Christoph Wellendorff:"Geld ist nicht das, was uns kitzelt"

Christoph Wellendorff: In Pforzheim stellt das Familienunternehmen Wellendorff seit 1893 exklusiven Goldschmuck her.

In Pforzheim stellt das Familienunternehmen Wellendorff seit 1893 exklusiven Goldschmuck her.

(Foto: Wellendorff)

Schmuck der Firma Wellendorff kostet leicht so viel wie ein Kleinwagen. Doch der Vertriebschef sagt, auf Geld komme es dem Familienclan gar nicht an. Genauso wenig wie auf Stars als Werbebotschafter.

Interview von Christina Kunkel, Pforzheim

Zum Interview in der Schmuckmanufaktur kommt Christoph Wellendorff in grauem Anzug und Turnschuhen. Feine Treter wären auch unpraktisch, denn der 57-Jährige geht jeden Tag zu Fuß mit seinem Bruder Georg eine halbe Stunde in die Firma und abends wieder zurück. Nur zwei Schmuckhersteller produzieren noch in der Goldstadt Pforzheim. Beide im Luxussegment. Entsprechend sieht es auch aus in der Wellendorff-Manufaktur. Überall strahlt es goldig, im Eingangsbereich blitzen Brillanten aus Vitrinen. Nur wenige Top-Kunden bekommen eine Führung durch die Firmenräume.

SZ: Herr Wellendorff, wissen Sie schon, was Sie Ihrer Frau zu Weihnachten schenken?

Christoph Wellendorff: Ja, aber das kann ich jetzt natürlich nicht verraten. Meiner Frau etwas zu schenken, ist auf der einen Seite einfach, auf der anderen anspruchsvoll. Einfach, weil sie mir irgendwann gesagt hat: Christoph, was du am besten kannst, ist Schmuck schenken. Das rührt aber auch daher, dass andere Geschenke von mir nicht so gut ankamen.

Was denn zum Beispiel?

Ich habe ihr mal ein Sofa geschenkt. Damit habe ich ihren Geschmack nicht getroffen (lacht). Der anspruchsvolle Teil ist, jemanden immer wieder zu überraschen, der sich mit Schmuck sehr gut auskennt.

Das Schmuckgeschäft ist immer noch sehr auf Frauen ausgerichtet. Auch bei Ihnen.

Ja, auch unseren Schmuck tragen fast nur Frauen. Alle drei Ikonen, die wir bislang bei Wellendorff entwickelt haben, haben wir aus Liebe zu unseren Frauen gemacht. In den Siebzigerjahren hat mein Vater meine Mutter mit "dem weichsten Collier der Welt" überrascht. 1997 hat mich die Geburt unseres Sohnes zu einem drehbaren Ring als Symbol für den Kreislauf des Lebens inspiriert. Und mein Bruder erfüllte seiner Frau einen Herzenswunsch: Das erste Armband aus Gold, das umarmt, weil es kein Schloss mehr braucht.

Aber inzwischen darf sich auch der Mann mehr und mehr schmücken. Als ich den ersten Prototypen unseres neuen Armbands mit nach Hause gebracht habe, meinten unsere Kinder: "Papa, das sieht cool aus, das musst du jeden Tag tragen."

Christoph Wellendorff: Christoph Wellendorff kümmert sich im Familienunternehmen um den Vertrieb.

Christoph Wellendorff kümmert sich im Familienunternehmen um den Vertrieb.

(Foto: Jochen Kratschmer/Wellendorff/oh)

Ist es nicht ein bisschen gewagt, darauf zu vertrauen, was der eigenen Frau gefällt, kommt auch bei Ihren Kunden gut an?

Die Menschen spüren, dass die Liebe die Triebfeder hinter unserem Schmuck ist. Das ist wie in einem guten Restaurant. Wenn der Koch mit Liebe kocht, dann schmecken Sie das.

Aber Sie wollen natürlich auch Geld verdienen.

Ja, aber das Geld ist immer nur das Ergebnis, nicht die Antriebskraft.

Das hört sich jetzt sehr selbstlos an.

Wir machen das in der vierten Generation. Aber Geld ist nicht das, was uns kitzelt. Unser Kitzeln sind die glücklichen Menschen.

Machen Sie intern keine betriebswirtschaftlichen Vorgaben?

Wir denken nicht in Quartalen, sondern in Generationen. Jede Generation schreibt im Laufe ihres Lebens ihren Generationsreport. Immer am 22. Dezember gehen mein Bruder und ich gemeinsam essen und analysieren das Jahr im Rückblick. Das ist unser einziges Reporting.

