Süddeutsche Zeitung

Weltbank:Schmutzige Geschäfte - gut getarnt

  • Die Weltbank investiert mit all ihren Töchtern nach Recherchen der Entwicklungsorganisation Urgewald, die NDR, Deutscher Welle und Süddeutscher Zeitung vorliegen, noch immer massiv in fossile Energie.
  • Institutionen wie das Entwicklungsministerium nehmen die Weltbank in Schutz. Viele Projekte seien Relikte alter Weltbank-Politik.
  • Doch es gibt auch junge Projekte fossiler Förderung - sie sind, so legt es der Report nahe, nur gut getarnt.

Von Michael Bauchmüller, Astrid Rasch und Elisabeth Weydt

Was Naturgewalten anrichten können, das weiß in diesen Tagen niemand besser als die Einwohner von Beira in Mosambik. Seit der Zyklon Idai über Teile des Landes hinwegzog, liegt die Hafenstadt Beira weitestgehend in Trümmern. 600 Menschen starben allein in Mosambik, die Cholera breitet sich aus. Klimaforscher erwarten, dass solche Zyklone gravierender werden, wenn sich das Klima weiter erwärmt. Daran könnte, wie das Schicksal so spielt, auch Mosambik selbst seinen bescheidenen Anteil haben. Und auch die Weltbank - obwohl die sich zuletzt so lautstark dem Klimaschutz verschrieben hatte.

Nach Recherchen der Entwicklungsorganisation Urgewald, die NDR, Deutscher Welle und Süddeutscher Zeitung vorliegen, investiert die Weltbank mit all ihren Töchtern immer noch massiv in fossile Energie. So seien in den Finanzjahren 2014 bis 2018 insgesamt zwölf Milliarden Dollar in Öl, Gas oder Kohle geflossen, aber nur fünf Milliarden Dollar in erneuerbare Energien. Ihr gesamtes Energie-Portfolio umfasst demnach 21 Milliarden Dollar für fossile, aber nur sieben Milliarden für erneuerbare Energien wie Wind oder Sonne. Zähle man die umstrittenen großen Wasserkraftwerke zu Ökoenergien hinzu, wären es 15 Milliarden Dollar - immer noch deutlich weniger als die klimaschädliche Alternative. Koordiniert wurde die Recherche vom Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ), auch Zeitungen in Mosambik und Nigeria waren beteiligt.

Die Weltbank, deren Mitglieder an diesem Donnerstag zur Frühjahrstagung zusammentreffen, weist die Vorwürfe zurück. Schließlich habe sie im Finanzjahr 2018 allein für den Klimaschutz 20,5 Milliarden Dollar bereitgestellt, so viel wie nie. Zehn Milliarden seien in saubere Energien geflossen. "Nichts davon spiegelt der Urgewald-Report", sagt ein Weltbank-Sprecher. Auch das Entwicklungsministerium nimmt die Weltbank in Schutz. Deren Kredite hätten mitunter Laufzeiten von bis zu 35 Jahren. Soll heißen: Viele Projekte sind Relikte alter Weltbank-Politik.

Der Klimaschutz wird auch Thema bei der jetzt beginnenden Frühjahrstagung sein

Doch es gibt auch junge Projekte, sie sind, so legt es der Report nahe, nur gut getarnt. Erst auf den zweiten Blick erweisen sie sich als fossile Förderung. An Mosambik etwa, das auf gewaltigen Mengen Kohle sitzt, gab die Weltbank einen Kredit zur Armutsbekämpfung - unter kohlefreundlichen Auflagen: Es gebe Bedenken, so zitiert der Urgewald-Report aus Weltbank-Dokumenten, dass der Staat bei Minen "potenzielle Investoren extrem hoch belastet und von Investitionen abschreckt". Am Ende gab es für Kohle-Investoren Steuersenkungen und eine niedrigere staatliche Förderabgabe.

Schon vorher hatte der Privatsektor-Arm der Weltbank, die International Finance Corporation IFC, einen üppigen Kredit für den Bau einer Kohlebahn zum Hafen Nacala gewährt. Damit soll die Kohle zum Exportprodukt für Mosambik werden. Die Rohstoffeinnahmen, so erklärt die Weltbank, hätten "enormes Potenzial bei der Armutsbekämpfung". Allerdings haben die Exporte auch enormes Klimapotenzial. "Die Weltbank hat hier versagt", sagt Ute Koczy, Weltbank-Expertin bei Urgewald. Dass ausgerechnet Mosambik nun von einem Zyklon getroffen werde, sei "ein bitterer Zug der Geschichte".

In Nigeria hat Aliko Dangote einmal zehn Millionen Dollar von der Bank geholt, nur um seinen Reichtum mit eigenen Händen zu fühlen. Danach zahlte er das Geld wieder ein. Dangote hat das kürzlich selbst erzählt, er gilt als reichster Mann Afrikas. Beim Bau einer Raffinerie in Nigeria aber kann auch er auf die Weltbank zählen: 150 Millionen Dollar Kredit gab die Tochter IFC für den Bau. Allerdings sei das Geld nicht direkt für die Raffinerie geflossen, betont die Weltbank - sondern für die Herstellung von Düngemitteln in der Anlage. Man erwarte, dass dies Nigerias Landwirtschaft helfe, erklärt ein Sprecher. Ob Dangote die verschiedenen Teile seiner Raffinerie auch so deutlich trennt, ist allerdings nicht bekannt. Gleichzeitig ist die IFC den Recherchen zufolge an mindestens fünf Banken beteiligt, die Dangote Geld für die riesige Raffinerie geliehen haben.

