Munich Economic Debates:Wenn Protektionismus zu neuen Abhängigkeiten führt

Munich Economic Debates: Gabriel Felbermayr leitet seit April 2021 das Institut für Wirtschaftsforschung in Österreich.

Gabriel Felbermayr leitet seit April 2021 das Institut für Wirtschaftsforschung in Österreich.

(Foto: Stephan Rumpf)

Erst haben sich Regierungen bemüht, Handelsbarrieren abzubauen. Jetzt bauen sie neue auf. Warum das nicht funktionieren kann.

Von Marie Vandenhirtz

Gabriel Felbermayr gibt Entwarnung: Die Globalisierung stehe nicht vor ihrem unmittelbaren Ende und Europa bräuchte auch kein komplett neues Wirtschaftsmodell. Das sagte der Direktor des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung bei den Munich Economic Debates von Ifo-Institut und Süddeutscher Zeitung. Doch an der Art, wie Welthandel betrieben werde, werde sich in Zukunft einiges ändern. Bereits jetzt, so die Analyse des Wirtschaftswissenschaftlers, begännen Länder wie Amerika oder China ihre Positionen auf dem Weltmarkt zu stärken.

Das widerspricht allerdings den Ideen der Welthandelsorganisation (WTO) und dem allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT). Sie basieren darauf, Handelsbarrieren abzuschaffen und den Wohlstand vieler Länder durch Arbeitsteilung herzustellen. Das soll wenige Verlierer, aber viele Gewinner hervorbringen.

Jetzt werden die Wirtschaftsmächte der Welt zunehmend protektionistisch, sagt Felbermayr. Sie überlegten, wie sie wirtschaftlich unabhängiger von anderen Ländern werden können. "Neu ist die Idee nicht." Schon der Ökonom Adam Smith, der im 18. Jahrhundert eine liberale Wirtschaftspolitik entwickelte und als "Champion des Freihandels" gelte, habe gesagt, "Verteidigung der eigenen Stärke sei viel wichtiger als der allgemeiner Wohlstand". Die Engländer befürchteten damals, die Niederländer könnten wirtschaftlich stärker werden als sie selbst, und ließen schließlich ihre Häfen für Schiffe aus dem Land sperren. Heute sehe man in Hamburg Parallelen dazu. Die Deutschen hätten Angst vor der Stärke Chinas.

In Deutschland gibt es einige gefährliche Abhängigkeiten

Und auch beim Handel von Gütern wollen Länder unabhängiger werden. In Deutschland habe man spätestens dann gemerkt, dass die Abhängigkeit von anderen Ländern gefährlich werden kann, als Sanktionen gegen Russland eingeführt wurden, sagt Felbermayr. Denn prompt fehlte es an Gas. Nun würden sich auch andere gefährliche Abhängigkeiten herausstellen, die Felbermayr bei der Präsentation in München aufzeigte. Etwa bei chemischen Substanzen, Rohstoffen wie Blei oder speziellen Nahrungsmitteln.

Was sich aus dieser Analyse nicht ablesen lässt, ist, welche Produkte anderswo produziert werden könnten: "Wenn man fragt: Von welchen Ländern hängen wir ab und wie stark ist diese Abhängigkeit, so richtig weiß man es nicht", sagt Felbermayr. Und man werde es auch nicht herausfinden können: "Wir werden keinen Algorithmus einführen können, der uns sagt, was ein strategisches Gut ist." Den Handel solcher Gütern zu diversifizieren, ist also oft nicht möglich, weil sie nicht identifiziert werden können.

Was Ökonomen dagegen ermitteln können, sei, was passiere, wenn sich die Europäische Union kurzfristig von ihren Handelspartnern abschotte, etwa durch Sanktionen, sagt Felbermayr. Beim russischen Gas sei der Kollaps ausgeblieben. Und das könnte auch bei anderen Sanktionen der Fall sein: Allein die Drohung könne die Wirtschaft eines Landes abstürzen lassen. Später kehre die Wirtschaft wieder auf ein normales Niveau zurück. Sie würden also zu keinem Deglobalisierungsschock führen, sondern schlimmstenfalls zu einer "Slowbalization", also einer Verlangsamung der Globalisierung.

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