Immer wieder taucht der Begriff "wahre Werte" auf. Auch Ihre Manufaktur heißt so. Was sind denn diese Werte?

Das sind keine finanziellen. Das sind Werte wie Familie, Ehrlichkeit, Vertrauen, Liebe. Wenn wir innerhalb dieser Werte unseren Schmuck herstellen, dann ziehen wir Menschen an, die diese Werte auch teilen und leben. Und die werden dann zu Wellendorff-Sammlern.

Aber das sind doch Menschen, die in der Regel mehr Geld haben als der Normalverdiener - also schon eine gewisse Klientel.

Wenn Sie in Wellendorff investieren, dann geht es los bei etwa 5000 Euro und für Unikate auch über eine Million Euro. Aber das sind unterschiedliche Kunden. Es gibt Menschen wie den Paketboten, der unsere Boutique im KaDeWe immer beliefert hat. Der hat fünf Jahre gespart, um seiner Frau einen Wellendorff-Ring schenken zu können. Aber es gibt auch den Milliardär, der in ein einzigartiges Schmuckstück investiert, das einen besonderen Moment für ihn und seine Familie ein Leben lang festhält.

Wer wissen will, was ein Schmuckstück bei Ihnen kostet, muss zu einem Juwelier gehen oder in eine Ihrer Boutiquen. Warum machen Sie aus den Preisen so ein Geheimnis?

Weil wir nicht wie bei der Tankstelle auf den Preis fixiert sind, sondern unseren Kunden erst erklären, was das Besondere an unserem Schmuck ist. Gold verarbeiten können viele. Alle sagen, bei Schmuck geht es immer nur um Wert und Design. Wir glauben, dass es eine dritte Dimension gibt, und zwar das Tragegefühl. Unser Schmuck birgt eine Reihe von Geheimnissen, die sich nicht auf einem Foto erschließen und die man sehen und erleben muss.

Der Begriff Luxus ist in der Vorstellung vieler auch immer verbunden mit Protzen und Dekadenz. Warum muss ich mir ein Armband für 20 000 Euro kaufen?

Ja, es tut auch ein günstigeres. Aber das wird nicht ein Leben lang halten. Es hat einen Grund, warum ein Schmuckstück bei uns ab 5000 Euro kostet. Wenn der Kunde weiß, dass er ein Leben lang daran Freude haben wird, dann ist das eine gute und auch nachhaltige Investition. Meine Frau hat mir einen Ring zu meinem 50. Geburtstag geschenkt, und dieser Ring erinnert mich täglich an diesen besonderen Moment: an das Lachen, das Singen, das Feiern und die Lebensfreude.

Wie ist Wellendorff bislang durch die Pandemie gekommen?

Während Corona haben wir uns alle noch intensiver mit den wahren Werten beschäftigt. Wir haben uns auf das konzentriert, was wirklich wichtig ist: Heimat, Liebe und Familie. 2021 ist für uns trotz der Pandemie ein sehr gutes Jahr.

Obwohl die Juweliere in den Lockdowns schließen mussten und Sie nicht online verkaufen?

Das hat uns nichts ausgemacht. Das Gute ist, man kann Schmuckkauf nachholen, bei uns geht es nicht um kurzfristige Trends. Und beraten konnten wir ja weiterhin, über das Telefon oder per Video. Menschlich waren wir getroffen, weil es natürlich für unsere Mitarbeiter eine schwierige Zeit war.

Sie kommunizieren keine Zahlen. Aber der Umsatz von Wellendorff ist in der Pandemie gestiegen?

Ja.

Wachsen Sie stetig?

Ja, in den letzten dreißig Jahren ist die Anzahl der Wellendorff-Sammler weltweit Jahr für Jahr gewachsen.

Wellendorff ist seit vier Generationen in Familienhand. Gibt es da nicht auch mal Zoff?

Klar gibt es auch Meinungsverschiedenheiten. Fünf Familienmitglieder in der Firma, das ist viel. Aber es gibt bei uns ein Gesetz, und das lautet: Familiensinn geht über Eigensinn. Wenn man es schafft, diese goldene Regel zu leben, funktioniert das. Wir wollen nicht wie die Guccis enden - den Film über die Familie habe ich gerade erst gesehen. Daran sieht man exemplarisch: Das Problem ist immer das Ego. Es gibt natürlich auch kritische Phasen, zum Beispiel beim Generationswechsel. Immer wenn Rollenwechsel kommen, wird es anspruchsvoll.

