Werbung:Klammheimliche Verführer

Viele Showgrößen und Politiker machen Werbung für umstrittene Firmen und deren Produkte. Verbraucherschützer beobachten diesen Trend mit Sorge.

Reinhold Rühl

Essen ist Enricos größte Leidenschaft. Vor allem Buffets ziehen ihn magisch an, weil er dort "zum Festpreis" soviel vertilgen kann wie er mag. Es müssen gewaltige Portionen sein, denn der 30-jährige Groß- und Einzelhandelskaufmann bringt mit seiner Körpergröße von 1,83 Meter exakt 191,6 Kilo auf die Waage. Enrico ist das absolute Schwergewicht in der Pro-Sieben-Doku-Show "The Biggest Loser", die der Sender derzeit donnerstagabends ausstrahlt.

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Ex-Eiskunstläuferin Katarina Witt ist Moderatorin der Pro-Sieben-Doku-Show "The Biggest Loser". Dort begleitet sie Schwergewichte beim Abnehmen. Sie selbst stellt sich angeblich nie auf eine Waage.

(Foto: Foto: Herbalife International)

14 dicke Kandidaten treten hier auf einer "Hacienda" nahe Budapest gegeneinander an. Das Prinzip ähnelt "Big Brother" oder der RTL-Dschungelshow: Die Mannschaft, die insgesamt weniger Gewicht verloren hat, muss pro Woche einen aus ihren Reihen nach Hause schicken. Wer zum Schluss übrig bleibt und prozentual am meisten abspeckt, ist "der größte Verlierer" und darf die Siegprämie in Höhe von 100.000 Euro einstreichen.

Die Moderatorin der Sendung ist optisch gesehen das krasse Gegenstück der Protagonisten: Ex-Eiskunstläuferin Katarina Witt, die sich angeblich nie auf eine Waage stellt, begleitet die Schwergewichte auf dem "Weg in ein neues Leben", jubelt Pro Sieben. Denn Menschen, die "jahrelang Raubbau an ihrem Körper betrieben haben, lernen bei 'The Biggest Loser', was es heißt, gesund zu leben." Zwei Fitnesstrainer, ein Arzt und ein Ernährungscoach stehen den Kandidaten in den insgesamt sechs Folgen zur Seite.

Neuer "Partner" von Herbalife

Katarina Witt gewann als Eiskunstläuferin zwei Mal olympisches Gold. Die 43-Jährige ist vierfache Weltmeisterin, sechsfache Europameisterin und achtfache DDR-Meisterin. "Mit Fitness und ausgewogener Ernährung kennt sich der Eiskunstlauf-Star aus", behauptet der Sender. Zumindest das letztere scheint fraglich. Denn Katarina Witt hat neben ihrer TV-Rolle einen Nebenjob: Sie ist "Partner" der Firma Herbalife, die mit umstrittenen Produkten zur Nahrungsergänzung und ebensolchen Werbemethoden Geschäfte macht.

Herbalife sponserte auch die Abschiedstournee von Katarina Witt, bestätigt eine Herbalife-Sprecherin: "Frau Witt kennt die Produkte von Herbalife schon länger und ist von den Herbalife-Produkten begeistert." Auf der Homepage der Firma wird die erfolgreiche Eiskunstläuferin sogar zitiert: "Die Formula.Shakes von Herbalife mische ich mir als Pulver in einen Joghurt. Ich habe alle Geschmacksrichtungen in der Küche stehen und wähle ganz spontan meinen Lieblingsgeschmack aus."

Solche Ernährungsgewohnheiten hält Jola Jaromin für "völligen Quatsch". Die diplomierte Ernährungsberaterin aus Köln ist Coach der Kandidaten in "The Biggest Loser." Mit derartigen Formula-Diäten, so der Fachbegriff für viele der von Herbalife vertriebenen Produkte, nehme man zwar schnell ab, aber ebenso schnell wieder zu.

Der von Abnehmwilligen gefürchtete "Jo-Jo-Effekt" sei die Folge. Deshalb seien bei der "The Biggest Loser"-Show Formula-Produkte absolut verpönt, sagt Jaromin. "Zwischen den Werbeaktivitäten von Katarina Witt und ,The Biggest Loser' gibt es keinerlei Überschneidungen", beteuert Sandra Scholz von Pro Sieben.

