Süddeutsche Zeitung

Werbung:Lebensmittelriese droht Facebook und Google mit Werbeboykott

  • Bekommen die beiden Internetplattformen die ausufernden Hasskommentare nicht in den Griff, möchte Unilever dort seine Produkte nicht mehr vermarkten.
  • Der Konzern verfügt über ein riesiges Werbebudget und kann daher enormen Druck ausüben.
  • Beobachter halten die Ankündigung aber lediglich für ein Muskelspiel.

Von Helmut Martin-Jung und Felicitas Wilke

Es sind wenig schmeichelhafte Worte, die Keith Weed für die Plattformen findet, auf denen sein Unternehmen im Internet wirbt. Kaum besser als ein "Sumpf" seien Facebook und Google, wenn es um Transparenz gehe, findet der Marketingchef des Konsumgüterriesen Unilever. Der Konzern, zu dem Marken wie Langnese, Knorr oder Dove gehören, wolle nicht in einem Umfeld werben, das "eine Spaltung der Gesellschaft erschaffe", Hass begünstige und Kinder nicht ausreichend schütze, sagte Weed in seiner Rede auf einer Konferenz im kalifornischen Palm Desert, aus der die Financial Times vorab zitiert hatte. Das Unternehmen mit den zweitgrößten Marketingausgaben weltweit droht Facebook und Google offen damit, sein Budget künftig auf Plattformen auszugeben, "die Gutes für die Gesellschaft bewirken möchten".

Tatsächlich passen Hass, gewaltverherrlichende Inhalte und Fake News nicht zu einem Konzern, der vor allem mit Heile-Welt-Produkten Geld verdient. "Auf die Wirkung der Werbung und auf das Image des Unternehmens hat es einen signifikanten Einfluss, in welchem Umfeld die Anzeigen platziert sind", sagt Martin Fassnacht, Professor für Marketing an der Wirtschaftshochschule WHU.

Die Konsumgüterhersteller stehen vor einem Dilemma. Die Konsumenten, vor allem die jüngeren, sehen immer weniger fern, aber sind ständig online. Dass die Konzerne heute einen großen Teil ihrer Werbebudgets in Anzeigen auf sozialen Netzwerken oder in Suchmaschinen stecken, liegt da nahe. "Google und Facebook sind wichtige Player, an denen man nicht vorbeikommt", sagt Marketingexperte Fassnacht. Doch gleichzeitig bestehe dort die Gefahr, in unangenehmer Gesellschaft platziert zu werden.

Die Kritik an den sozialen Netzwerken, allen voran an Facebook, nimmt zu. Meist ging es dabei bislang um mangelnden Datenschutz. Seit jedoch bekannt wurde, wie Russland via Facebook die US-Wahl beeinflusst hat, werden mehr und mehr Stimmen laut, die kritisch hinterfragen, welche Rolle soziale Netzwerke überhaupt spielen. Mediziner, Wissenschaftler und Wirtschaftsbosse geißeln Facebook dafür, dass das Unternehmen nicht genug dagegen tue, als Plattform für Hass und Falschnachrichten missbraucht zu werden. Im vergangenen Jahr hatte sich in Procter & Gamble bereits der Konsumgüterkonzern mit dem weltweit größten Marketingbudget kritisch über digitale Werbung geäußert.

Ehemalige Facebook-Führungskräfte sind entsetzt

Vor Kurzem ist sogar eine Gruppe ehemaliger Führungskräfte unter anderem von Facebook und Google an die Öffentlichkeit getreten mit dem Ziel, "die Wahrheit über Tech" zu berichten. Sie alle zeigen sich entsetzt darüber, was aus der Idee der sozialen Netzwerke geworden ist. Analysten sehen durch den wachsenden öffentlichen Druck die sozialen Netzwerke in Gefahr. Wenn sie es nicht schafften, die Vorwürfe zu entkräften, liefen sie Gefahr, von harten Regulierungsmaßnahmen getroffen zu werden.

Jetzt sind die gescholtenen Internetkonzerne am Zug. Fassnacht rechnet damit, dass Facebook und Google sich unabhängige Organisationen ins Haus holen werden, um ihre Probleme mit hasserfüllten und falschen Inhalten in den Griff zu bekommen. Dass Unilever tatsächlich weniger oder gar kein Geld mehr in Werbung auf Facebook oder Google stecken wird, glaubt Fassnacht aber nicht. "Was wir gerade sehen, ist ein Muskelspiel", sagt er. Denn Facebook und Google seien zwar von Werbeeinnahmen abhängig, aber ein Konsumgüterkonzern brauche das Internet mindestens als Werbeplattform.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2018/been
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