Es sind versteckte, oft indirekte Förderungen, die so gar nicht zu den jüngsten Bekenntnissen der Weltbank passen. Erst vorigen Monat hatte die damalige Interims-Präsidentin der Bank, Kristalina Georgieva, in einem SZ-Interview vor den dramatischen Folgen der Erderwärmung gewarnt. "Wie können wir von Entwicklung sprechen, wenn wir zugleich die ökologischen Grundlagen zerstören?", hatte sie gefragt. Gerade in Afrika wolle die Bank diese Botschaft verbreiten. Für die nächsten fünf Jahre hatte Georgieva deshalb 22,5 Milliarden Dollar Klimaschutz-Mittel angekündigt, allein für Afrika.

"Man sollte die Weltbank nicht nur schwarz-weiß sehen"

Tatsächlich war die Bank schon 2015 aus der Finanzierung weiterer Kohlekraftwerke ausgestiegen. Vom nächsten Jahr an soll es für Ölprojekte nur noch in Ausnahmefällen Geld geben, etwa in besonders armen Ländern. Und in Klimaprojekte steckt sie mehr Geld als jede andere Entwicklungsbank: 200 Milliarden Dollar in den nächsten fünf Jahren. "Man sollte die Weltbank nicht nur schwarz-weiß sehen", sagt Sophie Bartosch, die sich bei Germanwatch mit Klima und Finanzfragen beschäftigt. Aber am Pariser Klimavertrag, in dem sich die Staatengemeinschaft gegenseitig versprochen hatte, die Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, seien ihre Finanzströme noch nicht genügend ausgerichtet. "Da gibt es noch einige Lücken, die zu schließen sind", sagt Bartosch.

Die Lücken aber sind schwer zu finden. Im südamerikanischen Guyana etwa, vor dessen Küste Exxon Mobil Öl gefunden hat, gab die Weltbank Geld an die Regierung - für die Verwaltung rund um die Ölvorkommen. Reine "technische Hilfe" sei das, heißt es bei der Weltbank. "Diese Hilfe finanziert keine Förderung von Öl oder Gas." Kritiker der Bank sehen darin eine Finte. "Das ist der ganz große Trick der Weltbank", sagt Grünen-Entwicklungspolitiker Uwe Kekeritz. Zwar sei sie kaum mehr an der direkten Förderung fossiler Energie in der Welt beteiligt. "Sie bereitet aber das Feld vor." So hätte die Bank auch daran arbeiten können, Guyana einen Ausgleich anzubieten - nämlich dafür, dass das Öl im Boden bleibt. So aber ist das kleine Land auf bestem Wege, zur zweitgrößten Ölnation Südamerikas zu werden.

Widerstand regt sich auch in Guyana. "Mir scheint, die Weltbank widerspricht sich selbst", sagt die Anwältin Melinda Janki, die gegen den Vertrag zwischen der Regierung in Guyana und Exxon Mobil klagt. "Sie will die Umwelt schützen, was fossile Energien aber nicht tun. Sie will Guyana schützen, unterstützt aber einen Deal, der wirtschaftlich schlecht ist, der Umwelt schadet und wahrscheinlich sogar illegal ist." Ende März aber nickten die entscheidenden Gremien der Weltbank das Guyana-Programm ab.

Deutschland hatte sich dort der Stimme enthalten. Man habe sich "eine stärkere Steuerungswirkung zugunsten eines ökologisch nachhaltigen Umbaus" gewünscht, heißt es im Entwicklungsministerium. Überhaupt sei man mit Weltbank und anderen Anteilseignern im engen Dialog, "um die Bank an den Pariser Klimazielen auszurichten". Deutschland etwa hat vier Prozent der Stimmrechte, die Europäer gemeinsam kommen auf mehr als ein Viertel der Stimmrechte. "Europa muss gemeinsam auf dieser Frühjahrstagung auftreten und die Klimakatastrophe zum Tagesordnungspunkt machen", sagt Urgewald-Frau Ute Koczy. "Stattdessen wird es wahrscheinlich eher um Gewinne gehen."

Allerdings kommen auch andere bei der Frühjahrstagung zu Wort. Die Staatengruppe der "Verletzlichen 20" etwa, die V 20. Sie wollen an diesem Donnerstag darüber reden, wie sich die Folgen des Klimawandels stemmen lassen - solche wie der Zyklon in Mosambik. Und am Samstag soll feierlich eine Finanzminister-Koalition für Klimaschutz aus der Taufe gehoben werden, mit tatkräftiger Unterstützung der Weltbank. Auch das soll zeigen, wie sich Finanzströme verändern, im Kampf gegen die Erderwärmung. Zumindest nach außen hin.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2019/hgn
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