Werbung in sozialen Netzwerken:Digitale Drahtzieher

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Instagram-Fotos als Broterwerb: Bei Caroline Einhoff klappt das. Firmen zahlen dafür, dass sie Produkte präsentiert, im Hintergrund wirkt eine Agentur.

(Foto: Pulse Advertising)

Millionen Menschen in Deutschland orientieren sich an Idolen aus dem Internet. Doch viele der Youtuber und Instagrammer tun das nicht aus Idealismus, sondern werden bezahlt. Und im Hintergrund stehen oft Agenturen.

Von Tim Kummert

Das Foto sieht aus wie ein Schnappschuss: Caroline Einhoff schaut auf ihr Handgelenk und lächelt. Dort prangt ein silbernes Metallarmband, das einen mattgrauen Sensor einschließt. Ein sogenannter Fitness-Tracker, der Schlafzeiten, Kalorienverbrauch und die pro Tag zurückgelegte Strecke misst. Einhoff, 25, hat das Foto auf ihrem Account bei Instagram hochgeladen, einem sozialen Netzwerk für Bilder, das zu Facebook gehört. Mehr als 15 000 Menschen haben auf den Like-Knopf gedrückt - überwiegend junge Menschen, die sich an Vorbildern wie Caroline orientieren. Darunter steht: "Könnt ihr dieses kleines Accessoire an meinem Handgelenk sehen? Es ist kein normales Armband, sondern ein Fitness-Tracker, der mir hilft, gesund zu leben."

Die junge Frau empfiehlt ihren Fans ein Produkt, von dem sie begeistert zu sein scheint - doch sie tut das nicht einfach so, sie bekommt Geld dafür. Auf dem Foto hat sie den Hersteller des Armbands markiert - der wiederum seinerseits auf der Firmenseite einen Link zum Kauf des Armbandes anbietet. Preis: 125 Euro. Caroline Einhoff ist Teil einer Kampagne des Herstellers. Wie viel dabei an Menschen wie sie, an die Instagrammer und Youtuber gezahlt wird, darüber spricht man nicht gerne. Doch innerhalb der Szene werden Summen von mehreren Hundert Euro pro Bild gehandelt, das die meist jungen Berühmtheiten des Netzes hochladen.

Doch wer entscheidet, wer welches Produkt in die Kamera hält? Die jungen Leute, die das meist als Hobby begonnen haben, haben oft keine Business-Erfahrung. Und die Firmen, die ihre Produkte abseits der gewöhnlichen Kanäle bewerben wollen, wissen nicht, wie sie das tun sollen.

Diese Erfahrung machten auch Christoph Kastenholz, 25, und seine Freundin Lara Daniel, 27. Nach ihrem BWL-Studium besaßen sie ein Modelabel, für das sie auf ungewöhnliche Weise warben: Kleidungsstücke des Labels schickten sie an Menschen, die in sozialen Medien viele Follower hatten - also Nutzer, die ständig beobachten, was ihre Idole tun. "Diese posteten dann Fotos davon, das war supereffektiv", sagt Kastenholz. Es dauerte allerdings eine Weile, bis die Zusammenarbeit rundlief. Doch da sie nach einiger Zeit aus Erfahrung wussten, wie man es richtig macht, beschlossen sie, damit ihr Geld zu verdienen. "Pulse Advertising", so heißt ihre Firma, hat nun, nach zwei Jahren, 35 Mitarbeiter, ein Büro in New York und ist die größte Agentur für Marketing in den sozialen Medien in Deutschland.

Die Branche ist jung, die meisten Agenturen sind nicht älter als ein bis zwei Jahre

In den vergangenen Jahren wurden in Deutschland viele solcher Agenturen gegründet. Seitdem klar wird, welches enorme Werbepotenzial Youtuber und Instagrammer mit vielen Fans für Unternehmen haben, schalten sich zunehmend Agenturen als Vermittler ein. Auf der einen Seite stehen sie im Kontakt mit den Unternehmen und bringen diese gegen eine Vermittlungsprovision mit großen Youtubern und Instagrammern zusammen. Einige der Agenturen wie Pulse sind relativ groß, andere bestehen nur aus zwei Geschäftspartnern. Die Branche ist jung, die meisten Agenturen sind nicht älter als ein bis zwei Jahre.

