Wer 2019 gefordert ist:Die Entscheider des Jahres

Auf wen muss man in den kommenden Monaten besonders achten? Die SZ stellt drei Frauen und zwei Männer vor, die in der Wirtschaft und in der Politik einiges beeinflussen können - und von denen sehr viel abhängt.

Antreiberin für den digitalen Wandel

Wer 2019 gefordert ist: Muss um ihren Einfluss kämpfen: Staatsministerin Dorothee Bär.

Muss um ihren Einfluss kämpfen: Staatsministerin Dorothee Bär.

(Foto: Getty)

Dorothee Bär hat ein Amt inne, das es bis vor einem Jahr noch nicht gab: Sie ist Staatsministerin für Digitales in der Bundesregierung. Manche, die sich mit den Usancen des Berliner Politikbetriebs nicht auskennen, meinen, sie sei also eine richtige Ministerin: mit großem Apparat, vielen Mitarbeitern, einer mächtigen Behörde. In Bayern, der Heimat der CSU-Politikerin, ist dieses Missverständnis besonders weit verbreitet, denn im Freistaat heißen die Minister der Staatsregierung tatsächlich Staatsminister. In der Bundesregierung aber handelt es sich bei den Staatsministern nur um Regierungsvertreter der zweiten Führungsebene, sie sind Helfer ihrer Minister und tragen in den meisten Ministerien einen nicht ganz so hochtrabenden Titel: Staatssekretär.

Als Digitalisierungsbeauftragte der Regierung muss Dorothee Bär deshalb ohne eigenes Ministerium auskommen. Sie sitzt im Kanzleramt, so wie drei weitere Staatsminister auch, die sich um Kultur, Medien oder die Bund-Länder-Beziehungen kümmern. Mit ihrem kleinen Team kann Bär Dinge anstoßen, aber am Ende haben andere das Sagen: die Kanzlerin, welche sich schon seit vielen Jahren für die Industrie 4.0 interessiert; der Kanzleramtsminister Helge Braun, welcher in der Regierungszentrale der zweitmächtigste Mensch nach Angela Merkel ist; und die Minister all jener Häuser, die sich ebenfalls für die Digitalisierung zuständig fühlen, insbesondere die Ressorts für Verkehr, Wirtschaft und Arbeit.

Und doch könnte 2019 für die Staatsministerin Dorothee Bär mehr Macht und Einfluss bringen, weil die große Koalition nach ihrem verunglückten Start nun sehr viel stärker auf die Digitalisierung setzen will; auf jenes Thema also, das häufiger als jedes andere im Koalitionsvertrag steht. Der Digital-Gipfel der Regierung, der Anfang Dezember in Bärs fränkischer Heimat stattfand, war dafür ein guter Auftakt. Und nun geht es darum, 2019 möglichst viel auf den Weg zu bringen: bei künstlicher Intelligenz und Blockchain, bei der elektronischen Patientenakte und der Förderung von Start-ups. Bär eckt dabei auch gern mal an, immer wieder fordert sie zum Beispiel, den Datenschutz zu lockern - was ihr regelmäßig Kritik einbringt. Aber sie hält dagegen und wirbt dafür, bestehende Strukturen zu hinterfragen: "Zum Glück zwingt uns die Digitalisierung, alle Systeme infrage zu stellen und auch mal zu überlegen, ob tatsächlich alles noch zeitgemäß ist, was sich im Lauf der Jahre eingeschliffen hat". ULRICH SCHÄFER

Der Herr der Netze

Wer 2019 gefordert ist: Jochen Homann versteigert die Frequenzen für den 5G-Mobilfunk.

Jochen Homann versteigert die Frequenzen für den 5G-Mobilfunk.

(Foto: dpa)

Von seinem Amt hängt die Zukunft des schnellen Internets ab: Jochen Homann leitet seit knapp sieben Jahren die Bundesnetzagentur. Sie ist zuständig, wenn der Staat in diesem Frühjahr erste Frequenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G versteigern wird. Diese Technik soll Daten fast in Echtzeit übertragen, wenn Autos künftig autonom fahren oder Roboter in den Fabriken funken werden. "Uns geht es nicht darum, möglichst viel Geld einzunehmen", sagt Homann.

