Werbekampagnen:Eine Lizenz zum Schocken

Kopulierende Puppen, verwesende Zombies oder Jesus mit Fernbedienung: Manche Unternehmen reizen in ihren Werbekampagnen die Geschmacksgrenzen gezielt aus. Denn Rügen des Werberats sind wunderbar PR-wirksam.

Judith Pfannenmüller

Die Rucksackmarke Eastpak setzt ihre Produkte mit verwesenden Zombies in Szene, um die Unverwüstbarkeit ihrer Produkte zu kommunizieren. Coca-Cola fordert für seine neue Brause "Zero" Männer zum zwanglosen Starren auf dralle Dekolletees auf. Und in den Niederlanden handelte sich Sony PlayStation den Vorwurf des Rassismus ein: Das Plakat für die "PlayStation White" zeigt eine Blonde, die einer Schwarzen aggressiv ins Gesicht greift.

Werbekampagnen: axe-Botschaft mittels kompliziert verknoteter Puppen: "Macht Dich locker für die Ladies."

axe-Botschaft mittels kompliziert verknoteter Puppen: "Macht Dich locker für die Ladies."

(Foto: Foto: w&v)

Es scheint, als reizten Werbungtreibende zunehmend Geschmacksgrenzen aus, um ihre Produkte ins Gespräch zu bringen. Dabei schrecken selbst als konservativ geltende Unternehmen nicht vor Schockwerbung zurück - mit dem Ziel, Aufmerksamkeit und PR zu generieren. Schon so manches Motiv landete im ersten Halbjahr vor dem Deutschen Werberat.

Männerduschgel "Thai Massage"

Erst kürzlich erhitzte etwa die Stellung Nr. 62 - der Bambusspalter - die Gemüter: Das Motiv der aktuellen Kampagne für Axe, eine Unilever-Marke, zeigt kompliziert ineinander verknotete Puppen, die für ein neues Männerduschgel namens "Thai Massage" werben. "Macht dich locker für die Ladies" versprechen die Werber von Bartle, Bogle, Hegarty, London.

Es hagelte Beschwerden beim Werberat, die Verkehrsbetriebe in Hamburg und Frankfurt weigerten sich, das Motiv auf S-Bahnen zu kleben. Die Stadt Essen zeigte zwar die Werbung, legte aber schwarze Balken über die Puppen, die eigentlich nur Bein zeigen.

"Konsequente Produktbotschaft"

Was für die einen Aufforderung zum Sextourismus, ist für Tobias Collée, Brandmanager bei Axe Deutschland, die konsequente Umsetzung der Produktbotschaft von Axe.

Die suggeriert der halbstarken männlichen Zielgruppe zwischen 14 und 24 Jahren in immer neuen Variationen, wer nach Axe-Produkten rieche, könne sich Vorteile bei der Balz verschaffen. "Das ist natürlich mit einem ironischen Augenzwinkern verbunden", sagt Tobias Collée.

"Humorverständnis treffen"

Es sei nicht das Ziel zu provozieren, sondern das Humorverständnis der jungen männlichen Zielgruppe zu treffen. "Das kann auch mal polarisieren", so der Axe-Markenverantwortliche.

Eine Lizenz zum Schocken

Der Werberat mochte ebenfalls nichts Sexistisches entdecken, und Axe kann mit den Fehlinterpretationen seiner Kampagne gut leben: Die Marke ist im Gespräch.

Mut zur Konfrontation

Um gezielte Provokation ging es dagegen dem Musiksender MTV: Die beauftragte Agentur Roxy Munich sollte die Pennäler-Humor-Serie Popetown möglichst öffentlichkeitswirksam ins Gespräch bringen. Die Tonalität der Kampagne solle "provokant, frech, dreist" sein und "MTV als Sender präsentieren, der den Mut hat, die Konfrontation mit der Öffentlichkeit einzugehen", heißt es unmissverständlich im Briefing an die Agentur.

Die beiden Kreativen Cornelius Stettner und Henrik Bunzendahl haben ihren Job glänzend erfüllt: Das Motiv zeigte ein leeres Kreuz, im Vordergrund sitzt Jesus mit Fernbedienung vor einem Fernsehgerät und lacht.

Trotz Mohammed-Karikaturen

"Lachen statt rumhängen" forderte der Claim zum Einschalten der Serie auf. Gerade war die Diskussion um die Mohammed-Karikaturen vorangegangen.

Und selbst die Mediaplanung folgte dem Muster der Provokation: Die Anzeigen erschienen kurz vor Ostern - nicht nur in jugendlichen Szenemagazinen, sondern auch in Massentiteln wie TV Movie.

Mittels Aufregung in die Feuilletons

Scharen gläubiger Christen sahen sich erwartungsgemäß verhöhnt und erniedrigt. Und MTV handelte sich eine wunderbar PR-wirksame Rüge des Werberats ein. Die Aufregung nutzten die im Agendasetting erfahrenen Werber, um die inhaltliche Diskussion um die Serie in die Feuilletons zu hieven.

Eine Lizenz zum Schocken

Mit Erfolg: Die erste Ausstrahlung erreichte für MTV Traumquoten mit einem Marktanteil von 6,4 Prozent bei den 14- bis 29-jährigen Zuschauern. Selbst die Älteren wollten Popetown sehen - die Zahl der Zuschauer war doppelt so hoch wie der Senderdurchschnitt im ersten Quartal.

Andere wollen auch gerne unangenehm auffallen

Bunzendahl: "Durch die PR wurde der Mediawert der Kampagne verzehnfacht." Die Agentur erhielt anschließend Anfragen von diversen Unternehmen, die auch gerne unangenehm auffallen wollten.

Auch die Hamburger Agentur Conrad Gley Thieme hat es im Juli mit einem Motiv für den Programmtitel Hörzu vor den Werberat gebracht. Das beanstandete Motiv zeigte einen Managertypen, an dessen Seite eine Afrikanerin mit Tellerlippe steht. "Irgendwann nimmt man nicht mehr irgendwas", texteten die Werber.

Mops und Katze, Frau und Pferd

Zum selben Slogan hatten zuvor ein lesbisches Pärchen, Mops und Katze, Frau und Pferd zusammengefunden und - in der Fachpressekampagne - ein Hammel ein Schwein besprungen.

An dem umstrittenen Motiv Erfolgsmensch-belohnt-sich-mit-schwarzer-Perle wollte der Werberat im Zusammenhang mit der Kampagne allerdings nichts Herabwürdigendes entdecken.

Inszenierung als Qualitätsprodukt

Bleibt die Frage, was die Bilder für die Zeitschrift bewirken, die eine eher gesetzte Klientel bedient. "Es geht darum, Hörzu aufmerksamkeitsstark als Qualitätsprodukt zu inszenieren", erklärt Werbeleiter Thorsten Lührig. Das wird nicht bei allen Lesern verstanden. Lührig will die Kampagne trotzdem weiterführen: "Markenkommunikation muss auch mal polarisieren können."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: