Weltmacht Apple:iGier

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Nüchtern betrachtet verkauft Apple bloß technische Geräte für den Alltag. Doch um die Firma hat sich eine Gemeinde Konsumgläubiger gebildet, deren Horizont die Marke ist. Wenn von Freitag an das neue iPhone verkauft wird, sind weitere Höhenflüge zu erwarten. Die Hysterie kann nicht über die Schattenseite des Konzerns hinwegtäuschen. Apple ist zum Sinnbild einer fragwürdigen Globalisierung geworden.

Hans-Jürgen Jakobs

Apple. Allein die Nennung dieses Namens verzückt Millionen Menschen auf dem Globus. Diese Produkte, dieses Design, diese Apps. Was für ein Genius der 2011 verstorbene Mitgründer Steve Jobs doch war, und wie locker dessen Nachfolger Tim Cook die Computerfirma aus dem kalifornischen Cupertino zu lenken scheint!

Apple - hier nährt der Mythos den Mythos, und es hat sich eine Gemeinde unerschütterlicher Konsumgläubiger gebildet, deren Horizont die Marke ist. Wenn Apple am Freitag mit dem Verkauf des neuen Modells seines Welthits iPhone beginnt, sind weitere Höhenflüge zu erwarten. Fans campieren bereits vor den Läden in den Metropolen, um als Erste zum Zug zu kommen.

Wo der Wahnwitz so naheliegt, ist die Börse nicht fern. Bereits seit August ist der Konzern mit dem Äpfelchen im Logo das wertvollste Unternehmen der Welt. Die Notierung an der Börse ist so hoch, dass die anderen US-Konzerne winzig erscheinen. Börsentechnisch ist Apple wertvoller als die größten zehn deutschen Unternehmen zusammen - von Siemens bis BMW und Eon. Erstmals war eine Apple-Aktie am Dienstag sogar 700 Dollar wert, und nicht wenige sagen, es könnten bald magische 1000 Dollar sein.

Überhaupt: Magisch soll alles an dieser Firma sein, die - nüchtern betrachtet - bloß technische Geräte für den Alltag verkauft, und das weder im Monopol noch zu einem günstigen Preis. Die Verzückung geht sogar so weit, dass der bekannte Ökonom Paul Krugman jüngst die wirtschaftliche Nachfrage lobte, die das i-Wesen auslöst. Die lahme US-Wirtschaft hat so wenig zu bieten, dass die neuesten Verkaufszahlen aus Cupertino wie eine Weihnachtsbotschaft wirken.

Wie in einer Diktatur

Aber das alles - die Größe, der Kult, die Hybris, die Hysterie - können nicht über die Schatten hinwegtäuschen, über die unangenehme andere Seite eines Konzerns, der zum Sinnbild einer fragwürdigen Globalisierung geworden ist. Apple-Manager handeln wie in einer Diktatur. Alles bestimmt die Zentrale, bis hin zu den Sprüchen der Verkäufer, und um Ethik wird sich nicht groß gekümmert. Diese Weltmacht definiert Gesellschaft als Ansammlung von Käufern, nicht als Gruppe von Menschen mit vielen Interessen und Rechten. Der Lorbeer von Apple ist schmutzig.

Foxconn
:Das kommunistische Fest

So funktioniert der chinesische Kaderkapitalismus. Mit Großveranstaltungen wie zu den Hochzeiten des real existierenden Sozialismus versucht der Elektronikgigant Foxconn die Moral der Belegschaft zu heben. So sollen künftig Selbstmorde verhindert werden.

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Von den 20 Milliarden Dollar Gewinn, die das Unternehmen im ersten Halbjahr einstrich, haben die Zehntausenden chinesischen Arbeiter in den Werken des Apple-Zulieferers Foxconn wenig. Dort, in den Industriezonen der Volksrepublik, werden viele Geräte für westliche Konzerne montiert, auch all die iPads und iPhones. Und weil die Zahl der Vorbestellungen so hoch ist, wurden kurzerhand Tausende Schüler und Studenten an die Fließbänder gebeten, besser gesagt: befohlen. Wachstum ist in China eine Planzahl der kommunistischen Diktatur, im Apple-Land dagegen die Jubelziffer einer kapitalistischen Diktatur, die sich den Börsianern gut verkaufen lässt.

Überstunden, niedrige Löhne, kaum Urlaub - die Lage der 1,2 Millionen Arbeiter von Foxconn kontrastiert sehr mit der gleißenden Werbung für das iPhone. Die Handgriffe der Arbeiter sind kaum etwas wert. "Wer hungrig ist, denkt besonders klar", sagt der taiwanische Mitgründer von Foxconn. Er organisiert die Arbeit in der Art des englischen Frühkapitalismus. Im modernen "Shenzhen-Kapitalismus" machen Arbeitskosten nur zwei Prozent am Produktionswert eines iPhones aus. 14 Malocher der Zuliefererwerke brachten sich in den Jahren 2010 und 2011 um, drei starben bei einer Explosion. Nur schrittweise sinkt die Belastung, nachdem eine US-Arbeitsorganisation bei einer Visite Missstände anprangerte.

Stolz der Börse, aber nicht Stolz von Corporate America

Längst manövriert das Management von Apple auf das nächste Ziel zu: Der Absatz im großen China soll rapide steigen. Nicht mehr nur als billige Arbeiter, sondern auch als Massenkonsumenten sind Chinesen den Lenkern in Cupertino willkommen. Es entfaltet sich die Parallelwelt eines heimat- und morallosen Kapitals. Apples Strategien schweben auch über den aktuellen Handelskonflikten zwischen den USA und China. Strafzölle aus Washington gegen Solarmodule aus Fernost stören da ebenso wenig wie der Hinweis aus Peking, man sei ja der größte Gläubiger der USA. Kein anderes Land hat so viele Anleihen der Verschuldeten Staaten von Amerika gekauft.

Apple mag der Stolz der Börse sein, der Stolz von Corporate America ist die Firma nicht. Sie beschäftigt nur 43.000 Leute in den USA, das Personal von General Motors ist zehnmal größer; bei Zulieferbetrieben im Ausland sind jedoch 700.000 für Apple aktiv. Und der Konzern zahlt noch nicht mal viele Steuern in den USA. Hinter dem großen Mythos Apple steckt manchmal nicht mehr als eine große Gier.

© SZ vom 20.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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