Seine Behörde gibt vor, wie schnell die Mobilfunkanbieter ihr Netz aufs Land, an Autobahnen und Bahnstrecken bringen müssen. Ein Spagat: Während Politiker über den Beirat der Netzagentur auf einen flächendeckenden Ausbau dringen, klagen die Unternehmen gegen die ihrer Ansicht nach zu strikten Auktionsbedingungen. Doch Homann kennt sich mit Kompromissen aus, seine Behörde hat schon viele solcher Prozesse gewonnen. Die Netzagentur ist einst aus dem Bundespostministerium hervorgegangen: Sie legt fest, wie stark die Post in diesem Jahr das Porto erhöhen darf. Sie reguliert, wie viel Geld die Bahn für die Nutzung ihrer Schienen verlangen darf. Oder zu welchem Preis die Telekom Anschlüsse an Konkurrenten vermieten muss.

An der Spitze der Behörde steht ein Niedersachse, der in Hamburg Volkswirtschaft studierte und von 1982 an im Bundeswirtschaftsministerium Karriere machte. Vier Jahre lang war Homann dort Staatssekretär, bevor er Chef der Netzagentur wurde. Der Vater dreier Kinder hält den Wettbewerbsgedanken hoch. Unverständlich sei etwa, wie wenige Stromkunden hierzulande ihren Anbieter wechselten, sagte Homann kürzlich. Dabei könne man damit oft viel Geld sparen. Seine Behörde plant auch, wo Stromtrassen entstehen sollen. "Mit dem Netzausbau steht und fällt die Energiewende", sagte Homann im vergangenen Jahr. Doch beschwerten sich auch bei seiner Netzagentur derart viele Menschen über geplante Leitungen in ihrer Nähe, dass er damit "die Wände pflastern" könnte, scherzte der 65-Jährige.

Öffentlich zeigt sich seine Behörde gern dem Verbraucherschutz verpflichtet: So hat sie etwa - nach etlichen Beschwerden - hohe Bußgelder gegen Vermittler von Strom- und Gasverträgen verhängt, die den Kunden mit "Telefonterror" auf die Nerven gegangen seien. Oder kürzlich: Da mahnte die Netzagentur zur Vorsicht bei Spielzeugen, die heimlich Töne und Bilder von Kindern aufnehmen könnten. BENEDIKT MÜLLER

Gesucht: eine Portion Optimismus

Wer 2019 gefordert ist: Sie galt als Star der IT-Industrie: Facebook-Managerin Sheryl Sandberg. Doch jetzt hat sie nach den Vorwürfen des Datenmissbrauchs viele Probleme zu bewältigen.

Sie galt als Star der IT-Industrie: Facebook-Managerin Sheryl Sandberg. Doch jetzt hat sie nach den Vorwürfen des Datenmissbrauchs viele Probleme zu bewältigen.

In gut zwei Wochen wird Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg in Deutschland erwartet. Auf der Digitalkonferenz DLD in München soll sie eine Rede halten. Es dürfte natürlich um die Digitalisierung gehen. Aber auch um Mut und Optimismus, das Thema der diesjährigen Konferenz. Mut und Optimismus wird Sandberg wohl auch selber brauchen, um Facebook durch dieses Jahr zu steuern - und um sich selbst in diesem Unternehmen zu behaupten.

Denn Facebook, dieser riesige Social-Media-Konzern mit mehr als zwei Milliarden Nutzern weltweit, steckt tief in der Krise. Im vergangenen Jahr war beinahe wöchentlich von Skandalen um die Weitergabe sensibler Nutzerdaten zu lesen. Und immer wieder war es Sheryl Sandberg, die im Zentrum der Kritik stand. Ungewohnt für die 49-Jährige, die bislang für die wirtschaftlichen Erfolge gefeiert wurde. Gründer Mark Zuckerberg hatte sie 2007 ins Unternehmen geholt. Die Harvard-Absolventin hatte zuvor unter anderem bei Google gearbeitet und dort die Vermarktung der Online-Anzeigen vorangetrieben. Ähnliches sollte sie bei Facebook tun. Und sie tat das so erfolgreich, dass der Konzern heute riesige Summen mit personalisierten Anzeigen verdient.