Verbraucherschützer besorgt

Dass Prominente für Gummibärchen, die Telekom oder Flugtickets werben, daran haben sich die Zuschauer notgedrungen gewöhnt. Doch zunehmend treten Sportler, Showgrößen, selbst Politiker für Firmen auf, die von Verbraucherschützern kritisch beobachtet werden. Firmen wie Herbalife.

Edda Castello, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg, hat zahlreiche Beschwerden über diese Firma gesammelt. Umstritten ist vor allem auch die Vertriebsweise. Die Produkte werden nämlich ausschließlich im so genannten "Network-Marketing" verkauft. Dabei können die Käufer zugleich Verkäufer sein, indem sie in ihrem Bekanntenkreis oder über Anzeigen nach Abnehmern suchen. So werden "persönliche Beziehungen für geschäftliche Zwecke ausgenutzt", kritisiert die Verbraucherschützerin.

"Blödsinn", sagt Elisabeth Gottmann von der Agentur Arts und Promotion zu den Vorwürfen der Verbraucherschützer. Sie ist Managerin der Eis-Prinzessin und hat den Deal mit Herbalife eingefädelt. Katarina Witt werde lediglich mit Produkten der Firma ausgestattet und werbe darüber hinaus nicht für das Vertriebssystem. 950 Herbalife-Vertriebspartner haben im November letzten Jahres in Salzburg etwas anderes erlebt. "Ich sehe Eure Begeisterung. Ich sehe, Euer Herz ist in Eurem Job und in den Produkten und Ihr seid motiviert", rief da Katarina Witt von der Bühne.

Der auf Video dokumentierte Auftritt ist nicht die erste Pirouette von Witt im Auftrag fragwürdiger Firmen. Vor drei Jahren drehte die Sportlerin auf einer Eisbahn am New Yorker Time Square ein paar Runden für Tahitian Noni International. Die Firma vertreibt ein umstrittenes Wellnessgetränk via Network-Marketing. Wieviel Geld die Eisprinzessin für den Fototermin kassiert hat, mag Witts Managerin nicht verraten. Insider schätzen jedoch, dass selbst Promis aus der zweiten Liga unter 5000 Euro für solche Auftritte nicht zu haben sind.

Politiker und Promis werben für dubiose Produkte. Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr.

Klammheimliche Verführer

Nicht immer profitieren sie davon. Wirtschaftsdetektiv Medard Fuchsgruber, der sich auf die Geldanlagebranche spezialisiert hat, weiß, dass Prominente auch ihr gutes Image durch Werbung verlieren können.

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Günther Jauch warb für die amerikanische Firma Amway, die Kochtöpfe, Reinigungsmittel und Kosmetikartikel nach dem umstrittenen Network-Marketing vertreibt.

(Foto: Foto: ddp)

Zum Beispiel Manfred Krug. "Wenn die Telekom jetzt an die Börse geht, geh' ich mit", warb der Schauspieler einst für die T-Aktie. Fuchsgruber: "Mit dem Kursverfall der Telekom ist anscheinend auch Krug verschwunden."

Die Spots der Telekom hat Fuchsgruber ebenso gesammelt wie die Werbevideos von großen Vertriebsgesellschaften, die mit manchmal harten Methoden Lebensversicherungen, oder Geldanlagen unters Volk bringen. Diese im Fachjargon Strukturvertriebe genannten Firmen halten ihre Verkäufer gerne mit aufwendigen Jubelfeiern, Galas und Motivationsseminaren bei der Stange.

Dabei treten auch Gäste von Rang und Namen auf. Zum Beispiel Günther Jauch. Bereits 1991 moderierte der schlaksige TV-Star eine Gala des Allgemeinen Wirtschaftsdienstes (AWD), nicht ohne sich vorher bei seinem Kumpel Thomas Gottschalk nach der Seriosität der Firma zu erkundigen. "Kannst Du hingehen", habe ihm dieser gesagt. "Hab' ich auch schon gemacht. Die Leute sind prima und der Chef ist auch in Ordnung". Mit ein wenig Recherche hätten die ausgebildeten Journalisten freilich auch ein anderes Bild von Carsten Maschmeyer erhalten können. Manch kritischer Kollege aus der Medienbranche sah Maschmeyer zu jener Zeit eher als Chef einer "Drückertruppe".

