Süddeutsche Zeitung

Weltmarktführer:Vom Jäger zum Gejagten

Der Weg zum Weltmarktführer ist hart: Unternehmen aus dem Mittelstand schaffen es nur mit Mut und Ausdauer, sich an der Spitze zu halten.

Elisabeth Dostert

Der Umzug im Forschungsgebäude der Firma Bürkert im schwäbischen Ingelfingen ist in vollem Gange. Eine Mitarbeiterin klaubt noch ein paar Stifte von ihrem Schreibtisch, andere schieben schon ihren Rollcontainer auf den neuen Platz im Großraumbüro. Umzug ist alle paar Monate. "Immer wenn ein Projekt abgeschlossen ist, werden die Teams neu gemischt. Das erhöht Kreativität und Innovationskraft", sagt Heribert Rohrbeck, 48, Chef des Mittelständlers.

"Blaukittel und Weißkittel arbeiten eng zusammen." Rohrbeck duldet keine eingefahrenen Prozesse, schon gar nicht in der Wirtschaftskrise. "Bewegliche Ziele sind schwerer zu treffen. Gerade jetzt im Verdrängungswettbewerb muss man schnell reagieren", sagt Rohrbeck.

Die Produkte von Bürkert messen, regeln und steuern Gase und Flüssigkeiten. Sie stecken zum Beispiel in Kühlaggregaten, Zahnarztstühlen, Zapfsäulen oder Wasseraufbereitungsanlagen. "Wir sind in vielen Nischen Marktführer. Aber wir konkurrieren gegen Konzerne mit mehreren zigtausend Beschäftigten. Differenzierung ist unsere einzige Überlebens- und Wachstumschance." 2008 setzte die Gruppe mit weltweit 2000 Mitarbeitern 326 Millionen Euro um. "Wenn wir etwas machen, versuchen wir es komplett zu machen", so Rohrbeck. Die Produktion findet weitgehend in der Region statt.

Den Kunden zuhören

Rohrbeck greift nach einem Pipettiergerät für Blutanalysen, das für einen Medizintechnikkonzern entwickelt wurde. "Die Herausforderung war, die Ventile so schmal zu konstruieren, dass 16 in eine Reihe passen", erläutert Rohrbeck. "Wir müssen unseren Kunden zuhören, um zu verstehen, was ihr Problem ist."

Das neue Produkt wurde gemeinsam mit dem Kunden entwickelt. Rohrbeck ist stolz auf Innovationen wie diese, aber ruhen darf er nicht. "Wir dürfen uns nicht für die Schönsten und Tollsten halten. Möglicherweise kommt nächstes Jahr schon ein Querdenker, der es besser macht. Wenn der Markt einen auf den Teppich zurückholt, ist es meist zu spät."

Ein simples Erfolgsrezept hat Rohrbeck nicht. Das Geheimnis der Weltmarktführer würden viele gerne lüften - auch Bernd Venohr, Unternehmensberater und Professor an der Hochschule für Recht und Wirtschaft. 1500 Weltmarktführer hat er in Deutschland identifiziert (siehe auch die SZ vom 14. Mai). Das Ergebnis seiner Analyse: "Jedes Mal a bissle besser" - gemäß diesem Motto würden die meisten Spitzenunternehmen arbeiten. Weltmarktführer zu werden ist schwer, es zu bleiben auch.

Krieger und Sportler

Wohl deshalb bedienen sich die Manager gerne des Vokabulars von Kriegern und Sportlern, um den alltäglichen Konkurrenzkampf zu schildern. "Im Windschatten fährt es sich eben bequemer", sagt Thomas Bauer, 53, Chef des Tiefbauspezialisten Bauer aus Schrobenhausen mit 1,5 Milliarden Euro Umsatz und 8700 Beschäftigten im Jahr 2008. "Das ist wie beim Radfahren. Wer vorausfährt, muss unglaublich schnell vorausfahren. Aber es ist auch schön, wenn man vorausfährt."

Gefahren lauern überall - sie kommen von außen und von innen. "Manchmal fühlt man sich schon gehetzt", sagt Gerhard Sturm, Gründer des Ventilatorenherstellers EBM Papst. 74 Jahre ist er alt, vor gut zwei Jahren hat er sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Weltmarktführer zu werden, war nie sein Ziel. Er hatte mit Heinz Ziehl, einem seiner ehemaligen Chefs, einen kleinen sogenannten Außenläufermotor weiterentwickelt. Die Kaufmänner von Ziehl-Abegg zweifelten am Markterfolg, deshalb machte sich Sturm 1963 mit Hilfe Ziehls in Mulfingen selbständig.

