Süddeutsche Zeitung

Inflation:Panini-Bilder werden teurer

Für ein Tütchen müssen die Fußballfans vor der WM 2022 einen Euro auf den Tisch legen. Wie teuer es wird, das ganze Album zu füllen, hat ein Professor ausgerechnet.

Von Kathrin Werner, München

Hach, das waren noch Zeiten, die WM 1990. Man hat sein Taschengeld zusammengekratzt für eine neue Tüte Panini-Bilder. Wie groß die Freude war, wenn ein deutscher Spieler samt Schnauzer und Vokuhila unter den Sammelbildchen war. Oder vielleicht das Bild vom WM-Pokal selbst, goldfarben auf silbernem Grund, das man auf die erste Seite kleben konnte. Oder tauschen: Ein Klinsmann gegen fast die ganze rumänische Mannschaft. Und dann warten bis zum nächsten Taschengeld.

Wer mit Menschen über Panini-Sammelalben spricht, hört Nostalgie nach einer Zeit, in der es zum Glück reichte, ein Printprodukt in ein anderes Printprodukt zu pappen. Viele erinnern sich an ihr erstes Mal: WM 1978. Oder 1986 in Mexiko. An die Schulhof-Tauschbörse. Das Sparen oder Anbetteln der Oma, um am Ende noch die letzten fehlenden Bildchen bei Panini zu bestellen. Heute ist das anders. Heute muss man schon eine ganze Menge Taschengeld sparen, um ein Sammelalbum zu füllen. Genauer gesagt: gut 1000 Euro.

Die Inflation hat auch das Panini-Album erwischt, das seit 1970 jede WM mit Stickern begleitet. Ein Tütchen mit fünf Karten kostet in diesem Jahr einen Euro. Bei der WM in Russland vor vier Jahren waren es nur 90 Cent, bei der EM 2016 nur 70 Cent.

Insgesamt gibt es für die WM in Katar 670 Karten, sie zeigen die 32 Mannschaften und 50 Sondermotive, etwa die Stadien. Würde man also extremes Glück haben - die Wahrscheinlichkeit tendiert gegen null - und nie eine Karte bekommen, die man bereits hat, müsste man nur 135 Tüten kaufen und also 135 Euro ausgeben.

Wie viele Tütchen man wirklich braucht, ist eine mathematische Frage, die die Wahrscheinlichkeitsrechnung beantwortet, wie Paul Harper von der britischen Cardiff University schon für die vergangene Weltmeisterschaft durchgerechnet hat. "Der erste Sticker, den man kauft, ist mit absoluter Garantie keine Doppelung", erklärte der Mathematikprofessor. Ab der zweiten Karte sinkt die Wahrscheinlichkeit, zuerst auf 669/670, also 99,85 Prozent, dann auf 668/670, also 99,7 Prozent, und so weiter. Die Wahrscheinlichkeit, eine Karte zu bekommen, die man noch nicht hat, sinkt so rapide, dass man noch gut die Hälfte des Tütchenkaufens vor sich hat, wenn nur noch 19 Karten fehlen. Wer nur noch einen Sticker braucht, um sein Album fertigzustellen, bekommt mit einer Wahrscheinlichkeit von 669:1 Sticker, die er schon hat.

Ergebnis: Rechnerisch müsste man rund 5000 Karten kaufen, um alle 670 Exemplare zu bekommen. Das ergibt rund 1000 Euro, die sich wohl kaum noch ein Taschengeld beziehender Mensch leisten kann. Ein durchschnittlicher Bauarbeiter in Katar, der mitgeholfen hat, die Fußballstadien für den dort üblichen Billiglohn zu errichten, müsste laut einer Recherche der britischen Zeitung Guardian fast 2000 Stunden dafür arbeiten.

Zum Vergleich: Ein Panini-Album im Jahr 2016 komplett zu befüllen, kostete laut Harper nur 522,90 Euro. Glücklicherweise müssen Sammler, die sich trotz Inflation an ein Panini-Heft wagen, nicht alle Sticker selbst kaufen. Tauschgeschäfte, ob auf dem Schulhof oder bei Internetbörsen, sind normal. Eine Möglichkeit, die beim Einkauf im Supermarkt oder bei der Gasrechnung verwehrt bleibt.

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