Süddeutsche Zeitung

Werbung:Es ist egal, wer ein Haustier hat

Lesezeit: 3 min

Der mächtigste Werbekunde der Welt zweifelt daran, dass man im Internet jede noch so kleine Zielgruppe erreichen kann.

Von kathrin werner, New York

Procter & Gamble hat es versucht. Der amerikanische Konsumgüterkonzern hat sich genau überlegt, an wen sich die Raumsprays der Marke Febreze am besten verkaufen könnten. Menschen mit Haustieren war die eine Zielgruppe, große Familien die andere, für die sich die Marketingabteilung entschied. Also arbeitete Procter & Gamble mit Facebook zusammen und schaltete besondere Anzeigen in dem sozialen Netzwerk. Sie waren nur für die Menschen sichtbar, von denen Facebook glaubte, dass sie viele Kinder oder ein Haustier haben. Doch die Idee funktionierte nicht. Die Febreze-Umsätze stagnierten und stiegen erst, als Procter & Gamble die Werbung für alle volljährigen Facebook-Nutzer schaltete.

Klingt nach einem Sonderfall, ist aber keiner, glaubt Procter & Gamble, kurz P&G. Der Konzern stellt sich gegen den Trend Targeted Advertising. Werbefachleute nennen es auch auf Deutsch so, wenn sie ihren Firmenkunden zusichern, dass die Werbung exakt die noch so kleine Zielgruppe erreichen werde. Doch Targeted Advertising funktioniere längst nicht so gut wie gedacht und wie Facebook verspricht, sagte Marc Pritchard, der Finanzchef von P&G, in einem Interview mit dem Wall Street Journal. Herkömmliche Reklame, die so viele Menschen wie möglich erreichen will, zeige meist bessere Ergebnisse.

Die Entscheidung hat Gewicht. Keine Firma der Welt gibt mehr Geld für Werbung aus

Facebook hat Jahre an der Technik getüftelt, die alle Nutzer des sozialen Netzwerks nach Interessen, Wohnort, Geschmack und Lebensphase sortiert, damit Werbekunden ihre Anzeigen genau der Zielgruppen zeigen können, für die sie sich interessieren. Targeted Advertising ist das große Heilsversprechen der modernen Werbebranche, auch Google setzt darauf. Für Facebook und die riesige Gruppe an Marketing-Leuten und Programmierern, die an dieser Art der Werbung arbeiten, ist es entsprechend gefährlich, wenn P&G sie infrage stellt. Kein Unternehmen der Welt gibt mehr für Reklame aus als P&G. Zum Konzern gehören Marken wie Pantene, Gillette, Meister Proper oder Pampers. Im vergangenen Geschäftsjahr lag das Werbebudget bei mehr als sieben Milliarden Dollar. Das entspricht rund elf Prozent der Umsätze des Konzerns, den der Kerzenhersteller William Procter und der Seifenmacher James Gamble 1837 im US-Bundesstaat Ohio gründeten.

P&G will die Anzeigen künftig breiter streuen, sagte Pritchard. Waschmittel soll nun nicht mehr nur jungen Frauen angepriesen werden, die gerade bei den Eltern ausziehen und sich zum ersten Mal zwischen Ariel von P&G und der Konkurrenz entscheiden müssen. Die Reklame soll stattdessen an alle Facebook-Nutzer gehen. Schließlich wäscht fast jeder. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass ein treuer Persil-Wäscher nach einer guten Werbung zu Ariel wechselt. "Wir haben die Zielgruppe zu sehr und zu eng angepeilt", sagte Pritchard. "Jetzt schauen wir uns an: Was ist der beste Weg, um die größte Reichweite zu bekommen, aber gleichzeitig angemessen genau zu sein." Nur in Ausnahmefällen, wenn Produkte eine enge Zielgruppe haben, will P&G die Spezialwerbung nutzen. Beispielsweise sollen nur Schwangere oder Menschen, die gerade ein Kind bekommen haben, Anzeigen für Windeln sehen können.

Laut Medienberichten setzt P&G auch wieder mehr auf Fernsehspots. Der Konzern hat aber nicht vor, die Ausgaben für Werbung bei Facebook zu kürzen. Eine Nachricht, die in der Zentrale des sozialen Netzwerks Erleichterung auslösen dürfte. Schließlich verdient Facebook fast ausschließlich Geld mit Werbung. Wie wichtig solche Aussagen von großen Werbekunden sind, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2012: Nur wenige Tage vor dem Börsengang von Facebook hatte der Autobauer GM verkündet, keine Anzeigen in dem sozialen Netzwerk mehr schalten zu wollen, weil sich das einfach nicht lohnte. Die Bewertung von Facebooks Unternehmenswert brach daraufhin ein. Der Fall gilt als einer der Gründe, warum der Börsengang deutlich schlechter verlief als erhofft. Ein knappes Jahr später begann GM allerdings wieder mit Werbung auf Facebook. Im vergangenen Jahr erreichte das Netzwerk einen Werbe-Umsatz von 17,1 Milliarden Dollar, 49 Prozent mehr als 2014. Die Werbekunden wollen sich den Zugang zu den 1,7 Milliarden aktiven Nutzern des Netzwerks nicht entgehen lassen.

Trotzdem ist die weitgehende Abkehr von P&G von Spezialwerbung ein Alarmzeichen für Facebook. Es ist ein Alleinstellungsmerkmal des sozialen Netzwerks, dass es seine Nutzer so gut kennt und dieses Wissen an Werbekunden verkaufen kann. Das lässt sich Facebook auch bezahlen. Je präziser definiert die Zielgruppe ist, desto teurer ist die Anzeige. Dafür zahlt Facebook allerdings auch einen Preis: Wegen der genauen Beobachtung und Analyse der Nutzer bringt Facebook viele Menschen gegen sich auf, die sich bespitzelt fühlen und sich um die Sicherheit ihrer Daten sorgen. Dank P&G stellt sich nun die Frage, wieso Facebook die Nutzer überhaupt so überwacht, wenn die gewonnenen Daten noch nicht einmal den Werbekunden nutzen. Laut Werbeexperten lohnen sich die Spezialanzeigen nur für kleine, spezielle Marken. Für eine Münchner Umzugsfirma ist es sinnvoll, sich nur an Menschen zu richten, die eine neue Wohnung in München gefunden haben. Zielgruppenoptimierung ist allerdings fehleranfällig. Wer zum Beispiel bei der Pizzeria um die Ecke auf "Gefällt mir" klickt, weil er mit dem Koch verwandt ist, interessiert sich nicht zwangsläufig für Tiefkühlpizza.

Was Facebook übrigens für den jeweiligen Nutzer für passend hält, lässt sich in den Einstellungen einsehen. Der Punkt heißt "Werbeanzeigen basierend auf meinen Einstellungen". Viele Nutzer finden dort wohl Absurditäten, Widersprüche und Fehler, zum Beispiel ein angebliches Interesse an Kampftechnik für professionelle Ringer. Und gut zu wissen: In den Werbe-Einstellungen lässt sich das Targeted Advertising auch ausschalten.

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Quelle:
SZ vom 11.08.2016
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