Weltfinanzgipfel:Finanzmärkte werden lückenlos überwacht

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Als Reaktion auf die Finanzkrise wollen die Industriestaaten alle Überwachungslücken auf den Märkten schließen. Zugleich rückt ein neues Welthandelsabkommen näher.

Inmitten einer der schwersten Wirtschaftskrisen der Geschichte wollen die größten Industrie- und Schwellenländer in einem beispiellosen Kraftakt alle Überwachungslücken auf den globalen Finanzmärkten schließen. Bereits bis Ende März sollen konkrete Schritte einer umfassenden Reform vorliegen.

Der Weltfinanzgipfel in Washington hat sich auf eine grundlegende Neuordnung der globalen Finanzmärkte geeinigt. (Foto: Foto: Reuters)

Auf eine entsprechende Erklärung einigten sich die rund 20 Staats- und Regierungschefs am Samstag beim Weltfinanzgipfel in Washington. Darin hieß es, künftig sollten "alle Finanzmärkte, Finanzprodukte und Finanzmarktteilnehmer einer Regulierung oder angemessenen Überwachung unterworfen werden".

Die Erklärung unterstreicht, dass Regulierung in erster Linie Sache der Nationalstaaten sei. Allerdings bedürfe es einer internationalen Kooperation der Finanzkontrolleure und gemeinsamer internationaler Standards.

Zugleich verständigten sich die G-20 im Grundsatz auf eine Reform der internationalen Finanzinstitutionen wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), um Entwicklungsländern zu helfen, die Finanzkrise gut zu überstehen.

Die für März geplante Folgekonferenz könnte nach bisherigen Überlegungen in London stattfinden, hieß es. Dann soll auch der künftige US-Präsident Barack Obama dabei sein, der am Treffen in Washington nicht teilnahm. Bis zum nächsten Gipfel sollen 50 konkrete Einzelmaßnahmen ausgearbeitet werden.

Dazu gehören Bilanzierungsrichtlinien für solche hoch komplexen Finanzprodukte, die zu den Auslösern der Kreditkrise zählten. Auch strengere Regeln für Rating-Agenturen stehen auf der Themenliste. Zudem geht es um schärfere Eigenkapital-Vorschriften für Banken, die Risikoprodukte anbieten. Auch Hedge-Fonds mit ihren hoch spekulativen Finanzgeschäften sollen reguliert werden.

Der scheidende US-Präsident George W. Bush betonte, es würden alle nötigen Schritte unternommen, um das Weltfinanzsystem zu stabilisieren. Ohne das entschiedene Gegensteuern in der Finanzkrise wären die USA in eine schlimmere Rezession gerutscht als jene der Großen Depression der 1930er Jahre, sagte Bush. Nun würden die führenden Wirtschaftsnationen auch "die Regeln zu Marktmanipulationen und Betrug" überprüfen.

Neuer Anlauf für Welthandelsabkommen

Die G20 wollen nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die seit Jahren erfolglosen Verhandlungen über ein neues Welthandelsabkommen bis Ende 2008 doch noch erfolgreich abschließen. Der Wille zu einer politischen Grundsatzeinigung sei bei dem Gipfel bei allen Beteiligten spürbar gewesen. Zuletzt war im vergangenen Sommer - in der sogenannten Doha-Runde - ein weiterer Versuch gescheitert, ein neues Welthandelsabkommen unter Dach und Fach zu bringen. Merkel betonte, dass es nur noch eine geringe Zahl von offenen Streitfragen unter anderem zwischen den USA und Indien gäbe. Es wäre zu begrüßen, wenn noch mit der amtierenden US-Regierung Bush eine entsprechende Grundsatzeinigung zustande käme. Ein solches Abkommen wäre Merkel zufolge ein Signal, das in der jetzigen wirtschaftlichen Krise genauso viel wert wäre wie größere Konjunkturprogramme.

Meinungsverschiedenheiten bestehen weiter

Der britische Premierminister Gordon Brown deutete an, dass es trotz der grundsätzlichen Einigungen Meinungsverschiedenheiten unter den Gipfelteilnehmern gebe: "Es gibt viele Länder mit ihren eigenen Interessen und ihren eigenen politischen Zielrichtungen." Aufstrebende Schwellenländer wie Brasilien verlangen stärkere Mitsprache. Die Teilnehmer des Gipfels repräsentieren rund 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung.

Einige Länder forderten ein weltweites Konjunkturprogramm im Kampf gegen die wirtschaftliche Talfahrt. Der spanische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero sagte dazu: "Wir können und müssen diese Lage bewältigen. Aber wir brauchen dazu abgestimmte Aktionen." Von amerikanischer Seite hieß es, der scheidende Präsident Bush wolle eine Entscheidung darüber seinem Nachfolger Obama überlassen.

Am Rande des Gipfels trafen Berater Obamas mit Vertretern von mehr als einem Dutzend Ländern zusammen, darunter auch Deutschland. Die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright und der ehemalige republikanische Kongressabgeordnete Jim Leach sollen den künftigen US-Präsidenten im Anschluss über die Gespräche informieren.

Obama will rasche Konjunkturspritze

Obama hatte zuvor angekündigt, die Verabschiedung einer Konjunkturspritze für die angeschlagene amerikanische Wirtschaft beschleunigen. Er forderte den Kongress zu schnellem Handeln auf. Dazu sollte auch die Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosenunterstützung gehören, sagte Obama in seiner wöchentlichen Ansprache auf der Internetseite der Demokratischen Partei. "Wenn der Kongress nicht sofort einen Plan verabschiedet, der der Wirtschaft den Auftrieb gibt, den sie braucht, werde ich das zu meiner ersten Anordnung als Präsident machen", sagte Obama, der am 20. Januar als Nachfolger von George W. Bush vereidigt wird.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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