Segensreiche Produkte

Günther Jauch fand anscheinend Gefallen an solchen Auftritten. Kurze Zeit später schwärmte er in einem 20-minütigen Werbefilm von den segensreichen Produkten von Amway.

Die amerikanische Firma vertreibt Kochtöpfe, Reinigungsmittel und Kosmetikartikel nach dem umstrittenen Network-Marketing. Als zwei Jahre später Jauchs Auftritt bei Amway ruchbar wurde, sagte der Stern-TV-Chef der Süddeutschen Zeitung, er habe damals recherchiert, dass die Firma Amway noch niemanden "richtig reingelegt, also betrogen" hätte.

Die wenigsten Prominenten machen sich die Mühe und stellen Fragen - sofern das Honorar stimmt. Besonders gut zahlten von jeher Anbieter von unseriösen Finanzprodukten für prominenten Beistand, weiß Volker Pietsch, Chef des Deutschen Instituts für Anlegerschutz (DIAS) in Berlin. Denn mit einem bekannten Konterfei lasse sich "so mancher Anleger eine gewisse Zeit über die Seriosität einer Firma täuschen." Manchmal beissen dann auch Politiker an, etwa beim European Kings Club (EKC). Rund 80.000 Menschen verloren insgesamt eine Milliarde Mark bei diesem betrügerischen Pyramidensystem, das 1994 mit viel Getöse zusammenbrach. Geprellte Anleger erinnern sich noch gut an den Auftritt von Michail Gorbatschow bei einer EKC-Gala in Köln. 200.000 Mark soll die kriminelle Organisation für Gorbatschows Auftritt an seine gemeinnützige Stiftung gezahlt haben, der später sagte, er habe damals von den umstrittenen Aktivitäten nichts gewusst.

Gastgeschenke für 4000 Euro

Auch Carsten Maschmeyers AWD hat als "unabhängiger Finanzoptimierer" einen in Anlegerschutzkreisen nicht unumstrittenen Namen. Der Gründer zählt mit einem geschätzten Privatvermögen von 550 Millionen Euro zu den reichsten Deutschen. Nicht zuletzt deshalb ist "Maschi", wie ihn seine Fans nennen, in der Promi-Welt wohl gelitten. Als er im Sommer letzten Jahres zum 20.Geburtstag des AWD in die TUI-Arena nach Hannover einlud, wurden Weltstars wie Seal, Pink, Nelly Furtado und MelC eingeflogen. Gemessen an diesem Aufgebot zählten selbst Thomas Gottschalk, Veronica Ferres, Heiner Lauterbach und die Scorpions zur zweiten Garnitur. Als Gastgeschenk gab es für ausgesuchte Promis eine Flasche 82er Chateaux Petrus, "Preis 4000 Euro", notierte die Bunte.

Diese fürs Geschäft offenbar wichtigeren Menschen wurden vorher in Maschmeyers Walmdachvilla mit bretonischem Hummer und Taubenbrust bewirtet: Neben Ex-Kanzler Gerhard Schröder und Gattin Doris zählten der frühere Uno-Generalsekretar Kofi Anann und Klaus-Peter Müller, der Präsident des Bankenverbandes, zur exklusiven Runde. Neu im erlauchten Kreis war Bert Rürup. Der Wirtschaftsweise wird künftig sogar auf der Gehaltsliste des AWD stehen - als frisch ernannter "Chefökonom" des AWD. Der Erfinder und Namensgeber der Rürup-Rente verhelfe dem AWD zu "praktisch unbezahlbarem Renommee", empört sich Anlegerschützer Volker Pietsch. Man dürfe gespannt sein, wer als nächster Politiker die Seiten wechselt.

Wenn er bloß nicht Walter Riester heißt, der ebenfalls auf der AWD-Party gesichtet wurde. Der Ex-Arbeitsminister und Namensgeber der Riester-Rente zählt aber offenbar nicht zum engen Kreis der Maschmeyer-Bekannten. Vorerst jedenfalls nicht.

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