WM-Sponsoren:Das sind die heimlichen Weltmeister

Neymar mit Apple-Kopfhörern

Brasiliens Star Neymar trägt Kopfhörer von Apple - und macht so Werbung für das Unternehmen.

(Foto: Benjamin Cremel/AFP)
  • Nike und Apple sind PR-Weltmeister: Ohne offizielle Sponsoren der WM zu sein, haben sie vom Turnier profitiert.
  • Mit sogenanntem "Ambush Marketing", also Werbung aus dem Hinterhalt, haben sie die Vorschriften der Fifa umgangen.
  • Der Weltverband sieht das gar nicht gern - schließlich sollen die offiziellen Partner die größten Profiteure sein.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die lächerlichsten Momente der Live-Berichterstattung während der Fußball-WM in Russland spielten sich etwa 90 Minuten vor dem Anpfiff der Partien ab. Dann nämlich, wenn TV-Sender und Internetportale aufgeregt übertrugen, wie die mehr oder minder prominenten Kicker am jeweiligen Stadion ankamen, aus ihren Mannschaftsbussen stiegen und Richtung Umkleidekabine marschierten.

Diese Bilder von absoluten Nichtigkeiten abseits des eigentlichen Spielgeschehens gehören zu der am Sonntag abgepfiffenen Weltmeisterschaft wie jene, auf denen etwa der französische Stürmer Kylian Mbappé während des Endspiels mit einer Flitzerin der feministischen Punkgruppe Pussy Riot abklatscht oder auf denen Drama-Queen Neymar mit schmerzverzerrtem Gesicht bis nach Brasilien zu hechten versucht. Bedeutsam sind die Aufnahmen trotzdem. Denn die Franzosen mögen das sportliche Turnier gewonnen haben; PR-Weltmeister jedoch ist die kalifornische Technikfirma Apple.

Was auf all den "Spieler-verlassen-Omnibus"-Fotos nämlich auch zu sehen ist: AirPods von Apple in den Ohren von Neymar und Ochoa, von Julian Draxler und Keisuke Honda und der halben englischen Mannschaft. Lukaku trug knallrote Exemplare der Firma Beats Electronics, auch das ist Apple - der Konzern hat das Unternehmen vor vier Jahren für drei Milliarden Dollar gekauft. Die Zuschauer mögen all die Kopfhörer nicht bewusst wahrgenommen haben; sie sahen sie allerdings immer und immer wieder. Das setzt sich fest. Und Apple hat Design, Patentrechte und Vermarktung derart perfektioniert, dass die Kopfhörer auch ohne Logo eindeutig zuzuordnen sind. Ein gelungener PR-Coup.

Die Analysefirma Amobee Brand Intelligence hat während der WM mehr als 60 Milliarden Online-Interaktionen analysiert und nun Apple und den Sportartikelhersteller Nike zu den Siegern erklärt. Es seien die beiden Marken, die am stärksten mit der WM assoziiert werden, heißt es. Noch gibt es keine Studie zum exakten Werbewert dieser WM, doch Experten siedeln ihn für die siegreichen Firmen im mittleren dreistelligen Millionenbereich an.

Interessant dabei: Apple war, um in der Fußballersprache zu bleiben, nicht einmal für die WM qualifiziert. Genauso wenig wie der britische Sockenhersteller Trusox oder die schwedische Möbelhauskette Ikea war Apple weder Sponsor des Fußball-Weltverbandes Fifa noch offizieller Ausrüster einer Nationalelf. Trotzdem tauchen diese Marken in der Liste der erfolgreichsten Unternehmen auf. "Ambush Marketing" nennt man das, Vermarktung aus dem Hinterhalt. "Der Effekt kann noch stärker sein als der auf Werbebanden oder Schuhen, weil der Zuschauer es nicht als Sponsoring identifiziert und deshalb für authentisch hält", sagt Marketingexpertin Ellen Petra Leanse, die einst bei Apple und Google gearbeitet hat. "Es sieht so aus, als wäre es einzig die Entscheidung der Spieler, diese Sachen zu tragen."

Nicht genehmigte Sponsoren mag die Fifa nicht

Die Fifa versteht aber bekanntlich nicht viel Spaß, beim Marketing noch weniger als beim Kampf gegen Doping oder Korruption. Ihr Reglement zur WM-Vermarktung ist 32 Seiten lang. Da heißt es, sehr frei übersetzt: Ohne das Geld der Sponsoren könnte die Fifa so eine Veranstaltung nicht organisieren. Und wenn jeder die WM gratis für seine Zwecke nutzen würde, wäre das blöd für Sponsoren und die Fifa.

