Süddeutsche Zeitung

Weltwirtschaft:Wenn Reich auf Arm trifft

Der Internationale Währungsfonds fordert, globale Handelsstreitigkeiten zu entschärfen. Das soll Wohlstand für alle bringen. Wie schwer der Weg dahin ist, wird ausgerechnet in Bali deutlich, wo der IWF tagt.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die von US-Präsident Donald Trump propagierte America-First-Politik gefährdet weltweit die wirtschaftliche Entwicklung. Sollte der von Trump angezettelte Handelsstreit eskalieren, werde das Vertrauen der Anleger untergraben und das Wirtschaftswachstum gebremst, warnte Victor Gaspar, Chef der Finanzabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Mittwoch in Nusa Dua. Auf der indonesischen Insel Bali treffen sich bis Sonntag Finanzexperten, Banker und Minister zur Herbsttagung von IWF und Weltbank.

Gaspar stellte zu Beginn den Bericht zur Finanzmarktstabilität vor. Danach sind vor allem für Schwellenländer gefährdet. Weil die Zinsen in den USA und Großbritannien wieder stiegen, würden wirtschaftliche Schwachstellen sichtbar, die bislang wegen der niedrigen Zinsen verdeckt gewesen wären, sagte er. Seit sechs Monaten steige das Risiko, dass Anleger ihr Kapital aus Schwellenländer abziehen.

Für die Euro-Zone erwartet der IWF ab Mitte 2019 eine Trendumkehr bei den Zinsen. Das löst bei der Bundesregierung keinen Jubel aus. Einem Bericht der Bild zufolge lässt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) prüfen, ob der Bundeshaushalt für das Ende der Nullzinspolitik gerüstet ist. Es geht vor allem um die Frage, ob die Schwarze Null, also der ausgeglichene Haushalt, bei einer "Normalisierung des Zinsumfeldes" zu halten ist. Scholz wird am Donnerstag auf Bali erwartet.

Es zeichnet sich ab, dass das Treffen auf Bali weniger gut besucht sein wird als die üblichen IWF-Treffen in Washington. Die Delegationen sind kleiner, Chefs lassen sich vertreten. Der Tagungsort stößt auf Kritik, auch, weil der Unterschied zwischen der wohlhabenden Finanzelite und dem armen Land krass ausfällt. Indonesien erwirtschaftet im Jahr 2018 ein Bruttoinlandsprodukt von geschätzt 1,07 Billionen US-Dollar. Das entspricht der Finanzkraft des IWF. Um seine Glaubwürdigkeit zu erhöhen, hat der IWF einen Spendenaufruf für die von Erdbeben und Tsunami betroffenen Regionen Lombok und Sulawesi gestartet. Die Delegationen sollen sich an der Finanzierung von Hilfslieferungen beteiligen. Nach den Naturkatastrophen hatte der IWF erwogen, die Tagung auf der indonesischen Insel abzusagen, auf Bitten der Regierung in Jakarta davon abgesehen.

Umso mehr bemühen sich die Veranstalter um Normalität. Die Welthandelsorganisation WTO warnte zum Auftakt vor den Folgen eines "ausgewachsenen Handelskrieges", insbesondere zwischen den USA und China. Dies könnte das internationale Handelsvolumen um 17,5 Prozent schmälern und die weltweite Wirtschaftsleistung um durchschnittlich 1,9 Prozent drücken, sagte WTO-Präsident Roberto Azevêdo. IWF-Chefin Christine Lagarde präsentierte einen Vorschlag zur Güte. Sie zitierte den als "Gründervater des Kapitalismus" bezeichneten Ökonomen Adam Smith. In seinem Werk "Wohlstand der Nationen" habe Smith beschrieben, wie schwierig es sei, gute Handelssysteme aufzubauen. Auch die heutige Politikergeneration werde daran gemessen, ob sie es verstehe, ein System aufzubauen, das allen Beteiligten nütze, sagte Lagarde. Man konnte das als Kritik an Trump verstehen, aber auch als Aufforderung an die Handelspartner, aufeinander zuzugehen.

Lagarde stellte dazu einen dreistufigen Plan vor. "Zuerst müssen wir die aktuellen Handelskonflikte deeskalieren und eine konstruktive Diskussion übergehen". Sie sei optimistisch, da sie "den Appetit" verspüre, den Handel zu verbessern und auszuweiten. Sie verwies auf "den Fortschritt", den es bei dem neu ausgehandelten Abkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada gebe. Es war wohl das erste Mal, dass Trump für einen Handelsdeal so etwas wie Lob ausgesprochen bekam.

Zudem will Lagarde das Welthandelssystem verbessern. Man müsse prüfen, welche staatlichen Subventionen unfair seien, geistiges Eigentum schützen und dafür sorgen, dass wahrer Wettbewerb stattfinde und marktdominierende Positionen vermieden würden. Wer wollte, konnte darin Kritik an China herauslesen. Oder auch am deutschen Handelsbilanzüberschuss.

In das modernisierte Welthandelssystem gehören nach Ansicht des IWF künftig exakte Regeln für das Internetgeschäft und andere handelbare Dienstleistungen. Ausdrücklich warb Lagarde für plurilaterale Abkommen innerhalb der WTO-Regeln. Das sind Verträge, die mehrere Staatenverbünde untereinander abschließen, um in bestimmten Bereichen voranzugehen.

Schließlich empfiehlt der IWF, national dafür zu sorgen, dass alle Bürger vom Handel profitieren. Handel habe dazu geführt, dass Unternehmen effizienter produzierten, sich neue Technologien verbreiteten und Waren erschwinglich würden, sagte Lagarde. "Hier in Asien hat der Handel geholfen, die weltgrößte Mittelklasse zu schaffen". Andererseits seien manche Arbeiter und manche Gruppen überdurchschnittlich von den negativen Folgen der weltweiten Veränderungen betroffen, etwa über Jobverluste oder niedrige Einkommen. Hier müsse ein soziales Sicherheitsnetz gespannt werden - der IWF sei bereit, seine Mitglieder dabei zu unterstützen.

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SZ vom 11.10.2018
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