Grüne Weihnachten:Die Ökobilanz der Festtage

Weihnachtsmarkt Stuttgart

Blick über den hell erleuchteten Weihnachtsmarkt in Stuttgart

(Foto: dpa)
  • Der Klimawandel hat wie kaum ein anderes Thema das Jahr 2019 dominiert.
  • Dennoch wird das Volumen des Weihnachtsgeschäfts in Deutschland mit geschätzten 102 Milliarden Euro wohl einen neuen Rekord erreichen.
  • Viele Menschen machen - gerade an Weihnachten - weiter wie bisher. Doch wie schlimm ist das?

Von Vivien Timmler

Neue Temperaturrekorde, internationale Klimastreiks und ein deutsches Klimapaket: Neben Handelsstreit und Brexit-Wirrungen hat der Klimawandel wie kaum ein anderes Thema das Jahr 2019 dominiert. Nun sind jene Feiertage, die hierzulande traditionell mit einer Gans auf dem Teller, Lichterketten rund ums Haus und jeder Menge Geschenken gefeiert werden.

Dass sich Konsumenten dem Klima zuliebe an Weihnachten zurückgehalten haben, gilt als unwahrscheinlich. Pünktlich zur Vorweihnachtszeit steigen in den Innenstädten alljährlich die Umsätze. Da dürfte auch 2019 keine Ausnahme sein. Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat seine Prognose für das Weihnachtsgeschäft sogar noch einmal angehoben: Mehr als 102 Milliarden Euro wird der Handel demnach in November und Dezember voraussichtlich einnehmen und somit erstmals die magische 100-Milliarden-Euro-Grenze überschreiten.

Durchschnittlich 281 Euro wollten die Deutschen in diesem Jahr für Weihnachtsgeschenke ausgeben, zeigt eine Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young. Das ist nur ein Euro weniger als im Rekordjahr 2018 - und da hatte Greta Thunberg gerade erst zu streiken begonnen und die Klimadebatte war noch nicht an den Stammtischen des Landes angekommen. Viele Menschen machen an Weihnachten also weiter wie bisher.

"Ein solches Verhalten ist widersprüchlich, aber kognitive Dissonanzen sind ganz normal", sagt der Wirtschaftspsychologe Christian Fichter. "In uns allen schlummert eine Vielzahl an Motiven, und die können nun mal gleichzeitig aktiv sein." Die Umwelt schützen und trotzdem den neuen Fernseher kaufen zu wollen, zum Beispiel. Oder das ganze Jahr auf Einwegplastik zu verzichten, die Geschenke aber trotzdem opulent zu verpacken.

Im Laufe des Jahres sei eine Priorisierung dieser Motive zugunsten des Klimas leichter, gerade an Feiertagen kippe sie jedoch häufig, so Fichter: "Wir sagen uns: Weihnachten ist doch nur einmal im Jahr. Und sind es gewohnt, über Geschenke soziale Bindungen zu festigen." Hinzu kommt, was Sozialpsychologen "reziprokes Verhalten" nennen, also das Prinzip der Gegenseitigkeit: Menschen fühlen sich verpflichtet, Familie und Freunden an Weihnachten etwas zu schenken, weil sie glauben, dass sie ebenfalls etwas bekommen.

Und doch ist etwas anders in diesem Jahr. Die Nachfrage nach Bio-Bäumen steigt. Geschenke werden wahlweise mit dem Zusatz "nachhaltig", "fair" oder "klimaneutral" angepriesen. Einschlägige Kochmagazine schlagen vor, statt Gans, Karpfen oder Würstchen mit Kartoffelsalat doch mal "Weihnachtsklassiker - aber vegan" aufzutischen. Und selbst die Bundesregierung positioniert sich gegen den Verpackungswahn und fragt auf ihrer Homepage: "Vielleicht genügt manchmal auch eine Schleife zur Dekoration?"

Nicht gerade zurückhaltend bei der Dekoration sind die Deutschen traditionell bei der Weihnachtsbeleuchtung. Etwa 17 Milliarden Lämpchen erleuchten in der Adventszeit Häuserfassaden, Gärten und Tannenbäume - dementsprechend steigen Strom- und CO₂-Verbrauch. Das jedoch könnte sich künftig ändern, zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov: Mehr als die Hälfte der Deutschen kann sich demnach vorstellen, aus Klimaschutzgründen auf Weihnachtsbeleuchtung zu verzichten oder sie zumindest zu reduzieren. Jeder Fünfte tut das bereits in diesem Jahr.

Wieder kein Schnee an Weihnachten

Für ein Drittel der Deutschen kommt das hingegen nicht infrage - und das ist vollkommen okay, sagt Wirtschaftspsychologe Fichter. Denn selbst wenn die Festtage wohl noch eine ganze Weile eine schlechte Ökobilanz haben werden: Es komme vielmehr darauf an, umweltbewussten Konsum in seinen Alltag zu integrieren. "Konsum an Weihnachten ist ja nicht prinzipiell schlecht, im Gegenteil: Konsum ist wichtig. Wir sollten nur wieder dahin zurückkommen, ihn so zu gestalten, dass er uns langfristig glücklich macht und unsere Anstrengungen beim Klimaschutz nicht torpediert."

Und so ist an Weihnachten alles wie immer, aber doch ein bisschen anders. Bis auf das Wetter: Da tendieren die Chancen auf weiße Weihnachten mal wieder "gegen null Prozent", lässt der Deutsche Wetterdienst verlauten. Aber grüne Weihnachten passen ja auch irgendwie zu diesem Jahr 2019.

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