Wendelin Wiedeking:Tränen beim Abschied

Wolfgang Porsche bricht die Stimme, Wendelin Wiedeking kämpft mit den Tränen und die Mitarbeiter weinen mit ihm - die Betriebsversammlung bei Porsche ist beherrscht von Emotionen.

Beim Abschied der Porsche-Beschäftigten von ihrem Chef Wendelin Wiedeking strömt der Regen und die Tränen fließen - nicht nur bei den Mitarbeitern. Die wohl emotionalste Rede hält Porsche-Miteigentümer Wolfgang Porsche vor rund 5000 Mitarbeitern aus den Standorten im Großraum Stuttgart. Weitere 4000 verfolgen den Auftritt in Leipzig und Weissach auf Monitoren.

Wendelin Wiedeking, dpa

Der Abschied von Porsche tut Wendelin Wiedeking "in der Seele weh". Er bittet die Mitarbeiter bei der Betriebsversammlung, seinem Nachfolger Michael Macht zu vetrauen.

(Foto: Foto: dpa)

Im grauen Anzug tritt Porsche im Innenhof des Stammwerks in Stuttgart-Zuffenhausen ans Rednerpult und beschreibt offenherzig das hinter ihm liegende Ringen um die Zukunft der Stuttgarter Sportwagenschmiede. Das Unternehmen habe unruhiges Fahrwasser hinter sich. "Ich hätte Ihnen gern die ein oder andere Turbulenz erspart", sagt er sichtlich getroffen.

In den Vordergrund stellt der Aufsichtsratsvorsitzende von Porsche die Verdienste von Wiedeking: Er und Finanzchef Holger Härter hätten nicht nur "wie die Löwen" für ihr Zukunftskonzept mit Kapitalerhöhung und Einstieg eines Investors gekämpft, das sich schließlich auch durchgesetzt hat. Wiedeking, der 1993 an die Spitze von Porsche rückte, habe Porsche aus der Not in Höhen geführt, die niemand vorher für möglich gehalten habe.

Zu diesem Zeitpunkt bricht dem 66-Jährigen die Stimme, und er rückt die Brille zurecht, um seine Gefühle zu verbergen. Da öffnen sich auch bei den Mitarbeitern die Schleusen. Unter den Regenschirmen reiben sich zwei Mitarbeiterinnen verschämt die Tränen aus den Augenwinkeln, und einem jungen Kollegen zuckt es verdächtig um die Augen.

"Machen Sie sich keine Sorgen um ihre Arbeitsplätze"

Wie Balsam auf die Wunden der stolzen Mitarbeiter des Nobelherstellers wirkt da die Zusicherung Wolfgang Porsches, ihr Unternehmen habe eine eigenständige Zukunft - allerdings als Teil der großen VW-Familie. Und: "Machen Sie sich keine Sorgen um ihre Arbeitsplätze." Mit brechender Stimme ruft er ihnen zuletzt zu: "Der Mythos Porsche lebt und wird nie untergehen."

Auch Betriebsratschef Uwe Hück berichtet von einem Brief von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche, die darin die Eigenständigkeit der Porsche AG zusichern.

Nachdem aus den kürzlich angedrohten Protesten und Werksbesetzungen gegen eine Übernahme durch VW nichts geworden ist, kämpft Hück noch ein letztes Rückzugsgefecht gegen VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch; mit Blick auf die von diesem betriebene Übernahme von Porsche und die Abkehr von Wiedeking flicht er immer wieder ein: "Das war unanständig."

Applaus, Pfiffe und "Wendelin"-Rufe

Die Emotionen wogen hoch, als Wiedeking als letzter Redner ans Pult schreitet: Applaus, Pfiffe, "Wendelin"-Rufe genießt der 56-Jährige noch einmal. Das sei nichts Außergewöhnliches, sondern die übliche Begrüßung für den Chef, erläutert ein 45-jähriger Monteur. Er und andere Porscheaner loben die Offenheit und Ehrlichkeit Wiedekings.

Umso größer das Bedauern. "Er hat uns aus der Krise geholt", sagt etwa der 38-jährige Ewald Pfurtscheller aus der Werksreparatur traurig. Aber er verspürt wie andere Kollegen auch Erleichterung, dass "nach dem Kasperle-Theater der vergangenen Wochen" endlich Klarheit über die Zukunft seiner Firma herrscht.

Wiedeking erzählt, seine Entscheidung abzutreten, sei am vergangenen Wochenende gereift. Ihm sei klar geworden: "Es muss aufhören mit der Beschädigung von Porsche. Ihr habt das nicht verdient." Der Schritt sei ihm nicht leicht gefallen, gibt er unumwunden zu: "Es tut mir in der Seele weh."

Er empfiehlt den Beschäftigten, sich auf seinen Nachfolger und beruflichen Ziehsohn Michael Macht zu verlassen. Der neue Porsche-Chef werde das Unternehmen in eine gute Zukunft führen.

Am Schluss seiner Ansprache wird das Unwetter über Zuffenhausen unerträglich. Den vor den Regenmassen flüchtenden Mitarbeitern gibt er noch mit auf den Weg, dass er mit der Hälfte seiner Abfindungssumme von 50 Millionen Euro eine Stiftung zum Wohl aller Porsche-Standorte gründet. Er wolle den Beschäftigten etwas zurückgeben: "Denn ohne Euch wäre ich nichts."

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