Süddeutsche Zeitung

Weltbank:Der Präsident geht

Jim Yong Kim verlässt die Organisation vorzeitig. Jetzt hängt deren Zukunft vor allem von den USA ab.

Von Nikolaus Piper

Die Nachricht traf auch Insider des internationalen Politikbetriebs in Washington völlig unvorbereitet. Der Präsident der Weltbank, Jim Yong Kim, gibt sein Amt am Ende dieses Monats vorzeitig auf. Der 59-Jährige teilte den Gremien der internationalen Organisation am Montag mit, dass er künftig für eine Investmentfirma arbeiten wird, die unter anderem Infrastruktur-Projekte in Entwicklungsländern finanziert. Um welche Firma es sich handelt, geht aus der offiziellen Mitteilung der Weltbank nicht hervor. Eigentlich hätte die Amtszeit Kims erst Mitte 2022 enden sollen. Von Februar an wird zunächst die Managerin Kristalina Georgieva - sie trägt den Titel CEO - als Interimspräsidentin die Bank leiten.

Damit beginnt eine Phase der Unsicherheit für die Weltbank mit ihren 189 Mitgliedsstaaten. Das hat wesentlich mit der Präsidentschaft von Donald Trump zu tun. Seit Bestehen der Weltbank ist ihr Präsident immer ein Amerikaner gewesen. Den Internationalen Währungsfonds (IWF) leitet zum Ausgleich stets ein Europäer (derzeit die Französin Christine Lagarde). Die Regelung ist historisch begründet, aber längst anachronistisch geworden. Nur hat es bisher noch niemand geschafft, diese zu ignorieren, auch weil die Vereinigten Staaten der größte Zahler der Weltbank sind. Faktisch wird also über die Nominierung des Kandidaten für die Nachfolge Kims im Weißen Haus entschieden. Durch den Amtsverzicht Kims liegt diese Entscheidung nun in den Händen des unberechenbaren Donald Trump.

Traditionell gehören konservative Republikaner zu den schärfsten Kritikern der Weltbank, weil sie die Organisation für einen Selbstbedienungsladen für Regime der Dritten Welt halten, die nicht wirtschaften können. Gemessen daran verhielt sich Trump bisher bemerkenswert pragmatisch. Die USA verhinderten 2017 nicht, wie einige befürchtet hatten, die zweite Amtszeit Kims und sie stimmten, noch wichtiger, im vergangenen April einer Kapitalerhöhung über 13 Milliarden Dollar zu, dank der die Weltbank eine Fülle neuer Projekte finanzieren kann. "Die Kapitalerhöhung war die bedeutendste internationale Vereinbarung seit dem Pariser Klimaabkommen", sagt ein Insider.

Kim selbst wird vermutlich als einer der großen Reformer in die Geschichte der Weltbank eingehen. Es war der damalige Präsident Barack Obama, der den in Südkorea geborenen Amerikaner 2012 aussuchte. Anders als alle seine Vorgänger in dem Amt war Kim vorher weder Politiker, Banker oder Diplomat, sondern Arzt. Er arbeitete als Direktor für Aids-Bekämpfung bei der Weltgesundheitsorganisation WHO. Vor seinem Wechsel zur Weltbank leitete er die Eliteuniversität Dartmouth College in den Vereinigten Staaten.

In jungen Jahren gehörte Kim zu den vielen Kritikern, die der Weltbank vorwarfen, den Ländern der Dritten Welt, für die sie eigentlich da ist, mehr zu schaden als zu nutzen. 1995 war er sogar nach Washington gereist, um für die Abschaffung der Weltbank zu demonstrieren, berichtete er in einem Interview der SZ. Von der Meinung ließ er irgendwann ab, aber als er 2012 sein Amt antrat, tat er dies mit sehr hohem Anspruch: "Die Bank muss sich fundamental ändern, ihr Anreizsystem, ihre Struktur, wie wir zusammenarbeiten und wie Wissen in der Organisation transportiert wird." Kim nahm diesen Anspruch ernst: Er baute die Strukturen der Weltbank von Grund auf um. Das brachte ihm heftige Proteste der Mitarbeiter ein. Von einer "Kultur der Angst" war damals die Rede. Aber Kim hatte die Unterstützung der Mitgliedsländer. "Wir haben mit Kim hervorragend zusammengearbeitet", sagt etwa der deutsche Exekutivdirektor Jürgen Zattler.

Zu den wichtigen Veränderungen der Ära Kim gehört es, dass die Weltbank ihr Aufgabengebiet erweitert hat. Sie beschäftigt sich nicht mehr nur mit der Bekämpfung der Armut oder dem Aufbau von Infrastruktur in der Dritten Welt, sondern steckt viel mehr Geld in globale Aufgaben wie den Klimaschutz.

Für die Weltbank hängt jetzt vieles von Donald Trump ab. Wird es beim bisherigen Pragmatismus bleiben? Wer werden seine Berater? Und wird sein Kandidat einen Gegenkandidaten bekommen, wird also die alte Machtteilung zwischen Amerika und Europa in Frage gestellt werden?

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Quelle:
SZ vom 08.01.2019
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