Was Facebook dagegen weniger ernst zu nehmen scheint, ist der Schutz der Nutzerdaten. Zumindest legen die jüngsten Skandale das nahe. So landeten die Daten von 87 Millionen Facebook-Usern bei der Analysefirma Cambridge Analytica, die unter anderem für das Wahlkampfteam des damaligen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump arbeitete. In andere Skandale soll Sandberg sogar persönlich involviert gewesen sein. Sie soll Mitarbeiter angewiesen haben, finanzielle Interessen des Investors George Soros zu überprüfen. Zuvor war bekannt geworden, dass Facebook eine PR-Agentur beschäftigt hatte, um Kritiker wie Soros in ein schlechtes Licht zu rücken.

Fraglich ist, wie brenzlig die vielen Vorwürfe gegen Facebook auch für Sandberg selbst werden könnten. Im Fall von Cambridge Analytica soll Zuckerberg sie intern scharf kritisiert haben. Zuletzt stellte sich der Mehrheitseigentümer jedoch demonstrativ hinter die Managerin. "Sheryl ist ein wichtiger Teil dieses Unternehmens und treibt eine Menge voran, um einige der wichtigsten Probleme, die wir haben, zu adressieren", sagte er im November dem Sender CNN. Er sei stolz auf das, was man gemeinsam erreicht habe. "Und ich hoffe, dass wir noch viele Jahrzehnte zusammenarbeiten werden."

Das klingt nicht nach Abschied. Sollte Facebook aber die Probleme nicht bald in den Griff bekommen, dürften die Rufe nach Konsequenzen wieder lauter werden. Sandberg wird Mut und Optimismus brauchen können. JAN SCHMIDBAUER

Der Prophet, der vielleicht irrte

Wer 2019 gefordert ist: Werner Baumann hat sein ganzes Berufsleben für Bayer gearbeitet. Nun will er den Konzern radikal verändern. Es ist vielleicht sein härtester Kampf.

Werner Baumann hat sein ganzes Berufsleben für Bayer gearbeitet. Nun will er den Konzern radikal verändern. Es ist vielleicht sein härtester Kampf.

(Foto: dpa)

Es war eine vollmundige Ankündigung, die Werner Baumann im September 2016 machte. In einem Video erläuterte der Vorstandschef von Bayer die Übernahme des US-Wettbewerbers Monsanto. Kein Superlativ schien zu klein zu sein für den 63 Milliarden Dollar schweren Kauf, den teuersten, den ein deutscher Konzern je wagte. Baumann sprach von einem "historischen Tag". Die Übernahme sei gut für Kunden, Landwirte, Aktionäre und Mitarbeiter, prophezeite er. Bayer sei eines der "angesehensten und vertrauenswürdigsten" Unternehmen der Welt.

Mehr als zwei Jahre ist das her. Mag sein, dass die Bilanz in fünf, zehn oder 50 Jahren anders ausfällt, aber bislang hat Baumann, 56, wenig geliefert. Die Prophezeiung wirkt heute geradezu großspurig und vermessen. Das Ansehen von Bayer hat gelitten und das Vertrauen in den Dax-Konzern ist erschüttert. Der Kurs der Aktie ist im Jahresverlauf 2018 um gut 40 Prozent auf knapp 61 Euro eingebrochen. Es ist ein Maß, das Baumann versteht. Er ist ein Mann, der rechnet, jedes Argument stattet er mit Zahlen aus. 1988 nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften fing er bei Bayer im Ressort Konzernfinanzen an. Er ging nach Spanien und in die USA. Anfang 2010 wurde er Finanzchef und dann Anfang Mai 2016 Vorstandschef. Nicht alle seine Rechnungen sind aufgegangen.

Schon der Vollzug der Monsanto-Übernahme zog sich länger hin als von Baumann angekündigt, und Bayer musste auf Druck der Kartellbehörden mehr Geschäft abgeben als geplant. Mit der Übernahme hat sich Bayer jede Menge Ärger eingekauft. Wie kein anderer Konzern steht Monsanto für das Herbizid Glyphosat, das viele Menschen für ihre Erkrankung verantwortlich machen. In einem ersten Urteil hat ein Geschworenengericht in den USA dem krebskranken Hausmeister Dewayne Johnson zunächst 289 Millionen Dollar zugesprochen. Später kürzte die Richterin die Summe auf 78 Millionen Dollar. Baumann hält das Urteil für falsch. Es wird ein langer Kampf. In den USA laufen mehr als 9300 Klagen.

