Blumfeld)

Das ist eine kleine Auswahl dessen, was Leser uns in den vergangenen zwei Wochen geschickt haben. Wir sammeln weiter ihre kapitalismuskritischen Lieblings-Liedzeilen (#VersvomEndedesKapitalismus) - posten Sie, twittern Sie, mailen Sie uns. Und wir freuen uns, auch ansonsten von Ihnen zu hören.

Vielen Dank fürs Mitmachen, bisher und in Zukunft,

Sabrina Ebitsch, Die Recherche

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