Mit dem Weingenuss verhält es sich wie mit der großen Konjunktur. In heiteren Zeiten steigt die Stimmung, manche begeben sich in einen Rausch. Doch am nächsten Morgen: Katerstimmung. Erst recht, wenn neue Sorgen quälen.
So kann man das sehen für manche Winzer, die in der Pandemie gewachsen sind. Im ersten Corona-Jahr 2020 verkaufte der Handel in Deutschland sieben Prozent mehr Wein: Als Restaurants geschlossen und Reisen ausgefallen waren, entkorkten die Menschen dann eben zu Hause. Gut war das zumindest für jene Weingüter, die in Supermärkten präsent sind, das Internet als Absatzmarkt erschlossen oder schlichtweg eine treue Kundschaft hatten. 2021 ging der Absatz dann zurück, blieb allerdings auf hohem Niveau, wie Marktforscher berichten.
Doch der Anfang dieses Jahres bereitet der Branche, die in eineinhalb Wochen zur Weltleitmesse Pro Wein in Düsseldorf zusammenkommen wird, nun Kopfzerbrechen. Monika Reule, Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts (DWI), sagt: "Die Verbraucher sind verunsichert." Wenn Lebensmittel und Energie deutlich teurer werden, wie es derzeit passiert, dann sparten viele Menschen an Dingen, die nicht so nötig sind. "Da gehören leider Gottes auch Genussmittel dazu", sagt Reule. "Ich fürchte, dass uns das noch länger beschäftigen wird."
Glasflaschen, Kartons, Sprit: Weingüter drängen auf höhere Preise
So meldet das DWI, dass Haushalte in Deutschland im ersten Quartal dieses Jahres 18 Prozent weniger Wein gekauft haben als im Vorjahreszeitraum, als die Gastronomie geschlossen war. Damit liegt der Pegel der Branche unter dem Niveau vor Ausbruch der Pandemie. Einen Umsatzeinbruch sieht das Institut freilich noch nicht, da die Menschen im Durchschnitt einen teureren Rebensaft trinken als vor Ausbruch der Seuche.
Und diese "Weinflation" dürfte weitergehen: "Es wird Preissteigerungen geben", erwartet Reule und verweist etwa auf Glasflaschen, die in Zeiten hoher Gaspreise knapp und teuer geworden sind. Setzten viele Weingüter bislang auf besondere Flaschen, um aus der Masse rauszustechen, müssten manche heute nehmen, was verfügbar ist. Denn gefühlt scheint gerade alles knapp zu sein: Kartons und Etiketten, Kapseln und Sprit für den Traktor. Gleichwohl drängt gerade der Handel darauf, dass die Flasche im Verkauf nicht zu teuer werden dürfe.
Deutlich zeigt sich jedenfalls, dass der Weinmarkt anderen Schwankungen unterliegt als sein ewiger Rivale Bier. Während Wein eher gefragter wird, wenn alles schließen muss, hängen Brauereien stark am Fassbier, das sie mit hübscher Marge an die Gastwirtschaft verkaufen. So litten Brauereien mit, als Kneipen schlossen, Stadien verwaist blieben und Volksfeste verboten waren. Beide Märkte spüren jedoch, dass eine alternde und gesundheitsbewusstere Gesellschaft insgesamt weniger Alkohol trinkt.
Doch eine Gattung hält sich wacker: Der Rosé, gepresst aus roten Trauben, macht die Winzer froh. Für viele Kenner war Roséwein lange nichts Halbes und nichts Ganzes. "Davon kommen wir weg", sagt Reule: Menschen hörten längst nicht mehr allein auf Wein-Gurus, zugleich sei die Qualität vieler Roséweine gestiegen. Wenn man nicht wisse, was man zu einem Treffen mitbringen soll, liege man mit dem Rosé zumindest oft nicht falsch. Das sehe man in vielen Ländern, sagt Reule. So exportiert das vergleichsweise kleine Weinland Deutschland mehr und mehr Roséwein in die Welt. "Wir sehen da einen ganz klaren Trend", sagt Reule. Und geht's nach ihr, dann ist das einer, dem kein Kater folgen soll.