Monsanto wäre nicht die erste Enttäuschung. Es gab andere Zukäufe, die Baumann zumindest als Finanzchef mitgetragen hat, etwa den Kauf des Geschäfts mit rezeptfreien Produkten wie die Fußpflegemarke Dr. Scholl's vom US-Konzern Merck oder die Übernahme von Conceptus, dem Hersteller der umstrittenen Verhütungsspirale Essure. Bayer muss Milliarden auf diverse Zukäufe abschreiben.

Ende November kündigte Baumann ein radikales Programm an, das Bayer effizienter machen soll. Wieder Ankündigungen, Zahlen und Prognosen. Baumann muss endlich liefern. Es geht um viel, um die Krönung seiner Karriere oder ein böses Ende.ELISABETH DOSTERT

Die Frau, die auf Juncker folgen könnte

Wer 2019 gefordert ist: Margrethe Vestager hat als EU-Kommissarin für Wettbewerb Respekt und Anerkennung erworben. Deshalb wird die Dänin nun auch für höhere Ämter gehandelt.

Margrethe Vestager hat als EU-Kommissarin für Wettbewerb Respekt und Anerkennung erworben. Deshalb wird die Dänin nun auch für höhere Ämter gehandelt.

(Foto: Reuters)

Kann sein, dass dies ihr letztes Jahr in Brüssel ist. Kann aber auch sein, dass es jetzt für sie erst richtig losgeht. Margrethe Vestager, 50, EU-Kommissarin für Wettbewerb, hat sich mit den mächtigsten Konzernen dieser Welt angelegt. Mit Google und Facebook, Apple und Amazon. Die Dänin hat es geschafft, dass die Europäische Union nicht mehr ganz so wehrlos erscheint gegenüber den Tech-Giganten aus dem Silicon Valley. Vestager steht für ein Europa, das für seine Werte kämpft. Und für ein Europa, das Bürger und Unternehmen schützt. Kein Wunder, dass sie für höhere Ämter gehandelt wird.

Geht es etwa nach Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, könnte die liberale Politikerin Kommissionschef Jean-Claude Juncker an der Spitze der Brüsseler Behörde folgen. Ob es dazu kommt, ist völlig offen. Alles hängt davon ab, wie die Europawahl im kommenden Mai ausgehen wird. Denn am Ende wählt das EU-Parlament den neuen Kommissionspräsidenten. Mit ziemlicher Sicherheit dürfte die Europäische Volkspartei (EVP) wieder die stärkste Fraktion stellen. Sollte es ihrem Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) aber nicht gelingen, eine Mehrheit hinter sich zu versammeln, könnte Vestagers große Stunde schlagen. Zusammen mit Macrons En-Marche-Bewegung könnten Europas Liberale eine Allianz mit Grünen und Sozialdemokraten eingehen, um einen konservativen Kommissionschef Weber zu verhindern, der von Ungarns Premier Viktor Orbán unterstützt wird.

Vestagers Problem ist allerdings, dass sie nicht für das Europäische Parlament kandidiert und auch keine liberale Spitzenkandidatin ist. Das gilt so manchen Abgeordneten als Affront, schließlich wäre sie nicht demokratisch gewählt. Macron und den liberalen Premierministern der Benelux-Staaten dürfte das aber herzlich egal sein; sie pochen darauf, dass die Staats- und Regierungschefs bei der Besetzung europäischer Spitzenposten das entscheidende Wort haben. Schließlich ist Junckers Nachfolge nicht der einzige Top-Job, den es nach der Europawahl zu besetzen gilt. Gesucht werden außerdem ein neuer EU-Ratspräsident, ein neuer EU-Parlamentspräsident sowie ein neuer Chef der Europäischen Zentralbank.

Als liberale Frau, die es versteht, die Bürger für Europa zu begeistern, hat Vestager gute Chancen, in diesem Personal-Karussell zum Zuge zu kommen. Vorausgesetzt Dänemarks Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen legt kein Veto ein. Er gehört einer anderen Partei als Vestager an und hat schon klargemacht, dass er sie nicht noch mal als Kommissarin nach Brüssel schicken will. Ob er auch etwas dagegen hat, wenn eine Dänin an der Spitze der mächtigsten Behörde Europas stehen könnte? Dazu hat er sich noch nicht geäußert. ALEXANDER MÜHLAUER

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