Werbung:Ein bisschen Spaß muss sein

Werbung: In dem britischen Werbespot von Philadelphia setzt ein Vater - abgelenkt vom Frischkäse - sein Baby aus Versehen auf dem Essensband ab.

In dem britischen Werbespot von Philadelphia setzt ein Vater - abgelenkt vom Frischkäse - sein Baby aus Versehen auf dem Essensband ab.

(Foto: Mondelez/oh)

Die britische Werbeaufsicht verbietet einen Spot, in dem sich zwei Väter ungeschickt mit ihren Babys anstellen. Ist das Sexismus? Nein, das ist lustig. Firmen sollten viel öfter mit unperfekten Menschen werben.

Kommentar von Veronika Wulf

Marketingmanager gehören nicht unbedingt zu der Berufsgruppe, die am meisten Mitleid verdient hat. Aber man muss schon sagen: Sie haben es nicht leicht derzeit. Sobald sich nur eine Handvoll unterbeschäftigter Nörgler, die zu viel Zeit im Internet verbringen, über einen Werbespot beschweren, ist von einem Shitstorm die Rede. Egal, ob Männer gezeigt werden, die ihre Kinder vom Prügeln und ihre Kumpels von sexistischen Anmachen abhalten (wie bei Gillette Anfang des Jahres), oder Männer, die als Superväter versagen (wie jetzt bei Philadelphia in Großbritannien) - irgendjemand ärgert sich immer darüber.

Das darf kein Freifahrtsschein sein für Busen als Bierwerbung und Hintern auf Installateur-Kleinlastern. Doch manchmal (vielleicht sogar: immer öfter?) schießen die Kritiker über das Ziel hinaus, wie die britische Werbeaufsicht, die nun erstmals zwei Spots in Großbritannien verboten hat. Im Gegensatz zum Deutschen Werberat, der lediglich Rügen ausspricht, kann die Advertising Standards Authority (ASA) Kampagnen komplett verbieten. Doch die zwei Spots, mit denen die Aufpasser nun den Anfang gemacht haben, sind nicht das beste Beispiel für sexistische Werbung. Vor allem nicht jener der Frischkäserei Philadelphia: Zu sehen sind zwei Väter in einem Restaurant, die ihre Babys aus Versehen auf dem Band absetzen, auf dem sonst Essen vorbeifährt - weil sie so abgelenkt sind von den Frischkäsebagels. Die ASA kritisiert, der Spot beruhe auf dem Stereotyp, "dass Männer nicht so gut wie Frauen in der Lage sind, für Kinder zu sorgen".

Mit einer ähnlichen Begründung hatte der Deutsche Werberat ein Video von Edeka zum Muttertag kritisiert, in dem Männern Pannen passieren im Haushalt und mit ihren Kindern. Am Ende heißt es: "Danke Mama, dass du nicht Papa bist." Beide Spots beruhen auf Klischees - wie Satire meist. Doch sie zeigen Klischees humorvoll, nicht herablassend. Sie sagen nicht: Alle Männer sind unfähig. Sie sagen: Fehler passieren, aber sie sind okay. Sie könnten Männer sogar ermutigen, mehr Verantwortung zu übernehmen.

Wenn Werbung dogmatisch daherkommt, ruft sie Ablehnung hervor

Werbetreibende sollten umgekehrt öfter auch Frauen zeigen, die Fehler machen. Denn sie werden meist als rundum perfekt präsentiert. Wenn Frauen öfter Trottel sein dürfen, würde das zeigen: Sie haben auch Humor, können über sich selbst lachen und vor allem: Frauen müssen nicht perfekt sein.

Ein Verbot von Werbung, die Dusseligkeit - ganz gleich welchen Geschlechts - aufs Korn nimmt, kann keine Lösung sein. Genauso wie übertrieben politisch korrekte Sprache bei vielen Menschen auf Ablehnung stößt und deshalb häufig genau das Gegenteil dessen bezweckt, was sie eigentlich soll, kann auch überkorrekte Werbung Schaden anrichten. Eine Welt, in der ausschließlich Frauen Dinge in Meetings erklären und Gartenhäuser bauen sowie ausschließlich Männer Dreck vom Teppich saugen und Kinder wickeln, stellt nicht die Realität dar und ist deshalb nicht nur langweilig, sondern auch unglaubwürdig. Wenn Werbung dogmatisch daherkommt, ruft sie Ablehnung hervor, und das wäre bei einem Thema wie der Gleichberechtigung fatal. Zudem ist es unrealistisch, von gewinnorientierten Unternehmen zu erwarten, als gesellschaftliches Korrektiv zu handeln.

Ja, die Werbung sollte aufhören, ständig nur schlanke, weiße Menschen zu zeigen. Sie muss das Pendel aber nicht in die andere Richtung ausschlagen lassen. Nicht zuletzt, weil dann der Humor fehlt. Die Kunst ist es, dass all die staubsaugenden Männer und die marathonlaufenden Frauen, die Homosexuellen und Schwarzen wie selbstverständlich in den Spots auftauchen. Denn das sollten sie sein: selbstverständlich.

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Leserdiskussion
:Was darf sich Werbung erlauben?

Werbung sollte aufhören, ständig makellose weiße Menschen zu zeigen, fordert unsere Autorin. Vielmehr sollten Firmen viel öfter mit unperfekten Menschen werben, ohne Angst davor zu haben, von "unterbeschäftigten Nörglern" kritisiert zu werden.

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