Süddeutsche Zeitung

Zwischen den Zahlen:Rauschendes Geschäft

Immer noch glauben viele, dass Wein zum Trinken gedacht sei. Dabei hat die Finanzbranche ganz andere Verwendung dafür.

Von Benedikt Müller-Arnold

Es gibt Weine, weiß der Volksmund, die mit der Zeit besser werden. Und es gibt Zeiten, die mit Wein besser werden. Letzteres denken vor allem Genießer - und schenken sich in der Krise gern ein Extra-Gläschen ein. Doch Wirtschaftsexperten können vor derlei Verschwendung nur warnen: Wein sei natürlich nicht zum Trinken gedacht, betonen sie mit abgespreiztem kleinen Finger, sondern einzig und allein als Geldanlage. Zuletzt sollen hochwertige Tropfen im Durchschnitt jährlich um 13 Prozent an Wert gewonnen haben. Begehrte Jahrgänge werden ja immer rarer, je mehr Hedonisten der Lust verfallen und wertvolle Flaschen leeren.

Doch was nützt es, dies zu kritisieren, wenn man davon profitieren kann? Gewiefte lesen sich also lieber in die Welt der Weine ein, rüsten ihre Keller mit Spezialregalen aus und kaufen beste Lagen fürs Hausdepot. Auch für solche Amateure haben Fachleute allerdings bloß Mitleid übrig: Statt mühevoll die Flaschen anzuschleppen, überlassen sie diese Arbeit längst Profis.

So hat eine Investment-Plattform kürzlich einen Fonds für edle Tropfen aufgelegt. Sieben Weine zählen bereits zum Vermögen, allesamt aus Spitzenlagen im Burgund und vier Jahre alt. Schon bald wollen die Anbieter frisches Geld einsammeln, denn selbstverständlich war der Ansturm auf die Fondsanteile groß. Man soll ja nicht sein ganzes Geld in Aktien investieren.

Analysten meinen dennoch, dass das Wein-Depot kein Massenphänomen wird. Zu viele denken, wenn Wein und Fonds in Verbindung gebracht werden, schon wieder nur ans schnelle Glück. Anstatt an jährliche Rendite denken sie an Butter, Zwiebeln sowie wahlweise Fleisch oder Fisch. Abgelöscht mit Wein und einem feinen, diesmal essbaren Fonds, kochen sie sich ein Ragout. Und da die Flasche nun geöffnet ist, fließt der Rest in ihre Gläser. Ökonomen geißeln diese Lust nach dem schnellen Rausch. Sie gefährde den Vermögensaufbau, kritisieren sie. Und trinken dazu Leitungswasser.

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