Der Weltverband vertrat die Interessen der Partner überaus bissig: Der englische und der schwedische Verband mussten jeweils 70 000 Schweizer Franken, gut 60 000 Euro, zahlen, weil einige Spieler über die Stutzen der offiziellen Team-Ausrüster Anti-Rutsch-Socken von Trusox gezogen hatten. Ebenfalls 70 000 Franken kostete es die Kroaten, dass Spieler aus Flaschen mit einem nicht genehmigten Sponsoren-Logo tranken. Zum Vergleich: Die politisch provokanten Gesten von Granit Xhaka and Xherdan Shaqiri in der Partie gegen Serbien kosteten den Schweizer Verband gerade mal 10 000 Franken.

So umgehen Firmen die Regeln der Fifa

Die Fifa ist unter Druck. Nach Angaben der US-Datenfirma Nielsen nimmt der Weltverband in diesem WM-Zyklus mindestens 1,45 Milliarden Dollar über Sponsoring ein. Damit gehen die Umsätze nach heftigen Anstiegen von 2006 (583 Millionen) über 2010 (1,1 Milliarden) bis 2014 (1,63 Milliarden) erstmals wieder zurück. Nielsen zufolge verhindert nur das Engagement asiatischer Firmen, die mittlerweile 39 Prozent der Fifa-Sponsoring-Einnahmen bestreiten, einen stärkeren Einbruch.

Die offiziellen Partner wollten so sichtbar wie möglich sein, sie platzierten weithin sichtbare PR-Boote auf der Moskwa und Installationen auf dem Roten Platz. Und auch die Sponsoren der nationalen Verbände waren aktiv: Bei ihren täglichen Pressekonferenzen saßen Spieler und Trainer stets vor einer Wand mit Sponsorenlogos. Mercedes und Adidas waren als größte Geldgeber der DFB-Elf dort omnipräsent; geflogen wurde mit der von Luft- in Fanhansa umbenannten Airline. Und dann gab es auch noch dieses Foto, auf dem Joachim Löw in Sotschi lässig an einer Laterne lehnt, im Shirt des DFB-Ausstatters Boss.

"Ambush Marketing" umgeht die Regeln der Veranstalter derart kreativ, dass diese die Werbung nicht verhindern können. Bei Olympia in Rio 2016 etwa war ein offizieller Sponsor Samsung. Also verkaufte Konkurrent Apple zehn Kilometer vom Olympischen Dorf entfernt Nationalfarben-Bänder für seine Smartwatch, die dann viele Athleten bei der Eröffnungsfeier oder ihren Wettbewerben trugen.

Und nun die Kopfhörer. Die Fifa konnte lediglich von den Spielern verlangen, das Firmenlogo auf den Beats zu überkleben, doch auf den weißen Ministöpseln war keines angebracht. Apple will sich nicht zu der Frage äußern, ob es die Spieler proaktiv mit Kopfhörern versorgt hat, oder ob tatsächlich viele der 736 WM-Kicker sie aus purer Begeisterung trugen. Die AirPods gelten als Experiment, ein Gerät für die Post-Mobiltelefon-Zeit zu kreieren, nachdem Versuche mit Uhren und Brillen nur mäßig erfolgreich waren. Alleine in diesem Jahr soll Apple Prognosen zufolge 30 Millionen Exemplare verkaufen. Die massive WM-Präsenz dürfte dabei helfen.

Was wohl auch hilft: eine ehrenwerte Niederlage der eigenen Mannschaft und randalierende Fans des Gegners. Nach dem Viertelfinal-Aus der Schweden gegen England nahmen englische Fans eine Ikea-Filiale in London auseinander. Das Unternehmen reagierte gelassen, bot den Randalierern Fish&Chips für einen Dollar an und schaltete sogleich Hut-ab-Anzeigen mit der Aufforderung, sich den Ikea-Hutständer "Hemnes" anzuschaffen. Eine vom Werbewert her mindestens so wirksame Aktion, als hätten Schwedens Spieler beim Aussteigen aus dem Bus so einen Hemnes dabei gehabt.

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