Fehler der Konkurrenten

Die Zeiten als Hidden Champion, das Wachstum in aller Stille, seien schön gewesen, sagt Sturm. Die Größe habe ihm manchmal Angst gemacht. "Früher habe ich gesagt, wenn wir 500 Mitarbeiter haben, ist Schluss. Später habe ich gesagt, 1000 reichen." 2008 setzte EBM Papst mit weltweit knapp 10.000 Mitarbeitern gut eine Milliarde Euro um.

Sturm hat auch aus den Fehlern der Konkurrenten gelernt. Einen davon, die Firma Papst, übernahm er 1992. "Papst war eine Beteiligung mit japanischen Konkurrenten eingegangen und hatte sich frontal gegen den Wettbewerb gestellt", erzählt Sturm. Eine weitere Lehre lautet: "Es ist besser, immer ein bisschen anders zu sein als andere Firmen."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welches Kriterium für den Aufstieg zum Weltmarktführer entscheidend ist - und wie man den Erfolg wahrt.

Gerhard Schubert, Gründer und Chef des gleichnamigen Herstellers von Verpackungsmaschinen, 190 Millionen Euro Umsatz, 900 Mitarbeiter, liebt es, "wenn es drunter und drüber geht. In der Krise kann man doch beweisen, dass man richtig gut ist". Bisher war er das. Schubert sieht sich als Marktführer bei Verpackungsmaschinen für Stückgut. "Jedes zweite bis dritte Produkt, das im Supermarkt steht, wurde auf unseren Maschinen verpackt."

Anfang der Siebziger habe er für den Süßwarenhersteller Rowntree Macintosh eine Maschine entwickelt, um After Eight zu verpacken. Ein Meilenstein für den Mittelständler. "Alle haben gesagt, das geht nicht. Aber wenn jemand sagt, das geht nicht, bin ich sofort hellwach." Vor ihm auf dem Tisch im Besprechungsraum liegt ein weißer Zollstock. Den braucht er, um die Pläne nachzumessen. "Jede Neuentwicklung geht über meinen Schreibtisch."

"Weltmarktführer wird man nicht, wenn man es nur wegen des Geldes macht. Die Arbeit muss Spaß machen, wie das ganze Leben Spaß machen muss." Deshalb denkt Schubert auch mit 71 Jahren nicht ans Aufhören. Chef wollte er immer sein. Als Junge hat er seinen Vater, einen Bildhauer, in den Steinbruch begleitet. "Den Chef dort habe ich bewundert, weil er so viele Menschen unter sich hatte." Ein normales Anstellungsverhältnis hätte Schubert nicht genügt.

Als Unternehmerkind geboren

Thomas Bauer ist schon als Unternehmerkind geboren. Er weiß genau, wo seine Firma Spitze ist: bei Leistungen und Maschinen für den Spezialtiefbau. "Bei Maschinen sind wir etwa doppelt so groß wie der zweitgrößte Anbieter der Welt." Der heißt Soilmec und gehört zur italienischen Trevi-Group. "Die ist so ähnlich strukturiert wie wir", sagt Bauer. Er kennt seine Verfolger. "Ein börsennotiertes Familienunternehmen, wie wir. Die machen Bau und Maschinen, wie wir. Im Maschinenbau haben wir später angefangen, aber heute sind wir da größer."

Bis an die Spitze hat Bauer mehr als zwei Jahrzehnte gebraucht. So richtig habe der Konzern erst vergangenes Jahr die Konkurrenz abgehängt. "Wir haben erst in den achtziger Jahren begonnen und systematisch das Ausland erobert, mehr aus der Not geboren als aus eigenem Willen. Wir hatten daheim einfach zu wenig Arbeit."

Mut und Ausdauer gefragt

Ein unfreiwilliger Weltmarktführer? "Mei", sagt Bauer: "Viele Strategien entstehen doch unter dem Druck des Marktes, sich etwas Neues zu suchen." Rückschläge hat es reichlich gegeben. "Jedes Land ist anders, die Menschen, die Kultur, die Böden sowieso. Wir haben aber nie aufgegeben", sagt Bauer: "Wer Erfolg haben will, braucht Mut und Ausdauer." Er hält es für schwieriger, Weltmarktführer zu werden, als es zu bleiben, weil die Internationalisierung so viele Risiken berge. Doch es sei auch schwierig, Marktführer zu bleiben.

"Man gewöhnt sich daran. Und wenn man den Erfolg zu sehr gewöhnt ist, ist das immer die Basis für Misserfolg." Daher warnt er seine Mitarbeiter: "Die Leute, die mir ständig erzählen, wie super gut sie alles machen, sind mit hundertprozentiger Sicherheit diejenigen, die in den nächsten Jahren eine große Krise in der Firma herbeiführen. Ich sage immer: Bleiben wir bodenständig. Bleiben wir normal."

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Quelle:
SZ vom 28.05.2009/kaf/mel
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