Weltfinanzgipfel:Erste Schritte auf einem langen Weg

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Von historischem Gipfel bis zum Beginn einer neuen Welt: Die Teilnehmer des Weltfinanzgipfels ziehen voll Zuversicht Bilanz. Auch Bundeskanzlerin Merkel zeigt sich zufrieden - ersehnt jedoch den Machtwechsel im Weißen Haus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach dem Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Washington eine positive Bilanz gezogen. Künftig werden "alle Marktteilnehmer, alle Produkte und alle Märkte wirklich überwacht und reguliert werden", so Merkel. Ihr Fazit: "Wir haben wichtige Schritte zu einer globalen Wirtschaftsordnung gemacht."

"Wichtige Schritte zu einer globalen Finanzordnung": Bundeskanzlerin Merkel mit dem scheidenden US-Präsidenten George W. Bush. (Foto: Foto: dpa)

Die zuletzt festgefahrenen Verhandlungen um ein neues Welthandelsabkommen wollen die Gipfelteilnehmer bis zum Jahresende abschließen. Dieser Wille sei bei den Beratungen deutlich geworden, erklärten Merkel und der britische Premierminister Gordon Brown am Samstag übereinstimmend.

Brown sagte, dass Indien und die USA in den nächsten Wochen einen entscheidenden Streit bezüglich der Landwirtschaft zügig beilegen könnten. Der Zwist hatte die Verhandlungen zuletzt zum Erliegen gebracht. "Wir sind jetzt entschlossen, in den nächsten Wochen eine Einigung zu haben", sagte Brown. Merkel sagte, die noch ausstehenden Probleme bei der Welthandelsrunde, der sogenannten Doha-Round, würden bis Jahresende geklärt.

Als Grund nannte sie das nahende Ende der Amtszeit von George W. Bush am 20. Januar. Mit der neuen US-Regierung werde es "wieder sehr, sehr lange dauern, ehe der Verhandlungsstand und auch die Kenntnis der Verhandler wieder da ist."

Bekenntnis zum freien Markt

Die Gipfelteilnehmer einigten sich darauf, dass es künftig auf den Finanzmärkten keine Überwachungslücken mehr geben soll. "Wir müssen die Grundlage für eine Reform legen, die bewirkt, dass eine globale Krise wie die jetzige, sich nicht wiederholen kann", heißt es in ihrer Abschlusserklärung. Zudem bekennen sich die G-20 ausdrücklich zu den Prinzipien eines freien Marktes. Gerade George W. Bush hatte dies immer wieder gefordert. Sie seien der beste Weg zu Wohlstand rund um den Globus, sagte der scheidende US-Präsident.

Explizit wird in dem fünfseitigen Abschlusspapier eine größere Überwachung der Ratingagenturen angesprochen sowie eine stärkere Reglementierung der spekulativen Hedge-Fonds. Gefordert wird auch die Einrichtung neuer globaler Kontrollgremien, die der grenzüberschreitenden Verflechtung der Finanzindustrie Rechnung tragen. Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) sollen modernisiert werden.

Dieser will als Folge der Beschlüsse des Weltfinanzgipfels in Washington die Überwachung der Finanzmärkte ausweiten. Bislang durchleuchte das entsprechende Programm des Fonds die Finanzsysteme lediglich von etwas mehr als 40 Ländern, sagte IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn. "Wir sind sehr glücklich, dies jetzt auszubauen."

Die Regulierung der Finanzmärkte müsse den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entsprechen, sagte der scheidende US-Präsident George W. Bush am Ende des Treffens. "Unser Regulierungssystem stammt noch aus dem 20. Jahrhundert." Rund 50 konkrete Maßnahmen eines Aktionsplans sollen bis Ende März nächsten Jahres ausgearbeitet werden. Dann soll es bis Ende April eine Folgekonferenz geben, vereinbarte die G20. Sie repräsentiert rund 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung.

Der französische Staatschef und EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy lobte Europas Geschlossenheit. "Wir betreten eine neue Welt", sagte er. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach von einem historischen Gipfel, betonte aber: "Dies ist der Beginn eines Prozesses, das ist nicht das Ende."

Auch Weltbankpräsident Robert Zoellick äußerte sich zufrieden über die Ergebnisse des Weltfinanzgipfels. Die Gipfelteilnehmer hätten damit begonnen, "eine solide Basis der Diskussion, des Einsatzes und der Verständigung" aufzubauen, erklärte Zoellick. Es komme aber nun auf die weiteren Schritte an. Von den Staats- und Regierungschefs werde eine "weltweite, abgestimmte und schnelle Antwort" auf die Finanzkrise erwartet, teilte der Weltbankchef mit.

Von Saudi-Arabien wird Zoellick jedoch keine Unterstützung bekommen. Nach den Worten des Finanzministers Ibrahim al-Assaf nicht die Absicht, dem IWF oder anderen internationalen Institutionen mit zusätzlichen Mitteln unter die Arme zu greifen. Dafür gebe es keine Notwendigkeit, sagt Assaf am Rande des Gipfeltreffens. Er reagierte damit auf Forderungen des britischen Premierministers Gordon Brown, das Nahost-Königreich solle wegen seiner hohen Devisenreserven mit zusätzlichen Beiträgen zum Internationalen Währungsfonds (IWF) mithelfen, die Folgen der Finanzkrise für Schwellenländer abzufedern.

"Das ist seine Meinung, aber nicht unsere", sagte Assaf zum Vorstoß Browns. Saudi-Arabien brauche das Geld für die eigene nationale Entwicklung. Das Königreich nehme entgegen vieler Gerüchte nicht am Finanzgipfel teil, "um die Rechnung zu bezahlen". Saudi-Arabien sei aber ein großzügiges Geberland.

Noch bis Ende 2008 soll es bei den seit Jahren erfolglosen Verhandlungen über ein neues Welthandelsabkommen doch noch zumindest eine Grundsatzeinigung geben. Einige Länder forderten überdies ein weltweites Konjunkturprogramm gegen die wirtschaftliche Talfahrt.

Der Ort des Folgegipfels ist noch offen. In Washington hieß es aber, das Treffen könne in London stattfinden. Dann wird auch der künftige US-Präsident Barack Obama dabei sein, der am Treffen in Washington nicht teilnahm.

© dpa/AFP/AP/Reuters/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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