Süddeutsche Zeitung

Schmuggelware:Dänemark hat ein Problem: Süßwarenschmuggel

  • In keinem Land der Welt essen die Menschen so viele Süßigkeiten wie in Dänemark.
  • Es gibt dort jedoch eine Steuer, die den Süßkram ziemlich teuer macht - doppelt so teuer wie im benachbarten Schweden.
  • Mittlerweile hat sich ein bandenmäßig betriebener Süßwarenschmuggel entwickelt - und er floriert wie nie.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Die Dänen sehen sich selbst gerne als glücklichstes und als gemütlichstes Volk der Welt, was eher schwer zu messen ist. Ganz offiziell allerdings sind sie laut einer Studie der Euromonitor-Gruppe die Weltmeister im Süßigkeitenessen. Der Durchschnittsdäne hängt demzufolge mit 6,6 Kilogramm Bonbons, Dragees und Gummibärchen pro Kopf und Jahr andere Nationen wie die Deutschen (5,3 Kilo) locker ab. Schokolade, Kekse oder die Verführungen der berühmten dänischen Konditorkunst sind da noch gar nicht mit eingerechnet. Eine Institution ist das "Fredagsslik", das Freitagsschlecken: Jeden Freitag dürfen Kinder beim Einkaufen mit vollen Händen ins Bonbonregal greifen und sich zuhause mit dem Zeug den Bauch vollschlagen.

Das führt zum einen dazu, dass dänische Kinder im Durchschnitt pro Tag fünf Mal so viel Zucker essen wie eigentlich gesund ist. Zum anderen war es einer der Gründe, warum Dänemark eine Süßigkeitensteuer hat, die all den Schleckkram ziemlich teuer macht. Viel teurer als im benachbarten Schweden etwa, das von Kopenhagen aus praktischerweise in einer halben Stunde über die Öresundbrücke zu erreichen ist.

Und wie das so ist, wenn Junkies ihren Stoff brauchen: Es finden sich Mittel und Wege und Dealer auch jenseits des Gesetzes. Und so hat sich in den letzten Jahren ein bandenmäßig betriebener Süßwarenschmuggel entwickelt: Ein Kilo Gummizeugs, das in Kopenhagen beim Großhändler 75 dänische Kronen, also zehn Euro, kostet, gibt es drüben im schwedischen Malmö schon für weniger als die Hälfte, für 30 Kronen nämlich.

Den Schmuggel gibt es schon länger. 2017 schlugen die Behörden auf beiden Seiten der Grenze erstmals in einer gemeinsamen Operation zu. Die Razzien liefen unter dem Codenamen "Thors Hammer". Es war dann wohl nur ein Hämmerchen, heute blüht der Schmuggel wie nie.

Reporter des schwedischen Fernsehens und dänischer Zeitungen veröffentlichten unlängst eine Reihe investigativer Reportagen über die kriminellen Netzwerke, die über Tarnfirmen und Strohmänner (darunter dem Boulevardblatt BT zufolge ein ehemaliger dänischer Fußballnationalspieler) Tausende Tonnen der Schmuggelware in Kopenhagen losschlagen. Verkauft wird es in speziellen Süßwarenläden, wo Schaummäuse und Lakritzstangen in offenen Behältern angeboten werden, für unschlagbare neun Kronen die 100 Gramm.

Die Gummibärchen-Gangs fälschen sogar schon Markenware

Sorgen bereitet den Behörden, dass offenbar die organisierte Kriminalität das Geschäft entdeckt hat. Die hohen Profite zögen "Banden und andere kriminelle Gruppen an", sagte Michael Rosenmark von der Eingreiftruppe der dänischen Lebensmittelagentur der Zeitung BT. Gummibärchen-Gangs, die auch dazu übergangen sind, Markenware zu fälschen. "Die Jagd auf gefälschte Süßigkeiten ist für die Stadt Malmö Teil der Arbeit gegen das organisierte Verbrechen", hieß es im schwedischen Sender SVT.

Die dunkle Vergangenheit der billigen Süßigkeiten tut ihrer Popularität bislang keinen Abbruch - ob die Zustände in so manchem illegalen Lager das ändern? BT berichtete zuletzt von "Klebstoff, Staub und Schmutz" zwischen Lollis und Gummikram.

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SZ vom 27.11.2019/vit
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