Wenn Nicola Breugst Vorträge auf Englisch hält, braucht sie gelegentlich einige Wörter mehr. Die Professorin forscht an der Technischen Universität München zur menschlichen Seite des Unternehmertums, doch sie spricht fast nie nur über den "founder" oder den "entrepreneur". "He or she", setzt sie fast immer hinzu, "er oder sie", sehr bewusst. "Wenn man immer von 'er' spricht, festigt sich das Bild vom Mann als Gründer - wie bei anderen Berufsbezeichnungen auch."
Nun kann man über Sprachfragen gut streiten, aber für ihre Akkuratesse hat Breugst Gründe. Frauen starten in Deutschland immer noch seltener als Männer eine eigene Firma. Mehr als doppelt so viele Männer wie Frauen sind selbständig. Nicht einmal jedes fünfte Start-up wurde laut dem "Deutschen Startup Monitor 2018" von einer Frau gegründet. Auch wenn es stets Ausnahmen gibt und die Bandbreite an Gründungen Verallgemeinerungen schwierig macht, lassen sich auch anhand umfangreicher Forschung Muster erkennen, die entlang der Geschlechterlinien laufen: Frauen gründen anders. Sie gründen seltener als Männer in Vollzeit, sondern eher neben ihrem aktuellen Job. Sie starten aus anderen Motiven die eigene Firma, beispielsweise, weil es ein Thema gibt, das ihnen am Herzen liegt, oder um Familie und Beruf in Einklang zu bringen.
Weibliche Gründer haben häufiger Bedenken und ganz andere Ziele
Frauen gründen oft mit weniger Geld- und Personaleinsatz. Ihre Geschäftsidee liegt oft im Bereich persönlicher Dienstleistungen, nur knapp 15 Prozent der Start-ups mit einem Technologie-Fokus haben dagegen eine Chefin. Weibliche Gründer haben nicht nur häufiger Bedenken, ob sie kompetent genug sind, ein Unternehmen zu führen. Sondern sie haben auch andere Ziele, wenn sie sich dafür entscheiden: Männer sehen das große, wachstumsorientierte Unternehmen. Frauen, so Breugst, betonen öfter, "dass sie organisch wachsen wollen".
Das alles hat Folgen. Zwar richten sich Gründerwettbewerbe und Förderprogramme an beide Geschlechter - aber sie passen nicht immer zu den potenziellen Unternehmerinnen, an die sie sich richten. "Frauen sind beispielsweise nicht weniger mutig", sagt Manuela Rasthofer, die eine Firma zur Erstellung von Weltkarten mittels künstlicher Intelligenz gestartet hat. "Aber sie machen weniger Bohei um Themen - das wiederum beeindruckt Investoren weniger, als wenn männliche Kollegen ihre Erfolge aufzählen." Weil diese Unterschiede bekannt sind, gibt es längst spezielle Gründerinnenförderung. Neben Beratungsstellen sind das oft Netzwerke wie ein Mentoring der Hypovereinsbank. Rasthofer war Mentee und hat unter anderem die Unternehmerin Susanne Porsche kennengelernt und von ihr Ratschläge von der Mitarbeiterführung bis zur Vereinbarkeit mit der Familie bekommen. "Weil uns tatsächlich andere Themen wichtig sind, war es hilfreich, von Frau zu Frau zu reden" sagt Rasthofer. Sie hält Programme, die sich insbesondere an Frauen richten, für sinnvoll. "Schon allein, um die Unterschiede zu verstehen", sagt sie. "Aber auch, weil es die weibliche Denke in der Wirtschaft dringend braucht." Zusätzlich könnte es aus ihrer Sicht helfen, mehr weibliche Investoren zu haben. Gleichzeitig ändere sich etwas: "Vielen Investoren wird Nachhaltigkeit wichtiger. Da hat man als Frau gute Chancen, gehört zu werden", sagt Rasthofer.
Sie ist zu etwas geworden, was Professorin Breugst noch wichtiger findet als Förderprogramme: Vorbilder. Die entstünden durch mehr Aufmerksamkeit für Frauen, die eine eigene Firma starten. Aber auch durch einfache Dinge wie die TV-Show "Höhle der Löwen", in der Gründer bei Geldgebern für ihre Konzepte werben. "Durch solche Formate entsteht eine Pluralisierung der Idee, wer Gründer sein kann", findet Breugst.