Weltwirtschaftsforum in Davos:Sinnsuche im Schnee

Kongresszentrum Weltwirtschaftsforum Davos

Das Kongresszentrum im Skiort Davos.

(Foto: AFP)

Ist das Schlimmste wirklich schon überstanden? Vor einem Jahr beherrschte die Angst um den Euro die Diskussionen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Inzwischen hat sich die Stimmung gedreht - das neue Ziel: die Welt verbessern.

Von Caspar Busse und Lutz Knappmann

Am vergangenen Wochenende gehörte Davos noch den jungen Sportlern: Die besten Snowboarder der Welt zeigten in den Bergen Graubündens ihre atemberaubenden Tricks und ihre waghalsigen Sprünge. Am Ende lag eine erst 14-jährige Japanerin ganz vorn beim sogenannten Big-Air-Event, am Saisonende wird dann der Big-Air-Champion gekürt.

Jetzt aber heißt es in Davos erst mal: Big Business statt Big Air. 2500 Experten aus aller Welt - Firmenlenker, Wissenschaftler, Politiker - kommen zum alljährlichen Weltwirtschaftsforum in den verschneiten Schweizer Kurort, dem Thomas Mann mit seinem Roman "Zauberberg" ein Denkmal setzte. Unter der sperrigen Überschrift "Widerstandsfähige Dynamik" (Resilient Dynamism), werden die Gipfel-Teilnehmer über die Lage der Weltwirtschaft diskutieren und nach Lösungen suchen. "Den Zustand der Welt verbessern", lautet der wenig bescheidene Anspruch von Klaus Schwab, 74, Chef der Davoser Veranstaltung, der vor 43 Jahren begonnen hat, das Forum aufzubauen.

Die Themen haben sich gewandelt. Vor einem Jahr beherrschte die Angst um den Euro die Diskussionen. Angelsachsen und Europäer standen sich unversöhnlich gegenüber. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der britischen Regierungschef David Cameron - die beiden werden auch in diesem Jahr auftreten - gerieten aneinander. Die zahlreich in Davos vertretenen Amerikaner forderten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) nach US-Vorbild die Schleusen öffnen sollte, um endlich die Krise in den Griff zu bekommen. Das Ganze sei, als ob im Schlafzimmer ein Todkranker liege und keiner die Medizin aus dem Schrank im Badezimmer hole, schimpfte damals ein US-Firmenchef.

Es war EZB-Chef Mario Draghi, der dann im vergangenen Sommer die Medizin verabreichte, die EZB kaufte Staatsanleihen. Sein Versprechen, den Euro zu erhalten, koste es, was es wolle, hat vorerst für Ruhe gesorgt. Doch ist die Krise wirklich überwunden? Oder wiegt sich Europa in trügerischer Sicherheit?

"Statt im Pessimismus zu versinken und uns durch das Krisenmanagement völlig zu verausgaben, müssen wir auf positivere, konstruktivere, in anderen Worten viel dynamischere Weise in die Zukunft blicken", fordert Forumsgründer Schwab.

Wird das gelingen? Es gibt skeptische Stimmen. "Die nächsten Krisen zeichnen sich ab", warnt Nobelpreisträger Joseph Stiglitz in der Schweizer Handelszeitung. Das größte Risiko sieht er nach wie vor in Europa. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) sagt bereits einen deutlichen Anstieg der weltweiten Arbeitslosigkeit für 2013 voraus (siehe unten).

Auch die Weltbank macht in ihrem jüngsten Konjunkturausblick wenig Hoffnung auf Dynamik: Das globale Wachstum sei insgesamt noch "sehr wackelig und unsicher", sagte Weltbankchef Jim Yong Kim, auch er wird in Davos erwartet. Die anhaltende Schwäche in den Industrienationen trübe die Aussichten. Die Krise in Europa und der ungelöste Haushaltsstreit in den USA seien die größten Hemmnisse. Doch aus den Äußerungen der Weltbank ist auch Positives herauszulesen: Europa, stellt das Institut fest, sei auf dem richtigen Weg aus der Krise.

Vertrauen hat sich "dramatisch verbessert" - und nun?

Das Vertrauen in Europa habe sich "dramatisch verbessert", weil die Staaten und die EZB die richtigen Schritte unternommen haben. Von einer Pleite oder einem Euro-Austritt Griechenlands ist derzeit keine Rede mehr, ebenso wenig von einem Kollaps Italiens oder Spaniens. Stattdessen streiten sich Europas Finanzpolitiker darüber, ob das hochverschuldete Zypern systemrelevant ist oder nicht. Von der Hysterie vergangener Monate ist wenig zu spüren.

Die Signale sind unterschiedlich, nicht zuletzt in Deutschland, das von den Verwerfungen an den Finanzmärkten bislang noch wenig gespürt hat. Deutsche Konzerne melden gute Geschäfte. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble konnte sich 2012 über einen, wenn auch winzigen Haushaltsüberschuss freuen. Das sieht nach robuster Dynamik aus. Doch zugleich mehren sich Hinweise auf einen Abschwung: Das Wachstum hat sich 2012 abgekühlt, im letzten Jahresquartal schrumpfte die Wirtschaft sogar um 0,5 Prozent.

Unter deutschen Vorstandschefs herrscht aber Optimismus, mehr als bei ihren internationalen Kollegen. Das zeigt eine Umfrage der Wirtschaftsprüferfirma Price-Waterhouse (PWC) unter 1330 internationalen Managern, die am Dienstag in Davos vorgestellt wurde. Danach blickt fast jeder zweite deutsche Unternehmenschef zuversichtlich auf die kommenden drei Jahre. Innovationsstarke Unternehmen aus Deutschland hätten eine große Chance, sich vom allgemeinen Trend abzukoppeln, sagt Norbert Winkeljohann, Chef von PWC in Deutschland. Dazu kommt, dass Deutschland aus Sicht des internationalen Topmanagement einer der wichtigsten Wachstumsmärkte weltweit bleibt - hinter China, den USA und Brasilien. Trügerische Ruhe also?

Unternehmen und Finanzmärkte werden aufmerksam hören, welche Signale von Davos ausgehen. Kanzlerin Merkel, der britische Premier Cameron, Italiens Ministerpräsident Monti und EZB-Chef Draghi kommen in die Berge - ihre Worte werden mitbestimmen, ob der eigentümliche Frieden anhält oder die Angst zurückkehrt. Das aber hieße dann: Big Trouble für Big Business.

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