Welthandelsorganisation:WTO gelingt Einigung

Welthandelsorganisation: WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala bekommt Beifall.

WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala bekommt Beifall.

(Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Zum ersten Mal seit Jahren gibt es beim Ministertreffen der WTO in Genf zu mehreren heiklen Themen einstimmige Beschlüsse. Kritiker bezeichnen die Entwürfe aber als "verwässert".

Von Isabel Pfaff, Bern

Mit rund 36 Stunden Verspätung schickte die Welthandelsorganisation ihre frisch gefassten Beschlüsse von Genf aus in die Welt. Die Delegierten der 164 Mitgliedstaaten, jubelte WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala in der Abschlusszeremonie in den frühen Morgenstunden, würden nicht mit leeren Händen nach Hause fahren. "Am Montag war mein Geburtstag", sagte die 68-jährige Nigerianerin, da habe sie viele Blumen erhalten, für die sie sich bedanken möchte. "Aber eine erfolgreiche 12. Ministertagung ist ein noch besseres Geschenk."

Tatsächlich ist den Ministerinnen und Ministern auf ihrem Treffen in Genf Historisches gelungen. Zum ersten Mal seit 2013 haben sie mehrere Abkommen zustande gebracht. Die wichtigste Einigung betrifft die Patentaufhebung bei Covid-19-Impfstoffen: Die Delegierten beschlossen für diese Vakzine eine zeitlich befristete Einschränkung des Trips-Abkommens über geistiges Eigentum. Damit sollen Hersteller in armen Ländern in die Lage versetzt werden, Covid-Impfstoffe zu produzieren. Der Beschluss ermöglicht es Regierungen, auch gegen den Willen von Pharmafirmen Zwangslizenzen für die Produktion von Covid-Vakzinen zu erteilen. Zwangslizenzen waren auch vorher möglich, mussten aber aufwendig mit den Patentinhabern ausgehandelt werden. Trotz des Zwangscharakters erhalten die Patentinhaber in solchen Fällen eine Entschädigung.

Als ebenfalls historisch gilt die Einigung zur Fischerei: Nach mehr als 20 Jahren Verhandlungen vereinbarten die Teilnehmer der Tagung eine Begrenzung von Fischereisubventionen, um die weltweite Überfischung zu bekämpfen. Weiterhin beschlossen die Minister, eine Vereinbarung zu verlängern, nach der keine Zölle auf den grenzüberschreitenden digitalen Handel erhoben werden dürfen. Die Handelsminister versprachen zudem in einer Erklärung zur Nahrungsmittelsicherheit, Exportbeschränkungen möglichst selten einzusetzen.

Bemerkenswert sind die im Abschlussdokument festgehaltenen Reformpläne der WTO. Demnach sollen die Strukturen insgesamt erneuert werden, und der von den USA lahmgelegte Streitschlichtungsmechanismus soll in zwei Jahren wieder voll funktionsfähig sein. Das System der Streitschlichtung ist faktisch außer Kraft gesetzt, seit die US-Regierung aus Protest die Ernennung von Richtern blockiert. Seit Ende 2019 funktioniert nur noch die erste Instanz des Mechanismus.

Okonjo-Iweala spielte bei den Verhandlungserfolgen eine wichtige Rolle

Dass es zu diesen Reformversprechen und zu Einigungen in vier wichtigen Bereichen kam, ist an sich schon ein Erfolg dieser Ministertagung und ein Zeichen dafür, dass die WTO nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wird. Beschlüsse müssen bei der Genfer Organisation in der Regel im Konsens fallen. Dafür waren die Voraussetzungen alles andere als günstig: Mehrere globale Krisen wie die Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise und die Klimaerhitzung haben der internationalen Zusammenarbeit zugesetzt und zu Zerwürfnissen geführt. Gerade der Freihandel, für dessen Erhalt die WTO zuständig ist, hat unter diesen Krisen gelitten; Protektionismus ist derzeit auf dem Vormarsch. Dass die Wirtschafts- und Handelsminister der WTO-Mitgliedstaaten in dieser Lage Beschlüsse fassen werden, hatten viele Beobachter nicht für möglich gehalten. Auch WTO-Chefin Okonjo-Iweala hatte im Vorfeld "ein, zwei Ergebnisse" in Aussicht gestellt, mehr nicht.

Es kam anders und dem Vernehmen nach spielte Okonjo-Iweala dabei eine nicht unwichtige Rolle. Sie drängte die Delegierten in mehreren Nachtschichten und über das offizielle Ende der Tagung am Mittwochabend hinaus, sich zu einigen. Für eine Generaldirektorin, die ihr Amt erst vor einem guten Jahr in der schlimmsten Krise der WTO seit ihrer Gründung übernommen hat, ist das eine beachtliche Bilanz.

Nichtregierungsorganisationen und Beobachter kritisieren jedoch, dass die Beschlüsse mehrheitlich nicht viel wert seien, weil kritische Bereiche ausgeklammert werden mussten wie bei der Fischerei, oder weil von vornherein nur über stark verwässerte Entwürfe diskutiert wurde wie beim Trips-Waiver. Mehrere Hilfsorganisationen bezeichneten den Kompromiss beim Patentschutz als "weitgehend wirkungslos" und nicht geeignet, die lokale Eigenversorgung einkommensschwacher Länder zu stärken.

Der Handelskommissar der EU, Valdis Dombrovskis, zeigte sich hingegen zufrieden mit den Ergebnissen. Obwohl die Positionen weit auseinander gelegen hätten, habe man es geschafft "bedeutende Resultate" zu erzielen, sagte Dombrovskis. Der vereinbarte Trips-Waiver sei vor allem eine gute Nachricht für Afrika.

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