Weißrussland:Eine Wurst, macht 54 000 Rubel

Weißrussland: Neue Scheine, alte Sorgen: Weißrussland leidet unter der Wirtschaftskrise des großen Nachbarn Russland.

Neue Scheine, alte Sorgen: Weißrussland leidet unter der Wirtschaftskrise des großen Nachbarn Russland.

(Foto: Sergei Grits/AP)

Die weißrussische Nationalbank streicht bei der Landeswährung vier Nullen. Das löst zwar die Probleme des Landes nicht, macht aber das Bezahlen einfacher.

Von Frank Nienhuysen, Minsk

Der Zahlungsverkehr stockt ein wenig, denn Margarita Schumko muss der alten Dame erst noch etwas Nachhilfe geben. Es sind nicht schwache Augen, die das Geschäft bremsen, es sind die Scheine. 54 000 weißrussische Rubel kostet die Wurst, die Kundin streckt fünf neue Rubel entgegen, weiß aber nicht so recht, was sie davon halten soll, denn gefühlt wirkt das wie ein Krümel im Vergleich zu einem Laib Brot. Schumko erklärt also geduldig: Fünf neue Rubel sind 50 000 alte, fehlen noch 40 neue Kopeken oder 4000 alte Rubel.

Margarita Schumko hilft der Dame mit der Routine einer Fleischverkäuferin, die das in nur wenigen Tagen bereits hundert Mal erledigt hat. Ihr Arbeitsplatz ist eine von vielen Fleischtheken, die sich auf dem großen Komarowski-Markt im Zentrum von Minsk dicht aneinanderreihen wie die Wurstsorten in ihrer Auslage: Die Doktorskaja-Wurst etwa, eine Art Gelbwurst für 89 500 Rubel das Kilo (in schwarzer Farbe) respektive acht 8 Rubel 95 (rot geschrieben), oder die Wolkowyskaja für 195 000 weißrussische Rubel pro Kilo. Oder eben 19 Rubel und 50 Kopeken, je nachdem, was der Kunde gerade so bei sich hat.

Vier Nullen weg, Münzen wieder her

Es geht gerade gehörig durcheinander beim Kaufen und Verkaufen, und Schumko macht sich erst gar nicht die Mühe, in der rechten Hand Ordnung zu halten, mit der sie einen Packen Geldscheine umfasst, kunterbunt durcheinander: abgegriffene Scheine von 100 000 oder 5000 weißrussischen Rubeln, dazwischen feste neue mit einem Nominalwert von fünf, zehn oder 20. (Zehn neue Rubel sind etwa 4,45 Euro). Sie sagt, "für mich ist das alles kein Problem. Es sind einfach vier Nullen weniger."

Die Menschen in Weißrussland haben sich in den vergangenen Jahren schon mehrmals kräftig umgewöhnen müssen beim Geld, aber meistens wurden die Dinge dabei einfach nur teurer. Dreimal bereits wurde der weißrussische Rubel infolge der Wirtschaftskrise abgewertet, in die das Land vor allem auch durch die Krise beim großen Nachbarn Russland gezogen wurde. Seit wenigen Tagen müssen sie sich nun an neue Scheine und Zahlen gewöhnen, aber das ist sicher die angenehmere Übung. Die Nationalbank, die gewartet hat, bis der weißrussische Rubel sich wieder stabilisiert, macht nun Schluss mit den Millionensummen und etwa einem 200 000-Rubel-Schein, der zwar der größte ist, umgerechnet aber nicht einmal zehn Euro wert. Mit der Denomination kehren jetzt sogar die Münzen nach Weißrussland zurück - und Kopeken gibt es plötzlich auch wieder.

Nadeschda Nikolajewna gefällt das neue Geld. Sie hat gerade der Händlerin Schumko ein paar Würste abgekauft und begutachtet die frischen fremden Münzen, von denen sie noch nicht recht weiß, wohin sie damit eigentlich soll. Ein eigenes Münzfach hat ihr Portemonnaie nämlich nicht, jahrzehntelang wurde so etwas im Lande nicht gebraucht. "Trotzdem gefällt mir das neue Geld. Auch wenn die Umgewöhnung am Anfang noch schwierig ist, aber immer wieder in Millionen zu rechnen, war doch auch nichts." Sie sagt, "die neue Zwei-Rubel-Münze, außen golden, innen silber, und die kleineren, festeren Scheine erinnern mich an den Euro. Europa ist uns nun näher." Eine neue Brieftasche mit Münzfach hat die junge Mutter bereits zu Hause liegen, "in Europa gekauft", sagt sie.

"Man brauchte bisher für zu viele Dinge einfach zu viele Scheine"

Hovsep Voskanyan, Vorstandsvorsitzender des Deutsch-Belarussischen Wirtschaftsclubs und Vertreter einer deutschen Bank in Weißrussland, betont, "die Denomination sei eine reine technische Maßnahme. Es geht nicht darum, Vertrauen herzustellen oder die Währung zu stabilisieren, das wird hier den Menschen auch nicht so verkauft. Man brauchte bisher für zu viele Dinge einfach zu viele Scheine."

Wirtschaftspolitisch habe die Umstellung aber keinerlei Auswirkung. Nur den neuen 500-Rubel-Schein, den hätte es aus Sicht des Bankers nicht unbedingt gebraucht. "Das ist ein sehr großer Schein, etwa so, als gäbe es in Deutschland eine 2000-Euro-Note." Dabei ist schon der 200-Euro-Schein in Europa reichlich unbedeutend.

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