Wie meistern Sie diese kritischen Phasen?

Entscheidender Faktor war bislang immer das Einfühlungsvermögen unserer Mutter. Sie hat das so gemanagt, dass jeder seine Rolle gefunden hat.

Christoph Wellendorff: Fünf Familienmitglieder sind noch in der Firma Wellendorff aktiv (von links): Georg und seine Frau Claudia, sein Bruder Christoph sowie die Senior-Chefs Eva und Hanspeter Wellendorff.

Fünf Familienmitglieder sind noch in der Firma Wellendorff aktiv (von links): Georg und seine Frau Claudia, sein Bruder Christoph sowie die Senior-Chefs Eva und Hanspeter Wellendorff.

(Foto: Wellendorff/oh)

Sie haben rund 140 Mitarbeiter. Werden Sie auch da wachsen?

Das Gefühl, beim morgendlichen Rundgang jeden Mitarbeiter zu begrüßen, schafft eine Atmosphäre des Vertrauens in unserer großen Wellendorff-Familie. Um das auch in Zukunft beibehalten zu können, wachsen wir mehr über Qualität und versuchen, die Anzahl unserer Mitarbeiter konstant zu halten. Der Charakter von Wellendorff hat auch etwas mit den Menschen zu tun, die hier arbeiten.

Welche Folgen hat diese Strategie für Ihre Kunden?

Wir haben eine Jahreskapazität. Und wenn der Markt mehr möchte, werden die Lieferzeiten länger. Wir mussten schon im August unseren Juwelieren sagen, dass wir für Weihnachten keine Bestellungen mehr annehmen.

Wie lange muss man derzeit auf ein Schmuckstück warten?

Zwischen drei und sechs Monaten.

Wie viele Stücke können Sie am Tag fertigen?

Zwischen 30 und 40. Der Engpass ist auch die Qualität. Ein neuer Mitarbeiter in unserer Manufaktur muss erst unsere eigene Wellendorff-Akademie für zwei Jahre durchlaufen. Denn ein Goldschmied arbeitet normalerweise mit einer Toleranz von einem zehntel Millimeter, bei Wellendorff denken und arbeiten wir im Hundertstel-Millimeter-Bereich. Das ist ein Zehntel Ihrer Haarstärke.

Gerade bei Luxusmarken ist es immer wichtig, wer sie trägt. Ein Collier, das ein Filmstar bei den Oscars um den Hals hat oder eine Influencerin auf Instagram bewirbt, ist am nächsten Tag ausverkauft. Schicken Sie solchen Leuten auch Ihren Schmuck zu?

Nein. Das passt nicht zu uns. Ich schaue weder die Oscar-Verleihung, noch interessiert mich, was die Stars da für einen Schmuck tragen. Natürlich erhalten wir Anfragen von Agenturen, die uns Influencerinnen vermitteln wollen. Auch das lehnen wir ab. Brauchen wir nicht.

Aber warum machen es dann die meisten anderen Luxuslabels?

Weil deren Kunden Leute sind, die konsumieren, weil sie sich vom Image der Stars etwas erhoffen. Die definieren sich darüber, das Gleiche zu haben wie der Promi xy. Meiner Frau ist es aber total egal, was für ein Kleid Herzogin Kate trägt oder was für einen Ring Kim Kardashian hat. Und ich bin mir sicher, so ist das bei allen Wellendorff-Kundinnen.

Dabei gibt es durchaus Berühmtheiten wie den Pianisten Lang Lang, Bill Gates oder die japanische Kaiserfamilie, die Ihren Schmuck kaufen.

Darauf sind wir auch sehr stolz. Aber das erfahren wir oft erst, wenn irgendwo Fotos auftauchen, auf denen etwa die Frau von Bill Gates eines unserer Armbänder trägt. Nehmen Sie zum Beispiel das japanische Kaiserhaus. Sie können sich nicht erkaufen, dass ein Mitglied dieser Familie Ihren Schmuck trägt. Das macht es umso wertvoller.

Christoph Wellendorff, 57, hat nach seiner Ausbildung zum Juwelengoldschmied technisch orientierte Betriebswirtschaft und Feinwerktechnik in Stuttgart und Paris studiert. Seit 1991 arbeitet er im Familienunternehmen und ist dort verantwortlich für den Vertrieb. Neben ihm sind auch sein Bruder Georg, dessen Frau Claudia sowie die Senior-Chefs Hanspeter und Eva Wellendorff in der Firma aktiv.

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