Mirjam Hornetz, 24, ist Kundin einer Agentur. Der Trierer Instagrammerin folgen online mehr als 350 000 Menschen. Damit gehört sie in Deutschland zu den einflussreichsten Menschen in dem sozialen Netzwerk. "Die Agenturen boomen extrem", sagt Hornetz, "noch vor zwei bis drei Jahren lief die Kommunikation der Unternehmen meist direkt mit den Instagrammern." Die Agenturen übernehmen für ihre Kunden, wenn gewünscht, so ziemlich alles: Von der Verhandlung über die genaue Art, wie das Produkt vom jeweiligen Youtuber in die Kamera gehalten werden soll, bis hin zum Preis, den das Unternehmen für diese Leistung zahlen muss. Sogar die Rechnung schreiben die Vermittler immer öfter für ihre Schützlinge.

Die Agenturen vermitteln den Youtubern und Instagrammern vor allem ein Gefühl vom eigenen Marktwert. Bei manchen Agenturen gibt es online eine Art Formular und Steckbrief, sodass die Unternehmen sich durchklicken können. Wie groß soll der Social-Media-Kanal sein, wie viele Leute sollen erreicht werden? Dann errechnen Algorithmen, wie viel Geld das Unternehmen für eine bestimmte Anzahl von Followern ausgeben muss - abhängig von der Zusammensetzung der Follower und von weiteren Faktoren.

Die Preise sind geheim, genaue Zahlen will niemand aus der Branche nennen. Hornetz, die Instragrammerin aus Trier, kann von ihrem Account aber zumindest gut leben. Firmen suchen teilweise händeringend Kooperationspartner in den sozialen Medien. "Vielen Instagrammern ist einfach gar nicht bewusst, dass sie mit ihren Accounts und Bildern Geld verdienen können", sagt Hornetz.

"Mir gefällt die Vorstellung nicht, mich komplett in die Hände von Strippenziehern zu begeben."

Mehr und mehr Firmen werben in sozialen Medien: Daimler, S. Oliver, HTC, Uber, Ferrero - kaum ein Konzern will außen vor bleiben. Bei Kastenholz und seinen Mitarbeitern gehen täglich Dutzende Anfragen ein. "Beispielsweise sprechen uns Automobilhersteller an, wenn neue Modelle in Planung sind, und bitten uns um die Planung, kreative Ausarbeitung und Umsetzung einer darauf abgestimmten Influencer-Marketing-Kampagne."

Einfluss nehmen die Menschen, deren Videos Millionen Menschen erreichen, durchaus. Idealerweise ist der dann so groß, dass die beworbenen Produkte gekauft werden. Beim Beispiel der Autohersteller macht man sich bei Pulse Advertising dann Gedanken: Welche Merkmale hat das Auto? Was ist besonders? Welches Detail muss gezeigt werden? Dann wirft Kastenholz einen Blick in seine Datenbank: Mehr als 5000 Youtuber, Instagrammer und andere Größen aus den sozialen Medien sind dort verzeichnet. Er entscheidet sich, wer für die Kampagne infrage kommen könnte, und fragt die entsprechenden Personen an.

Wer bei Pulse unter Vertrag ist, sichert Exklusivität zu, arbeitet also nicht auch noch für andere Agenturen. Caroline Einhoff, auch sie eine reichweitenstarke Instagrammerin, die dort betreut wird, fühlt sich aber wohl: "Ich habe eine feste Ansprechperson, mit der ich eigentlich den ganzen Tag über E-Mail oder Handy in Kontakt bin." Elisa Becker, der auf Instagram knapp 90 000 Menschen folgen, steht dem Agentur-Modell dagegen kritisch gegenüber. Die 20-Jährige betreibt ihren Account seit letztem Jahr im Dezember und managt alles selbst: "Ich arbeite nicht mit Agenturen, meine Kooperationen mit Firmen kläre ich alleine." Ihr ist es unheimlich, die Kontrolle über ihr Geschäftsmodell aus der Hand zu geben, "es ist erst mal völlig unklar, wie viel Geld die haben wollen, und mir gefällt die Vorstellung nicht, mich komplett in die Hände von Strippenziehern zu begeben, die selbst im Hintergrund bleiben."

Einen anderen Ansatz verfolgt die Agentur "Martensgarten". Stefan Doktorowski und Benjamin von Martens betreuen 35 Größen auf sozialen Medien. Sie beraten die Youtuber und Instagrammer vor allem bei der Ausrichtung ihres Kanals: Welche Marken sich für ihr Profil eignen - und welche nicht. Vor allem weisen sie ihre Kunden auch auf mögliche Probleme hin. "Heute eine Omega-Uhr und morgen eine Rolex bewerben, das ist natürlich eine Katastrophe", sagt Doktorowski. Sein Kollege schiebt nach: "Wir finden es auch schwierig, wenn jemand heute auf einem Adidas-Event eingeladen ist und von dort Bilder postet und morgen demonstrativ Nike-Schuhe trägt."

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