Welternährungsorganisation warnt:Hoher Ölpreis bedroht Ernährung

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Der steigende Ölpreis führt zu einem neuen Konflikt zwischen Lebensmittelproduktion und Bioenergieerzeugung. Die Folge: Hunger in armen Ländern.

C. Gammelin

Neun Monate nach dem Ausbruch der globalen Wirtschaftskrise warnt die Welternährungsorganisation FAO vor einem neuen Konflikt zwischen Lebensmittelproduktion und Bioenergieerzeugung. "Die Konkurrenz verschärft sich wieder deutlich", sagte Alexander Müller, beigeordneter FAO-Generaldirektor der Süddeutschen Zeitung.

Eine Mutter mit ihrem unterernährten Kind in einem Krankenhaus in Somalia (Foto: Foto: Reuters)

Getrieben von dem seit Jahresbeginn um 67 Prozent gestiegenen Ölpreis würden wieder mehr landwirtschaftliche Flächen zum Anbau von Pflanzen genutzt, aus denen Biotreibstoffe hergestellt werden können, sagte Müller. In der Folge verteuerten sich Lebensmittel erneut. "Den Menschen in den ärmeren Ländern tut es schon wieder richtig weh."

In Peru stieg der Preis für eine Tonne Weizen seit Jahresbeginn von 580 US-Dollar auf deutlich über 610 Dollar. Auch auf den lokalen Märkten armer Staaten wie dem westafrikanischen Mauretanien oder Sri Lanka müssen 600 Dollar für eine Tonne Weizen gezahlt werden.

Der Preisanstieg falle umso deutlicher aus, weil die zu Beginn der Krise gefallenen Weltmarktpreise nicht bei den Hungernden angekommen seien. "Lebensmittel in Entwicklungsländern sind immer noch mehr als 25 Prozent teurer als im Durchschnitt der vergangenen Jahre", so Müller. Eine Tonne US-Exportweizen koste derzeit etwa 250 Dollar. "Wenn der Weltmarktpreis jetzt weiter nach oben geht, wird der lokale Preis in Mauretanien nicht fallen", sagte Müller.

Die Preise auf dem globalen Agrarmarkt werden seit 2007 deutlich von Bioenergien beeinflusst. Unter anderem die Konkurrenz zwischen Lebensmittelerzeugern und Bioenergieproduzenten um landwirtschaftliche Anbauflächen trieb die Nahrungsmittelpreise im vergangenen Jahr trotz sehr guter Ernten auf Rekordhöhe.

Nach dem Ausbruch der Wirtschaftskrise und dem Verfall des Ölpreises stellten viele Unternehmen weitere Investitionen zunächst zurück, die Lebensmittelkrise verschwand. Das ändert sich jetzt mit dem wieder steigenden Ölpreis. Anfang 2009 kostete ein Barrel (159 Liter) der Sorte Brent noch 39,53 Dollar, Anfang Juli sind es knapp 66 Dollar, was einem Anstieg von 67 Prozent entspricht.

Bioenergie werde bei hohen Ölpreisen rentabel, da sich "die Preise für Bioenergie am Mineralöl anlehnen", sagt Klaus-Dieter Schumacher vom Hamburger Agrarhandelshaus Toepfer.

Die steigende Nachfrage nach Energie gefährdet nach FAO-Ansicht die Nahrungsmittelsicherheit. "In den kommenden dreißig Jahren wird sich die Nachfrage nach Energie verdoppeln. Steigende Energiepreise führen in den armen Ländern direkt zu Hunger", sagte FAO-Vize Müller. In diesem Jahr würden weltweit erstmals mehr als eine Milliarde Menschen hungern.

In Kürze wird die Welternährungsorganisation Empfehlungen für internationale Standards veröffentlichen, die die Länder beim Anbau von Pflanzen zur Biotreibstofferzeugung nutzen sollen. Diplomatischen Kreisen zufolge schließt die FAO in dem vorläufigen Bericht zwar aus, dass Bioenergieherstellung prinzipiell die Versorgung mit Lebensmitteln beeinträchtigt. Allerdings könne sie "unter bestimmten klimatischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen zu Hungersnöten führen".

Verzicht auf Mais und Raps

So sei der Anbau von Zuckerrohr zur Erzeugung von Bioethanol in Brasilien wegen des günstigen Klimas ökologisch unbedenklich und aufgrund des hohen Energiegehaltes sogar zu empfehlen. Hingegen sollten die USA darauf verzichten, auf ihren landwirtschaftlichen Flächen vor allem Mais als Biomasse anzubauen, da dafür mehr Energie aufgewendet werden müsse als Treibstoff gewonnen werde. Gleiches gelte für Raps in Deutschland.

Kleinbauern sollen künftig an der Bioenergieerzeugung beteiligt werden. "Anhand von Tansania zeigen wir, dass kleine Bauern davon leben können, Energiepflanzen anzubauen und dass es für Raffinerien profitabel ist, mit ihnen zusammen zu arbeiten", sagte ein deutscher Diplomat. Der Bericht gebe "praktische Empfehlungen, welche Pflanze in welchem Land von wem mit Gewinn angebaut werden kann".

Zunächst sollen neben Tansania auch Thailand, Peru und Kambodscha konkrete Hinweise bekommen. Die FAO fordert zudem die nationalen Regierungen dazu auf, in ihren Ländern die Voraussetzungen für die Kooperation der Kleinbauern mit den Raffinerien zu schaffen. "Bisher ist meist das Ölministerium für Bioenergie zuständig, die wissen natürlich nichts von Landwirtschaft", sagt ein Diplomat.

© SZ vom 13.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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