Kampf gegen Armut:Ex-Mastercard-Manager soll Weltbankchef werden

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Ajay Banga, der frühere Chef von Mastercard, wurde in Indien geboren. (Foto: Eduardo Munoz/Reuters)

US-Präsident Biden schlägt überraschend Ajay Banga als Nachfolger von Trump-Mann David Malpass vor. Auf den Neuen wartet eine schwierige Aufgabe.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Ein ehemaliger Kreditkartenmanager als neuer Weltbankchef? Wenn es Joe Biden darum ging, die internationale Staatengemeinschaft mit seinem Kandidaten für die Nachfolge von David Malpass zu überraschen, dann ist ihm dieser Coup ohne Zweifel gelungen. Der US-Präsident schlug am Donnerstag vor, Ajay Banga, den früheren Chef des Finanzkonzerns Mastercard, mit dem Amt zu betrauen. Banga habe "mehr als drei Jahrzehnte seines Lebens damit verbracht, erfolgreiche, weltweit tätige Unternehmen aufzubauen und zu führen, die Jobs schaffen und Investitionen in Entwicklungsländer bringen", hieß es in einer schriftlichen Erklärung Bidens. Zudem habe der 63-Jährige schon mehrfach Firmen durch "Zeiten fundamentaler Veränderungen geleitet".

Diese Erfahrungen wird der in Indien geborene Banga tatsächlich gebrauchen können, sollte er denn vom Weltbankvorstand tatsächlich gewählt werden. Denn die USA streben als mit Abstand größter Anteilseigner der Weltbank nicht nur einen personellen, sondern auch einen inhaltlichen Neuanfang an. Bislang kümmerte sich die Weltbank vor allem um den Kampf gegen den Hunger sowie die Finanzierung von Entwicklungsprojekten in armen Ländern, während der Internationale Währungsfonds (IWF) als Schwesterinstitution Staaten in Finanznöten Zahlungsbilanzhilfen gewährt. Künftig soll sich die Bank über ihre bisherigen Aufgaben hinaus auch globalen, nicht länderbezogenen Aufgaben wie dem Kampf gegen Klimawandel und Pandemien sowie der Verbesserung der globalen Gesundheitsversorgung widmen.

Der bisherige Präsident Malpass stand diesem Kurswechsel ganz offensichtlich im Weg, weshalb in Kreisen der Weltbankmitgliedsländer nicht wenige mutmaßen, dass seine überraschende Rücktrittsankündigung von vor wenigen Tagen nicht ganz freiwillig geschah. Er war bereits im vergangenen September unter öffentlichen Beschuss geraten, nachdem er auf die Frage, ob der Klimawandel menschengemacht sei, ausweichend geantwortet hatte. Aktivistengruppen wie die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Urgewald bezeichneten Malpass seither als Klimaleugner und forderten seine Demission. Der 66-Jährige war noch von Bidens Vorgänger Donald Trump nominiert worden, seine Amtszeit wäre eigentlich noch bis April kommenden Jahres gelaufen.

Die USA haben bei der Auswahl des Weltbankpräsidenten traditionell das Vorschlagsrecht, während die Staaten der Europäischen Union für sich reklamieren, die Chefin oder den Chef des IWF bestimmen zu dürfen. An dieser Aufteilung regt sich schon seit zwei Jahrzehnten Kritik, vor allem große Schwellenländer wie Brasilien, Argentinien, China, Indien und Südafrika verlangen mehr Mitspracherecht. Bidens schnelle Kandidatenkür zeigt aber nun, dass er ganz offensichtlich nicht daran denkt, dass bisherige Verfahren zu ändern.

Urgewald-Aktivistin Ute Koczy hatte bereits vor Bekanntgabe des Vorschlags gefordert, den Nominierungsprozess grundlegend umzugestalten. Die Vereinigten Staaten dürften nicht wie bisher einfach ihren Kandidaten durchsetzen, erklärte sie. "Eine Kandidatin, die im Schulterschluss mit anderen Ländern gefunden wird, wäre (...) ein Signal, dass es die USA, Deutschland, Frankreich und andere mit einer Reform der Weltbank ernst meinen: für Klimaschutz, den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas, für den Erhalt der Ökosysteme, für den Kampf gegen die Armut sowie für mehr Geschlechtergerechtigkeit."

Dass Koczy von einer "Kandidatin" spricht, ist kein Zufall, denn auch in den USA selbst hatte es in den vergangenen Tagen Forderungen gegeben, erstmals eine Frau an die Spitze der 1944 geschaffenen Weltbank zu befördern. Genannt worden waren unter anderem Samantha Power, die Chefin der US-Agentur für Internationale Entwicklung und die derzeitige Chefin der Welthandelsorganisation, Ngozi Okonjo-Iweala, die sowohl die US- als auch die nigerianische Staatsangehörigkeit besitzt.

Stattdessen entschied sich Biden für Banga. Dieser habe "eine einzigartige Sichtweise der Möglichkeiten und Herausforderungen, denen sich Entwicklungsländer gegenübersehen, und wie die Weltbank ihre ambitionierte Aufgabe erfüllen kann, Armut zu reduzieren und mehr Wohlstand zu bringen", so der Präsident. Ähnlich äußerte sich ein ranghoher Regierungsbeamter, den die Nachrichtenagentur Bloomberg zitierte: Banga bringe angesichts seiner Herkunft einen anderen Blick mit als seine Vorgänger, die oft aus dem Staatsapparat stammten. Er sei außerdem ein starker Verfechter von Geschlechtergerechtigkeit und der Einbeziehung von Minderheiten. Banga führt auf Bitten von US-Vizepräsidentin Kamala Harris zudem die Initiative Partnerschaft für Mittelamerika, die mehr privates Kapital für die Region mobilisieren soll.

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