Wein: Bordeaux:"Phantastisch", "wunderbar", "perfekt"

Die vergangenen Jahre liefen schlecht für Frankreichs Winzer. Der Bordeaux geriet in Verruf. Nun setzen alle auf den neuen Jahrgang - auch die Betrüger.

Michael Kläsgen

Ein Bordeaux kann eine echte Geldanlage sein. Je länger ein Grand Cru, ein Wein der gehobenen Klasse, lagert, desto besser kann er werden und umso höher steigt sein Preis. Und weil nach Expertenmeinung das Wetter im vergangenen Jahr den Jahrgang 2009 besonders gut hat ausfallen lassen, strömten in der vergangenen Woche Händler und Kommissionäre so zahlreich wie nie ins Bordelais.

Wein, Bordeaux, Foto: Reuters

Immer im Frühjahr wird es spannend: Wie sind sie geworden, die Produkte aus den Weinbergen rund um Bordeaux? Fachleute reisen an und verkosten die jungen Weine. In diesem Jahr sind sich alle einig: Der 2009er wird ein "Jahrhundertwein".

(Foto: Foto: Reuters)

Es war die Woche der Verköstigung der "primeurs", junger Weine, deren Gärung noch nicht abgeschlossen ist. Das Spektakel gibt es nur in Bordeaux, denn nur hier haben sich die Grands Crus zu einer Geldanlage entwickelt. Es ist ein riskantes Geschäft für die Käufer. Denn sie erwerben in diesen Wochen eine Ware, die sie erst Ende 2011 erhalten und deren Qualität sie im Moment nur antizipieren können.

Es ist ein Spekulationsgeschäft, eine Wette wie mit Futures. Sie basiert im Wesentlichen darauf, den Geschmacksknospen der eigenen Zunge zu vertrauen. Gut insofern, dass es Robert Parker gibt. Es ist ausgerechnet jener Amerikaner, der zur Institution und zum einflussreichsten Weinkritiker der Welt geworden ist.

"Einer der besten Jahrgänge"

Anfangs mokierten sich viele Franzosen, dass ein "Yankee" sich zum Richter über ihr Nationalgetränk aufwerfe. Aber das liegt mehr als 30 Jahre zurück. Inzwischen ist Parker Mitglied der Ehrenlegion und sein Urteil gefürchteter denn je. Er legt zwar keine Preise fest, entscheidet aber über deren Steigen oder Fallen.

Auch diesmal reiste der 62-Jährige wieder zwei Wochen von Château zu Domaine und nippte an etlichen Gläsern. Und Ende vergangener Woche sprach er dann bedeutungsvoll: "Es ist einer der besten Jahrgänge, die ich in meiner Karriere gekostet habe."

Italien löste Frankreich ab

Seitdem ist die Weinwelt in Frankreich wieder in Ordnung. Händler und Kommissionäre atmeten auf. Die Winzer vergaßen für einen Augenblick all die Jahre der Rückschläge und des Wehklagens.

Seit die Spekulationsblase um die Grands Crus aus dem Jahr 2005 platzte, purzelten die Preise. Schon damals wurde ein Jahrhundertjahrgang ausgerufen. 2007 löste dann Italien die stolze Weintrinker- und -exportnation Frankreich als Spitzenreiter ab. Und 2009 wurde zum wahren annus horribili.

Die Experten sind sich einig

Allein der Export von Bordeaux-Weinen brach um ein Viertel ein. Ein Absturz, den der nationale Weinverband in seinen Annalen noch nie verzeichnet hatte. Der Bordeaux, einst Inbegriff französischer Lebenskultur, geriet in Verruf: zu teuer und vor allem die Massenware nicht von sonderlicher Qualität, hieß es.

Doch nun sind sich die Experten einig. Die primeurs seien "phantastisch", "wunderbar", "perfekt", frohlockten sie unisono. Wieder war die Rede von einem "Jahrhundertjahrgang", wie so oft im vergangenen Jahrzehnt.

Liegen die Auguren auch diesmal wieder falsch? Ist alles nur ein Marketing-Gag, um die erlittenen Verluste wettzumachen? Parker jedenfalls vergab so viele Bestnoten wie nie. Die jeweiligen Winzer können davon ausgehen, ihre Jahresproduktion verkauft zu haben, bevor sie den Wein überhaupt abgefüllt haben.

Das Jahr der Chinesen

"Parker ist für Händler und Weinliebhaber so etwas wie der Guide Michelin für Gastronomen und Feinschmecker", sagt Jean-Philippe Delmas, Direktor des Gutes Dillon. Wenn Winzer, Händler und Kommissionäre in den kommenden Wochen die Preise aushandeln, ist die Meinung des Amerikaners Richtschnur.

Für Mathieu Chadronnier, Chef der Produzentenvereinigung der Grands Crus, steht jetzt schon fest: "Die Preise werden nach oben gehen. Denn die Nachfrage ist sehr groß." Das liegt auch an der neuen Klientel. "2009 wird das Jahr der Chinesen", sagt Zwischenhändler François Lévèque. So wie mit dem Jahrgang 1982 die Amerikaner die Bordeaux-Weine entdeckt hätten, seien nun die Chinesen auf französischen Wein aufmerksam geworden.

Das trifft sich gut. Denn die Exporteure suchen dringend Abnehmer, und China ist einer der wenigen wachsenden Märkte. Das liegt an dem sehr niedrigen Verbrauch dort von gerade einmal 0,4 Liter pro Kopf. Studien zufolge nimmt der Konsum in den kommenden drei Jahren um ein Drittel zu, was einerseits enorm ist. Andererseits lässt das im Vergleich zu den 50 Litern, die ein Durchschnittsfranzose im Jahr trinkt, noch Spielräume nach oben.

Qualität spielt nur eine untergeordnete Rolle

Trotzdem geraten die französischen Weinhändler angesichts der Zahlen ins Träumen. Für Bordeaux-Weine ist China heute schon der größte Markt außerhalb Europas, vor den USA. Die Produzenten und Händler profitieren dabei von einem enormen Vorteil: Chinesen sind noch unerfahrene Weintrinker.

Für sie ist Wein eine Prestigefrage und Frankreich gilt als das Land des Weins. Außerdem geht es vor allem um Farbsymbolik und die Schönheit der Etiketten, zum Teil nur um Qualität, weiß man im Deutschen Weininstitut. Damit aber laufen sie auch Gefahr, Bauernfängern zum Opfer zu fallen.

Sam Gleave, Verkaufsdirektor für Hongkong von Bordeaux Index, einer der wichtigsten Weinhändler, sagt: "Unsere Sorge besteht darin, dass manche Erzeuger das Geld für Lieferungen einstreichen, diese aber nie stattfinden." Immer wenn ein Jahrhundertjahrgang angekündigt werde, steige das Betrugsrisiko. Schwarze Schafe gibt es aber nicht nur unter Erzeugern. Auch Händler lassen sich mitunter verführen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: