Süddeutsche Zeitung

Bundesbank-Präsident zur Schuldenkrise:Weidmann attackiert EZB wegen Anleihekäufen

Es könne "süchtig machen wie eine Droge": Mit derart drastischen Worten hat sich Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gegen ein neues Programm der Europäischen Zentralbank zum Aufkauf von Staatsanleihen ausgesprochen. Es sei zu nah an einer Staatsfinanzierung durch die Notenpresse. Stattdessen nimmt Weidmann die Politik in die Pflicht.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat in ungewöhnlich scharfer Form die Pläne der Europäischen Zentralbank (EZB) kritisiert, ein neues Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen von Euro-Krisenstaaten aufzulegen. Dadurch würden letztlich die Steuerzahler der anderen Länder belastet und zudem die Unabhängigkeit der Notenbank gefährdet, sagte Weidmann in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Zugleich nahm er die Politik in die Pflicht. "In einer Demokratie sollten über eine so umfassende Vergemeinschaftung von Risiken die Parlamente entscheiden und nicht die Zentralbanken", sagte der Bundesbank-Chef.

Dem Spiegel zufolge gibt es im Bundesfinanzministerium Überlegungen, die Bedingungen für neue Anleihenkäufe der EZB zu lockern. Demnach müssten Krisenländer wie Spanien oder Italien sich nicht mehr einem Sanierungsprogramm unter dem Euro-Rettungsschirm unterwerfen, sondern nur eine Selbstverpflichtung gegenüber der EU-Kommission abgeben. Für die EZB hätte das den Vorteil, dass sie bei Anleihenkäufen nicht von einem vorherigen Votum der Euro-Finanzminister abhängig wäre.

Die Pläne für Anleihenaufkäufe, wie sie EZB-Chef Mario Draghi in Aussicht gestellt hatte, seien "zu nah an einer Staatsfinanzierung durch die Notenpresse", sagte Weidmann. Die grundlegenden Probleme der Schuldenkrise würden auf diese Weise nicht gelöst. "Wir sollten die Gefahr nicht unterschätzen, dass Notenbank-Finanzierung süchtig machen kann wie eine Droge."

Der Bundesbank-Chef ging damit offen auf Konfrontationskurs zum EZB-Chef Draghi, der Anfang des Monats ein zweites Anleihen-Aufkaufprogramm in Aussicht gestellt hatte, um den Euro zu retten und überschuldeten Ländern zu helfen. Details werden zur nächsten EZB-Ratssitzung am 6. September erwartet, obwohl zu diesem Zeitpunkt wichtige Rahmenbedingungen für die EZB noch unklar sind. Am 12. September entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob eine Beteiligung am permanenten Rettungsschirm ESM mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Weidmann hatte schon zuvor schon keinen Hehl aus seiner Ablehnung von Anleihenkäufe durch die EZB im vorigen Jahr gemacht. Dem Spiegel zufolge wird auch über die Ausgestaltung des Programms innerhalb der EZB heftig gestritten. So plädierten einige nordeuropäische Länder dafür, dass die EZB nur eingreife, wenn die Zinsen für Staatsanleihen der betroffenen Staaten "explodierten". Vor allem die südeuropäischen Länder wie Spanien und Italien drängten die EZB dagegen, ohne jede Beschränkung an den Sekundärmärkten Anleihen aufzukaufen.

Diskutiert wird in der EZB in dem Zusammenhang auch die Festlegung von Zinsobergrenzen, ab denen die Zentralbank mit Anleihenaufkäufen einschreiten würde. Weidmann ließ im Spiegel-Interview erkennen, dass er davon wenig hält. "Zinssätze für Staatsanleihen im EZB-Rat festzusetzen wäre für mich jedenfalls eine heikle Vorstellung", sagte Weidmann. "Ich glaube kaum, dass ich der Einzige bin, der dabei Bauchschmerzen bekommt."

Weidmann nahm mit der Aufforderung, dass letztlich die Parlamente entscheiden müssten, ausdrücklich die Politik in die Pflicht, einschneidende Entscheidungen in der Euro-Krise selbst zu verantworten. Wenn die Euro-Notenbanken Staatsanleihen einzelner Länder kauften, "landen die Papiere in der Bilanz des Eurosystems", warnte Weidmann. "Letztlich stehen dafür die Steuerzahler aller anderen Länder gerade."

Weidmann sieht außerdem die Unabhängigkeit der EZB in Gefahr. Auf den zweiten Blick falle auf, dass es bei den Plänen "auf abgestimmte Aktionen der staatlichen Rettungsschirme und der Notenbank hinausläuft. Dadurch entsteht eine Verknüpfung von Fiskal- und Geldpolitik". Er wolle vermeiden, dass die Geldpolitik unter die Dominanz der Fiskalpolitik gerate. Eine unmittelbare Inflationsgefahr sieht Weidmann nicht. "Aber wenn sich die Geldpolitik als umfassender politischer Problemlöser einspannen lässt, droht ihr eigentliches Ziel mehr und mehr in den Hintergrund zu rücken."

Weidmann warnte davor, die EZB zu verpflichten, "den Verbleib von Mitgliedsländern in der Euro-Zone um jeden Preis zu garantieren". Bei der Entscheidung über einen möglichen Austritt Griechenlands müsse auch eine Rolle spielen, "dass kein weiterer Vertrauensschaden am Rahmenwerk der Währungsunion entsteht und die wirtschaftspolitischen Auflagen der Hilfsprogramme ihre Glaubwürdigkeit behalten".

Gegen Kritik an seiner offensiven Kommunikation in den vergangenen Monaten wehrte sich Weidmann. "Wir Notenbanker agieren derzeit in einem Grenzbereich, und dabei treten immer mehr grundlegende Fragen auf. Deshalb müssen wir auch bereit sein, unsere Überzeugungen, die wir im Rat vertreten, öffentlich zu erläutern", sagte er. "Der EZB-Rat ist kein Politbüro."

Auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt poltert gegen Mario Draghi. Draghis Vorschlag zur Einführung einer Zinsobergrenze sei der Versuch, vertragswidrig eine "Finanzierung der Schuldenländer durch die Hintertür" zu erreichen, sagte Dobrindt der Zeitung "Bild am Sonntag". "Damit missbraucht er die EZB als Schaufelrad, um Geld vom stabilen Norden Europas in den defizitären Süden zu schaffen", sagte Dobrindt. Auf diese Weise mache Draghi die Europäische Zentralbank zur Inflationsbank. "Mit solchen Vorschlägen begibt sich Draghi auf den besten Weg, in das Geschichtsbuch als der Falschmünzer Europas einzugehen", urteilte Dobrindt.

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