Süddeutsche Zeitung

Welthandel:"Buy American"-Klausel löst Entsetzen aus

Lesezeit: 3 min

Politiker fürchten um freien Welthandel: Die US-Vorgabe zur Bevorzugung heimischer Produkte könnte zu einer Kettenreaktion führen.

Daniela Kuhr und Gerd Zitzelsberger

Die Angst vor einem neuen Protektionismus geht um: In vielstimmigen Appellen haben sich Politiker aus aller Welt beim Weltwirtschaftsforum wechselseitig beschworen, den internationalen Handel nicht zu beschränken. Sie fürchten vor allem, dass die USA sich vor ausländischer Konkurrenz abschotten und damit eine Lawine auslösen könnten.

"Der internationale Waren- und Dienstleistungsaustausch ist bereits jetzt das Opfer der Krise. Die Außenhandelsfinanzierung trocknet aus", sagte der Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO), Pascal Lamy, auf dem Weltwirtschaftsforum (WWF) in Davos, das am Sonntag zu Ende ging. Im Augenblick gebe es "noch keine dramatische Entwicklung" in Sachen Protektionismus, doch man müsse die Situation sehr sorgfältig beobachten.

Dammbruch befürchtet

In Berlin begrüßte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) Lamys Ankündigung, die weltweiten Konjunkturprogramme genau auf die Vereinbarkeit mit WTO-Regeln zu überprüfen. "Wir können dem Abschwung der globalisierten Weltwirtschaft nicht durch Protektionismus begegnen", sagte er am Sonntag zur Süddeutschen Zeitung.

Ein Dammbruch könnte von den Vereinigten Staaten ausgehen, fürchten Lamy und viele andere Politiker. Das US-Repräsentantenhaus hatte vergangene Woche ein Gesetz verabschiedet, in dem festgeschrieben ist, dass bei den geplanten Infrastrukturprojekten nur Stahl und Eisen aus heimischer Produktion eingesetzt werden soll. Der Entwurf des US-Senats, der in dieser Woche zur Abstimmung gestellt wird, geht noch weiter. Er sieht vor, dass alle Materialien und Ausrüstungsgegenstände, die bei staatlich finanzierten Konjunkturprogrammen zum Einsatz kommen, aus US-Produktion stammen müssen. "Buy American" - also "kauft amerikanisch" - heißt die Klausel, die der Kongress festschreiben möchte.

"Ich hoffe aus ganzem, ganzem Herzen, dass der amerikanische Senat sehr, sehr sorgfältig über diese Bestimmungen nachdenkt, und dass die Vereinigten Staaten ihre internationalen Verpflichtungen einhalten", sagte Lamy nach einem informellen Treffen von 20 Handelsministern am Rande des WWF. Die neue US-Regierung war bei diesem Treffen nicht vertreten.

Ohne die USA beim Namen zu nennen, haben die 20 Handelsminister in einer gemeinsamen Erklärung vor "schwerwiegenden Risiken für den internationalen Handel" gewarnt. Sie verpflichteten sich, keine neuen Handelsbeschränkungen einzuführen oder Maßnahmen zur Exportförderung zu ergreifen, die mit dem Internationalen Handelsabkommen nicht vereinbar sind.

Die Minister plädierten dafür, die sogenannte Doha-Runde zur Reform des Welthandelsabkommens noch im laufenden Jahr abzuschließen. Der Abbau von Handelshürden sei "Teil der Lösung", um aus der Krise herauszufinden, sagte die Schweizer Wirtschaftsministerin Doris Leuthard nach dem Treffen.

Appelle für Globalisierung

In den Reden von Bundeskanzlerin Angela Merkel und beinahe allen anderen Regierungschefs nahmen Appelle, zur Globalisierung zu stehen, ebenfalls breiten Raum ein. "Eine wesentliche Voraussetzung zur Überwindung der Krise ist, dass der Handels- und Investitionsfluss nicht behindert wird", sagte etwa der japanische Ministerpräsident Taro Aso am Wochenende in Davos.

Dass die Regierungen dennoch in der Praxis die eigene Wirtschaft zu schützen versuchen und dabei die Rückwirkungen außer Acht lassen, befürchtet John Monks, der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes: "Ich weiß nicht, was passiert, wenn der Druck von der Straße zunimmt", sagte er auf einer Diskussionsveranstaltung.

Dass dieser Druck wächst, stand in Davos außer Frage: Kein WWF-Teilnehmer prognostizierte mehr ein schnelles Ende der Krise, und jeder rechnet mit stark steigenden Arbeitslosenzahlen. "Hier in Davos redet jeder von internationaler Kooperation, aber zu Hause fordert die Wirtschaft dann Schutz vor ausländischer Konkurrenz", bekannte Wirtschaftsministerin Leuthard.

Bereits am Wochenende wurde deutlich, dass offen protektionistische Maßnahmen eines Landes schnell zu einer Kettenreaktion führen könnten. "Wenn ein Gesetz verabschiedet wird, das den Kauf oder Verkauf europäischer Güter in Amerika verbietet, werden wir nicht untätig zusehen", sagte ein EU-Sprecher in Brüssel mit Blick auf die geplanten amerikanischen Importbeschränkungen.

Auch die deutsche Industrie beobachtet das Gesetzgebungsverfahren mit Argwohn. "Die Tatsache, dass diese Klausel enthalten ist, ist ein negatives Signal, das uns Sorge macht", sagt Sigrid Zirbel, Amerika-Regionaldirektorin beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin.

Die Expertin sieht "ein Zeichen in Richtung Protektionismus". Bis zu einer abschließenden Bewertung müsse aber abgewartet werden, wie das endgültige Gesetz aussieht. Im vergangenen Jahr hatten deutsche Firmen Waren im Wert von 70 Milliarden Euro in die USA exportiert.

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SZ vom 02.02.2009/hgn
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