Süddeutsche Zeitung

Welthandel:Das sind die Folgen der neuen Eskalation im Handelsstreit

US-Präsident Trump droht China mit weiteren Strafzöllen - und Peking kündigt Vergeltung an. Womöglich setzt das Land bald extremere Druckmittel als Zölle ein.

Von Jan Schmidbauer und Janis Beenen

Für China hat die Woche in etwa so begonnen, wie die vergangene Woche aufgehört hatte: mit schlechten Neuigkeiten aus den USA. In der Nacht zu Dienstag hat US-Präsident Trump dem Land mit neuen Strafzöllen gedroht - und die Dimensionen, um die es geht, auf eine ganz neue Ebene gehoben. 200 Milliarden Dollar lautet die neue Größenordnung, über die im Handelsstreit gesprochen wird. Eskaliert der Konflikt? Was will Trump erreichen? Und wie könnte China reagieren? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was hat Trump entschieden?

Der US-Präsident hat seinen Handelsbeauftragten Robert Lighthizer wieder mal mit Arbeit eingedeckt: Dessen Behörde soll eine Liste mit chinesischen Produkten im Gesamtwert von 200 Milliarden Dollar erstellen, auf die ein Importzoll von zehn Prozent erhoben werden könnte. Trump droht damit für den Fall, dass China sich wie angekündigt gegen die jüngsten US-Zölle wehrt. Und der Präsident scheint zu noch härteren Mitteln bereit: Für den Fall, dass China die US-Maßnahmen abermals kontere, würde er Vorbereitungen für weitere Strafzölle im Wert von 200 Milliarden Dollar treffen, teilte Trump mit.

Der US-Präsident hatte erst am Freitag Strafzölle auf Waren aus China im Wert von 50 Milliarden Dollar verhängt, die von 6. Juli an in Kraft treten sollen. China kündigte daraufhin Gegenzölle in gleicher Höhe an. Bereits diese Strafzölle waren eine neue Größenordnung. Die USA erheben bislang Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus China. Peking erhebt im Gegenzug Zölle auf Wein, Schweinefleisch und Früchte aus den USA. Dabei geht es aber jeweils nur um rund drei Milliarden Dollar Import-Volumen pro Jahr.

Wie ist die neue Drohung einzuschätzen?

Sie zeigt, dass die Befürchtung vieler Beobachter wahr zu werden scheint: Der Handelsstreit zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt eskaliert. Mit immer neuen Drohungen schaukeln sich beide Seiten hoch; keiner will als Verlierer dastehen; keiner gibt nach. Ökonomen befürchten, dass der Streit die globale Konjunktur gefährdet: "Das nimmt ein erhebliches Ausmaß an", sagt Gabriel Felbermayr, Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft am Münchner Ifo-Institut. "Die Ansteckungsgefahren sind erheblich." Auch deutsche Unternehmen, die in den USA ansässig sind und von dort chinesische Produkte importieren, wären betroffen.

An den Finanzmärkten zeigte Trumps Drohung am Dienstag bereits Wirkung. Nicht nur in Shanghai fielen die Kurse deutlich, auch der Dax verlor zeitweise rund 1,7 Prozent.

Warum geht Trump gegen China vor?

Trump wirft dem Land unfaire Praktiken vor, darunter den Diebstahl geistigen Eigentums. Außerdem ist dem US-Präsidenten das riesige Handelsdefizit seines Landes mit China ein Ärgernis. Die USA importieren deutlich mehr Waren aus China, als Peking im Gegenzug erwirbt. "Das ist nicht hinnehmbar", schrieb Trump am Montag. Dass die neuen Strafzölle den amerikanischen Unternehmen helfen, glaubt Ökonom Felbermayr jedoch nicht - im Gegenteil: "Für große Teile der US-Wirtschaft ist es ein Geschäftsmodell, in China billig einzukaufen." Felbermayr glaubt, dass betroffene Unternehmen versuchen werden, sich gegen Importzölle zu wehren. Auch hier entstünde ein "echter ökonomischer Schaden", weil Unternehmen "ihre Energie in unnütze Dinge" stecken würden.

Wann könnten die neuen US-Zölle in Kraft treten?

Das wird wohl noch eine Weile dauern. Die am Freitag beschlossenen Maßnahmen gegen China landeten Anfang April zur Prüfung beim Handelsbeauftragten und sollen erst am 6. Juli, also rund 90 Tage später, wirksam werden. Für die neu angedrohten Zölle dürfte der Ablauf ähnlich sein.

Welche Waren sind betroffen?

Das ist noch nicht entschieden. Die US-Behörden werden in den kommenden Wochen voraussichtlich eine Liste mit chinesischen Produkten ausarbeiten, die sie mit den neuen Strafzöllen belegen wollen. Recht sicher ist aber, dass ein großer US-Konzern von den Strafzöllen verschont bleiben wird: Apple. Trump soll Konzernchef Tim Cooke zugesichert haben, dass die US-Regierung keine Zölle auf die in China gefertigten iPhones erheben wird, berichtet die New York Times.

Konkrete Gegenmaßnahmen hat die chinesische Regierung noch nicht angekündigt. Erste Stellungnahmen deuten aber auf eine Eskalation hin. Das Außerministerium in Peking erklärte, Trump solle seine schädlichen Worte und Taten unterlassen. China wolle keinen Handelskrieg, habe aber auch keine Angst davor. Die Volksrepublik werde ihre legitimen Rechte verteidigen. Mögliche Gegenmaßnahmen würden denen der USA in "Qualität und Quantität" entsprechen, kündigte das Handelsministerium an. Proportional kann China Trumps Ankündigungen allerdings nicht kontern: Trump will Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar jährlich mit Zöllen belegen, China führt nur Produkte im Wert von 130 Milliarden Dollar aus den USA ein.

Welche Möglichkeiten hat das Land noch?

Nun könnte Peking zu extremen Druckmitteln greifen. Amerikanischen Autoherstellern oder Unternehmen wie Apple könnte die Arbeit in China erschwert werden. Für sie ist das Land ein wichtiger Standort. Es wäre möglich, dass die Behörden Genehmigungen für neue Investitionen verzögern und Übernahmen durch US-Firmen aufhalten, vermuten Experten. Auch ein Aufruf zum Boykott amerikanischer Produkte ist denkbar. So ging China schon vor einem Jahr in einem diplomatischen Streit mit Südkorea vor.

China hat zudem großen Einfluss auf die Stabilität des amerikanischen Haushalts. Das Land ist der größte Gläubiger der Vereinigten Staaten. Die US-Staatsanleihen sind daher ein fragiles Gebilde. Als Anfang des Jahres das Gerücht aufkam, der wichtigste amerikanische Finanzier wolle weniger Papiere kaufen, folgte die Reaktion des Markts prompt. Die Risikoaufschläge, die die USA zahlen müssen, stiegen deutlich über das Niveau anderer Industriestaaten. Macht China irgendwann tatsächlich ernst, ist das für Trump ein schlimmer Rückschlag. Denn er braucht viel Geld, um seine Politik zu finanzieren. Doch der Schritt gilt als unwahrscheinlich. Denn China müsste massenhaft Anleihen verramschen.

Als letztes Mittel könnte China aus Sicht von Analysten seine Währung abwerten. Importe werden so teurer und Exporte billiger. Staaten können so ihre Wettbewerbsfähigkeit im Welthandel verbessern.

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