Süddeutsche Zeitung

Werbung:Aufregung um Nazi-Symbolik in Edeka-Werbespot

  • Zwei Autokennzeichen in einem Werbespot von Edeka sorgen für Empörung.
  • Auf ihnen findet sich etwa die Buchstabenkombination SS, die in Deutschland verboten ist.

Von Angelika Slavik, Hamburg

Die Zeit vor Weihnachten ist die Zeit der Werbung. Viele Firmen schalten nun neue Kampagnen. Die Supermarktkette Edeka und ihre Werbeagentur Jung von Matt (JvM) versuchen es in diesem Jahr mit dem Werbespot "Zeit schenken". Darin sieht man gestresste Erwachsene, die über allen Verpflichtungen keine Zeit für die Kinder finden - bevor sie sich besinnen und den Kleinen zuwenden.

Das könnte ein ganz netter Spot sein, wären da nicht die Kennzeichen der Autos, die in dem Clip zu sehen sind: "MU-SS 420" steht auf einem Wagen, "SO-LL 3849" auf einem anderen. Das sind, so viel ist eindeutig, Anspielungen auf all das Sollen und Müssen, das die Erwachsenen in dem Spot erleben. Aber ist es noch mehr?

Um die Kennzeichen ist nun eine Diskussion entstanden, weil man auf ihnen Anspielungen auf den Nationalsozialismus entdecken könnte. So ist "SS" als Kennzeichen in Deutschland wegen seiner historischen Bedeutung verboten, die Zahl "420" kann auch als "Four-Twenty" gelesen werden, Hitlers Geburtstag. Im zweiten Kennzeichen findet man die Zahl 84, in rechten Kreisen für "Heil Deutschland" verwendet, eingerahmt von 3 und 9, was, sagen Experten, für die rechte Bewegung "Christian Identity" stehen könnte - die Zahlen bezeichnen jeweils die Buchstaben im Alphabet. Das kann, auch in dieser Dichte, ein unglücklicher Zufall sein. Sehr sensibel waren Edeka und JvM jedenfalls nicht. Die Agentur schweigt, Edeka entschuldigt sich. Nachfragen, ob der Spot zurückgezogen wird und was das für die Arbeit mit der Agentur bedeutet, blieben unbeantwortet.

Die Diskussion ist für Edeka und JvM umso schmerzhafter, weil beide Firmen noch vor einem Jahr einen spektakulären Erfolg erzielten: Edekas Weihnachtsspot 2015 erzählte die Geschichte eines alten Mannes, der von seiner Familie an Weihnachten allein gelassen wird - und schließlich seinen Tod vortäuscht, um die Kinder zum Heimkommen zu bewegen. Der Spot brachte Edeka viel Aufmerksamkeit, bei Youtube wurde er fast 52 Millionen Mal gesehen. Und ein Jahr später so ein Desaster?

Edeka ist nicht das erste Unternehmen, das mit Werbung unangenehm auffällt. Tchibo etwa erlebte vor einigen Jahren ein Debakel, als man in Kooperation mit Esso für verschiedene Kaffeesorten werben wollte - mit dem Satz "Jedem das Seine". Der hat seine Wurzeln zwar in der antiken Philosophie, wurde aber später von den Nazis missbraucht und am Eingang des Konzentrationslagers Buchenwald angebracht. Die Kampagne wurde gestoppt, die Firmen entschuldigten sich: Die Werbeagentur habe die historische Bedeutung nicht gekannt. Ähnlich war die Lage um die Jahrtausendwende bei Rewe, bei Burger King, der Merkur-Bank und beim Telefonhersteller Nokia, der austauschbare Handy-Gehäuse verkaufen wollte. Nokia ließ nach einer Entschuldigung den Spruch überkleben. Mit einem Shakespeare-Zitat: "Was ihr wollt".

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SZ vom 25.11.2016/hgn
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